BND und NSA im Vergleich:Kleine und große Datenfischer

Lesezeit: 3 min

Seit Jahrzehnten arbeitet der BND mit der NSA zusammen. Im Bild: Das sogenannte "Dagger-Gebäude" im hessischen Griesheim, das die US-Geheimdienste nutzen. (Foto: REUTERS)

Während der US-Geheimdienst NSA riesige Netze auswirft, angelt der BND gezielt nach Daten. Was Personalstärke und Etat angeht, ist der deutsche Nachrichtendienst ein Winzling gegenüber seinem US-Pendant. Wer klein ist, möchte dem Großen imponieren - das ist manchmal gefährlich.

Von Hans Leyendecker

Verglichen mit dem Geheimdienst-Konzern National Security Agency (NSA) ist der Bundesnachrichtendienst (BND) nur ein mittelständisches Unternehmen. Die NSA hat mehr als 30.000 Mitarbeiter, der BND etwa 6300. Der Jahresetat der NSA wird auf zehn Milliarden Dollar geschätzt. Der BND erhielt 2012 erstmals mehr als 500 Millionen Euro, sechs Prozent mehr als im Jahr zuvor. Aber nur deshalb, weil der Neubau der Zentrale in Berlin viel teurer wird als erwartet.

Wenn der eine ein Riese ist und der andere nicht, freut sich der Kleine gewöhnlich, wenn der Große ihn ernst nimmt. Das ist eines der Probleme in der langen und nicht selten unheimlichen Kooperation zwischen NSA und BND, die in den Fünfzigerjahren begann und bis heute fortdauert.

Wie stolz war doch der BND, als er das erste Telefonat abhören konnte, das belegte, dass al-Qaida hinter den Terroranschlägen vom 11. September 2001 steckte. Und auch der Dienstherr, die Bundesregierung, war beeindruckt, weil sich sogar der amerikanische Präsident George W. Bush bei den Deutschen für die Hilfe bedankt hatte.

Wer klein ist, möchte dem Großen auch imponieren. Diese Haltung kann gut sein, aber manchmal ist sie auch gefährlich. Der Spiegel hat in dieser Woche aus geheimen NSA-Papieren zitiert. BND-Präsident Gerhard Schindler soll den Wunsch geäußert haben, enger mit der NSA zusammenzuarbeiten: Die Deutschen suchten bei der NSA "Führung und Rat", gingen mit "Eifer" ans Werk und versuchten, die amerikanischen "Informationsbedürfnisse" zu befriedigen. Man muss solche Erklärungen nicht wörtlich nehmen, aber ganz frei erfunden sind sie vermutlich auch nicht.

De Maizière und die Euro-Hawk-Affäre
:Von Merkels Liebling zum Problemfall

Verteidigungsminister de Maizière galt lange als verlässliche Größe in der schwarz-gelben Koalition. Manche sahen in ihm gar den nächsten Kanzler. Doch das gescheiterte Drohnenprojekt "Euro Hawk" setzt ihm zu. Eine Chronologie der Ereignisse seit dem Bekanntwerden der Affäre.

Der BND, der angeblich Führung sucht, ist in zwölf Abteilungen unterteilt. Die Klimaveränderung, der Kampf ums Wasser und die letzten Energiereserven gehören zu den Aufklärungsarbeiten des Dienstes. Auch in diesem Bereich geht es um Sicherheitsfragen. Etwa jeder zweite Mitarbeiter ist Angestellter, jeder dritte Beamter, jeder neunte Soldat. Etwa 730 Soldaten gibt es beim BND. Fast die Hälfte aller Mitarbeiter ist operativ im Einsatz. Allein in Afghanistan sind um die 100 Mitarbeiter.

Die meisten nachrichtendienstlichen Erkenntnisse liefert die Abteilung "Technische Aufklärung" (TA), die im Kleinen versucht, was die NSA im ganz Großen macht. Sie zapft beispielsweise Kabel an, sammelt Metadaten und verwendet bei der Suche im Netz Schlagwörter. In früheren Zeiten stammten drei Fünftel aller BND-Meldungen aus der fernmelde-elektronischen Aufklärung. Heute ist es etwa die Hälfte. Circa 1300 Mitarbeiter arbeiten in dem Bereich der "Technischen Aufklärung".

