Wulff-Rücktritt:Merkel steckt im Präsidenten-Dilemma

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Es ist die pure Not, die sie treibt: Angela Merkel sucht nach dem Rücktritt von Christian Wulff einen Kandidaten, der allen gefällt. Wenn sie es geschickt anstellt, könnte sie am Ende als Siegerin aus dem ganzen Schlamassel hervorgehen. Doch da ist ein wichtiger Störfaktor: mal wieder die FDP.

Thorsten Denkler, Berlin

Die Briten haben es leicht: Ist der König tot, dann lebe der König. Die Erbmonarchie ist eine tolle Erfindung für alle, die sich nicht lange mit der Suche nach Kandidaten aufhalten wollen. Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel wird es so einfach nicht haben. Erst tritt ein Bundespräsident zurück, dann wird wochenlang geschachert, dann gewählt und erst dann lebe er hoch, der neue Bundespräsident. Ab Rücktritt gibt das Grundgesetz für diesen Prozess 30 Tage Zeit.

Bundeskanzlerin Merkel muss nun einen Kandidaten finden, der allen gefällt. (Foto: dapd)

Wie quälend das sein kann, hat die Kandidatenkür 2010 gezeigt. Nach der Flucht von Horst Köhler aus dem Amt wurden in Union und FDP Namen gehandelt wie reife Äpfel. Ursula von der Leyen war sich zwischenzeitlich ganz, ganz sicher, dass sie es werden würde. Einige Medien auch. Dann hat im letzten Moment ein gewisser Christian Wulff das Rennen gemacht. Merkel dürfte das spätestens an diesem Freitag bereut haben.

Im Nachhinein lässt sich sagen: Auch von der Leyen wäre spätestens im dritten Wahlgang gewählt worden. Und Merkel hätte jetzt nicht das Problem, schon wieder einen Kandidaten finden zu müssen.

Merkel stellt das vor ein schwer zu lösendes Dilemma. Schwarz-Gelb hat zwar eine knappe Mehrheit in der Bundesversammlung. Aber Merkel wird nicht noch einmal mit einem Kandidaten in den demütigenden dritten Wahlgang gehen wollen. Die Häme und der Spott dürften ihr noch in den Ohren klingen, als Wulff im ersten Wahlgang deutlich gescheitert war.

Wohlweislich will sie jetzt einen Kandidaten benennen, der allen gefallen sollte - allen, außer den Linken. Die Linke, glaubt Merkel, ist ohnehin nicht einigungsfähig. Da lohne sich der Versuch erst gar nicht.

Es ist die pure Not, die sie treibt. Es kann nicht mehr darum gehen, mit einem eigenen schwarz-gelben Kandidaten um jeden Preis Stärke zu demonstrieren, wie es 2010 der Fall war. Was sie jetzt braucht ist ein Kandidat, der ohne Blessuren mindestens bis zur Bundestagswahl 2013 im Amt bleiben kann. Und der ihr womöglich Türen zu anderen Koalitionspartnern als der siechenden FDP öffnet. Das scheint angesichts von zwei Bundespräsidenten, die in ihrer Regierungszeit das Amt zurückgegeben haben, zumindest ein ambitioniertes Ziel zu sein.

Strategisch ist ihre Positionen nicht die Schlechteste. Wäre den Hannoveraner Staatsanwälten nur wenige Wochen später eingefallen, dass sie Ermittlungen gegen Wulff aufzunehmen gedenken, die Bundesversammlung hätte sich womöglich erst nach der konstituierenden Sitzung des Saarländischen Parlamentes zusammengefunden. Da aber wäre die schwarz-gelbe Mehrheit nach Stand der Umfragen im Saarland weg gewesen. So behält sie mit der schwachen aber eigenen Mehrheit einen wichtigen Trumpf in der Hand.

Andererseits haben aber auch SPD und Grüne durchaus ein Interesse daran, einen parteiübergreifenden Kandidaten zu finden. Das Signal an die Bürger: Seht her, ohne uns geht nichts. Außerdem könnte es ja sein, dass es nach der Wahl 2013 unklare Mehrheitsverhältnisse gibt. Da könnten SPD und Grüne jeweils auf Merkel angewiesen sein, wenn es gilt eine Regierung zu bilden.

Kann Merkel gestärkt aus dem Schlamassel hervorgehen?

Zum Problem werden könnte jetzt nur noch die FDP. Die spielt in Merkels Rechnung nämlich nur eine untergeordnete Rolle. Darum beharrt sie darauf, dass es einen eigenen, einen schwarz-gelben Kandidaten gibt. Geht es nach Merkel, wird der Kandidat mit den Oppositionsparteien gemeinsam gefunden. Geht es nach der FDP findet die Koalition erst einen Kandidaten, der dann der Opposition präsentiert wird. Da könnte es noch Knatsch geben.

Für Merkel wird auch die Frage wichtig sein, ob der neue Schlossherr in der Lage ist, nach dem Wulff-Debakel Aufbruch und Neuanfang zu vermitteln. Mit Horst Köhler hat sie einen Quereinsteiger geholt. Er ist am Amt gescheitert. Mit Wulff fiel ihre Wahl auf einen erfahrenen Partei- und Landespolitiker. Er ist an sich selbst gescheitert.

Vielleicht ist das ja Grund genug, endlich eine Frau in das Amt des Bundespräsidenten zu bringen. Merkel, die erfolgreiche Krisenmanagerin. So könnte es ihr am Ende sogar gelingen, gestärkt aus dem ganzen Schlamassel hervorzugehen.

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