Berlin gedenkt Mauerbaus vor 50 Jahren:"Am Ende ist die Freiheit unbesiegbar"

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Zum 50. Jahrestag des Berliner Mauerbaus hat Bundespräsident Wulff die deutsche Gesellschaft zu mehr Offenheit aufgerufen: Dazu gehöre auch, Zuwanderer stärker zu integrieren und "die Präsenz des Fremden" zu tolerieren. Kanzlerin Merkel bezeichnete den Mauerbau als Mahnung, weltweit für Freiheit einzutreten. Deutschlandweit ist des historischen Ereignisses mit einer Schweigeminute gedacht worden.

Berlin gedenkt des Mauerbaus vor 50 Jahren: An den Mauerresten in der Bernauer Straße haben sich führende Politiker, frühere DDR-Regimegegner und Angehörige der Opfer versammelt, um an die Toten des SED-Regimes in der heutigen Bundeshauptstadt zu erinnern.

Bundespräsident Christian Wulff bei seiner Rede an der Bernauer Straße anlässlich des Jahrestags des Berliner Mauerbaus: "Begreifen wir dieses Gemeinwesen immer neu als das unsere." (Foto: Getty Images)

Bundespräsident Christian Wulff rief dazu auf, weltweit für Demokratie und Menschenrechte einzutreten. "Die Erinnerung an das Unrecht der Mauer mahnt uns, diejenigen nicht allein zu lassen, die für Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte kämpfen", sagte das Staatsoberhaupt bei der zentralen Gedenkveranstaltung in Berlin. "Und sie verlangt von uns, dafür zu sorgen, dass sich Geschichte nicht wiederholt." Als Lehre aus diesem Kapitel forderte der Bundespräsident eine stärker zustimmende Grundhaltung zur Demokratie: "Begreifen wir dieses Gemeinwesen immer neu als das unsere."

Wulff erinnerte auch an den Fall der Mauer 1989. "Die Mauer fiel nicht, sie wurde umgestürzt", betonte er. Auch jetzt seien Veränderungen notwendig und noch mehr wirkliche Freiheit in Deutschland möglich. Dazu gehöre auch, Zuwanderer besser zu integrieren und für alle in der Gesellschaft noch mehr Entfaltungsmöglichkeiten zu schaffen. "Die Erinnerung an die Leben erstickende Mauer mahnt uns, die Offenheit unserer heutigen Welt und die Präsenz des Fremden in ihr auszuhalten, auch wenn es häufig anstrengend sein mag", sagte das Staatsoberhaupt.

Ähnlich äußerte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel: Sie bezeichnete das Unrecht des Mauerbaus vor 50 Jahren als weltweite Mahnung, für Freiheit und Demokratie zu kämpfen. "Wir dürfen den 13. August 1961 und das Leid, das er über Millionen von Menschen gebracht hat, nie vergessen. Das Unrecht des Mauerbaus mahnt uns bis heute, bei uns zu Hause und weltweit für Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte einzutreten", sagte Merkel der Nachrichtenagentur dpa.

Bundespräsdient Wulff gedachte in seiner Rede der Toten an der Mauer und der innerdeutschen Grenze ebenso wie derer, die aus politischen Gründen inhaftiert und verfolgt wurden. Sie seien aber nicht die einzigen Opfer des DDR-Regimes gewesen. Millionen Menschen hätten in der DDR auf ein selbstbestimmtes Leben verzichten müssen.

Unveränderbar sei viele Jahre die Weltlage erschienen, deren Symbol die Mauer gewesen sei. "Aber einmal mehr hat sich gezeigt: Am Ende ist die Freiheit unbesiegbar. Keine Mauer widersteht dauerhaft dem Willen zur Freiheit", sagte Wulff. Er erinnerte daran, dass der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, schon am Abend des 13. August 1961 den Bürgern in der DDR und in Ostberlin zugerufen habe, dass niemals Menschen auf die Dauer in der Sklaverei gehalten werden könnten.

Wulff kritisierte in seiner Rede, dass sich viele mit Teilung und Mauer abgefunden hätten. Beschämend sei vor allem die um sich greifende Gleichgültigkeit in Westdeutschland gewesen: "Viele gewöhnten sich an die Mauer, viele verharmlosten sie." Wer an die Nation, an Mauer und Stacheldraht erinnert habe, sei als Störenfried oder "Ewiggestriger" beschimpft worden.

Unrecht von links habe weniger empört als Unrecht von rechts. Die Sandinisten in Nicaragua hätten mehr Anteilnahme als die ostdeutschen Bürgerrechtler gefunden. In Anwesenheit der Angehörigen von Maueropfern warb Wulff um Verständnis dafür, dass nicht alles in der DDR geschehene Unrecht nach der Einheit verfolgt worden sei. "Wichtiger als die Höhe der Strafen war und ist das Signal, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht ungestraft bleiben."

Wowereit dankt Bürgerrechtlern und Gorbatschow

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit verurteilte die nostalgische Verklärung der Mauer: "Es ist erschreckend, dass auch heute noch einige meinen, die SED habe gute Gründe für die Abriegelung gehabt", sagte der SPD-Politiker. Es gebe allerdings auch Menschen in Ostdeutschland, die dieser Wandel aus der Bahn geworfen habe, hob er hervor.

Wowereit dankte den DDR-Bürgerrechtlern und den osteuropäischen Freiheitsbewegungen: "Sie haben den Weg zur Überwindung der Teilung geebnet", sagte Wowereit in Berlin. Besonders dankte er dem früheren sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow. "Fassungslos mussten wir mit ansehen, wie der SED-Staat die Teilung der Stadt zementierte", erinnerte Wowereit an den 13. August 1961. Er sprach vom traurigsten Tag in der jüngeren Geschichte der Stadt. Der SPD-Politiker rief auch zum Gedenken an die Menschen auf, die in DDR-Gefängnissen wie Bautzen und Hohenschönhausen Unrecht erleiden mussten.

Deutschlandweit riefen Opferverbände die Menschen zu einer Schweigeminute auf: In Berlin läuteten um 12 Uhr Kirchenglocken. Busse und Bahnen stoppten kurz, Menschen hielten inne. Auch bei der zentralen Veranstaltung in der Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße auf dem früheren Todesstreifen gab es einen Moment des Innehaltens. Bundespräsident Wulff, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Kanzlerin Merkel und Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit legten Kränze nieder und verharrten in schweigendem Gedenken.

Am Mauermuseum am früheren Grenzkontrollpunkt Checkpoint Charlie an der Friedrichstraße hielten ebenfalls einige Menschen kurz inne. Zum Gedenken an die Maueropfer wehten am Samstag Flaggen auf Halbmast.

CDU-Politiker Neumann: DDR war Unrechtsstaat

Vor 50 Jahren, am 13. August 1961, begann der Bau der menschenverachtenden Grenze auf Befehl der DDR-Führung unter Walter Ulbricht. Mit dem Verlesen von Opfer-Biografien hatte das Gedenken an den Mauerbau in der Nacht zum Samstag in der Kapelle der Versöhnung auf dem früheren Todesstreifen begonnen. Zu den Andachten kamen auch jüngere Menschen, die die Teilung nicht mehr erleben mussten. An der Bernauer Straße wurde auch der zweite Abschnitt einer Mauer-Erinnerungslandschaft unter freiem Himmel eröffnet. Die Straße galt als Symbol der Teilung, weil die Häuser zum Osten gehörten und der Bürgersteig im Westen lag. Hier spielten sich nach dem Mauerbau dramatische Fluchtszenen ab.

Die frühere Bürgerrechtlerin Freya Klier berichtete von ihrem Fluchtversuch als 18-Jährige, der verraten wurde. Sie kam ins Gefängnis. "Was für ein unbarmherziges System war das, von dem so viele heute noch schwärmen", sagte Klier. Auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) wandte sich gegen eine Verklärung und Verharmlosung der DDR-Geschichte. Es müsse noch mehr Aufklärung geleistet werden. Die DDR sei ohne Zweifel ein Unrechtsstaat gewesen. Gerade den früheren Bürgerrechtlern sei man es schuldig, die "Dinge beim Namen zu nennen und die Wahrheit zu sagen".

© dpa/AFP/dapd/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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