Der Verdacht liegt nahe, dass westliche Dienste eine Art Vereinigung gebildet haben

Es gibt Unterschiede bei den Methoden: Die Amerikaner fischen gleichsam mit einem Riesennetz in großen Datenmengen auf der Suche nach Detailinformationen. Der deutsche Dienst geht eher gezielt vor und umschreibt die eigene Tätigkeit als "Harpunen-System".

Ob Netz oder Harpune - jeder Dienst schützt eher seine Landsleute und hält Ausländer für vogelfrei. Material wird ausgetauscht. Wie viel ist nicht ganz klar. Der Verdacht liegt nahe, dass westliche Dienste eine Art Vereinigung gebildet haben, deren Mitglieder nur daheim mehr oder weniger die Gesetze achten.

Und wozu das alles? Der Austausch mit Partnerdiensten habe Anschläge in Deutschland und in Afghanistan auf deutsche Soldaten verhindert, behaupten in diesen Tagen Nachrichtendienstler und Politiker. Das ganz große Lagebild zum internationalen Terrorismus sei ausländischen Quellen zu verdanken, sagt ein BND-Mitarbeiter. Aber stimmen die umlaufenden Zahlen über den angeblichen Erfolg der NSA-Tipps? Von sieben angeblich verhinderten Anschlägen in Deutschland war die Rede, dann von fünf oder nur zwei. Und mindestens 20 am Hindukusch. Allein in den Jahren 2011 und 2012.

Bei solchen Erfolgsbilanzen ist Misstrauen angesagt. Was ist ein geplanter Anschlag? Ist das Geschwurbel eines radikalen Islamisten am Telefon oder die Verhinderung der geplanten Ausreise eines Islamisten ein verhinderter Anschlag? Stichproben zeigen, dass weder die Zahlen für Afghanistan und schon gar nicht die für Deutschland ganz ernst zu nehmen sind. In diesem Metier wird von Berufs wegen getrickst und finassiert. US-Geheimdienste vor allem messen der Fassade einen höheren Wert bei als der Wirklichkeit.

Historiker Foschepoth über US-Überwachung
:"Die NSA darf in Deutschland alles machen"

Geschichtsprofessor Josef Foschepoth hat dokumentiert, wie umfangreich die USA seit den Anfängen der Bundesrepublik die Kommunikation kontrollieren. Im Interview erklärt er, wieso die US-Geheimdienste auch nach der Wiedervereinigung freie Hand haben.

Von Oliver Das Gupta

Und die deutschen Dienste, der BND vorneweg, sind Ziehkinder der Amerikaner. Der Historiker Josef Foschepoth hat in seinem Buch "Überwachtes Deutschland. Post-und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik" aufgeschrieben, wie eilfertig und umfassend deutsche Behörden ausländischen Diensten bis Ende der Sechzigerjahre behilflich waren.

Es gab auch ein paar Aufs und Abs in der Zusammenarbeit. Der Draht zur NSA glühte nach Ende des Kalten Krieges nicht mehr so wie zuvor, aber der 11. September hat dann eine neue Allianz entstehen lassen. Aber wer ist Freund, wer ist Feind?

Seit 2006 wird im Niemandsland an der Chausseestraße, wo Berlin-Mitte aufhört und Wedding noch nicht richtig beginnt, die künftige BND-Zentrale gebaut. Ein Riesenprojekt, das voraussichtlich alles in allem 1,5 Milliarden Euro kosten wird - der größte Bundesbau der Nachkriegsgeschichte. Es gibt immer neue Verzögerungen. Fremde Mächte sollen keinen Einblick ins Innere des deutschen Geheimdienst bekommen. Bauaufträge wurden wie Staatsgeheimnisse behandelt. Die Sorge galt nicht so sehr Trockenbauern aus Tschechien. Der BND sorgt sich, dass der große Bruder aus Amerika sein Ohr in der deutsche Zentrale haben will. Diese Sorge muss man ernst nehmen.

© SZ vom 23.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: