Berechnung des Budget-Büros:Gesundheitsplan würde 22 Millionen US-Amerikaner die Versicherung kosten

Mitch McConnell

Mitch McConnell, republikanischer Mehrheitsführer im Senat, am Montag auf dem Weg ins Büro.

(Foto: AP)
  • Das überparteiliche US-Haushaltsbüro hat seine Schätzung zu den Gesundheitsplänen der Republikaner im US-Senat vorgestellt.
  • 49 Millionen US-Bürger wären demnach ab 2026 ohne Krankenversicherung.
  • Demokraten fordern Anhänger und Betroffene auf, konservativen Senatoren ins Gewissen zu reden und zu protestieren.
  • Noch ist unklar, ob die hauchdünne Senatsmehrheit der Republikaner hält. Die Abstimmung findet Ende der Woche statt.

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Der Montag war im politischen Washington mit großer Nervosität erwartet worden. Noch diese Woche will der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, über das neue Gesetz zur Krankenversicherung abstimmen lassen. Doch ob die Konservativen eine Mehrheit dafür bekommen, ist unklar - wie groß sie ausfällt, hängt auch vom Urteil des "Congressional Budget Office" (CBO) ab. Die Mitarbeiter des überparteilichen Kongress-Büros haben das Wochenende damit verbracht, die Folgen des am vergangenen Donnerstag vorgestellten Entwurfs auszurechnen.

Das Ergebnis liefert keinen Anlass zur Beruhigung: Etwa 22 Millionen US-Bürger werden in den kommenden zehn Jahren ihren Gesundheitsschutz verlieren, sollte der Senatsentwurf in Kraft treten. Das wäre zwar eine Million Menschen weniger als bei dem Entwurf aus dem Repräsentantenhaus, doch ein "immerhin" ist angesichts dieser Zahlen kaum angebracht - zumal die ersten 15 Millionen Menschen ihren Versicherungsschutz bereits im kommenden Jahr verlieren würden. Im Jahr 2026 wären damit insgesamt 49 Millionen US-Amerikaner ohne Versicherung - aktuell sind trotz Obamacare immer noch circa 27 Millionen unversichert.

Die Demokraten versuchen nun, ihre Unterstützer zu mobilisieren

Für die Demokraten sind die 22 Millionen Schicksale ein weiterer Anlass, betroffene US-Bürger und Unterstützer zu mobilisieren, konservativen Senatoren per Telefon, E-Mail und Twitter ins Gewissen zu reden. Die negativen Auswirkungen des Gesetzes treffen vor allem Ärmere: Wer ein geringes Einkommen hat und sich die Prämien nicht mehr leisten kann, dem hilft es nichts, die Ausgaben von der Steuer absetzen zu können.

Ältere würden ebenfalls unter dem Wegfall von Subventionen leiden: "Das Gesetz würde den Prozentsatz des Einkommens senken, den jüngere Menschen für ihre Prämien bezahlen müssen und diesen Prozentsatz für ältere Menschen erhöhen", heißt es im Bericht. Ein 40-Jähriger mit mittlerem Einkommen würde 500 Dollar im Jahr sparen, ein 64-Jähriger dagegen 16 000 statt wie bislang 4 400 Dollar zahlen. Zudem sind im Entwurf radikale Kürzungen in der Grundversorgung Medicaid vorgesehen - die größten davon beginnen in den Jahren nach 2025, also außerhalb des Zeitfensters der CBO-Analyse.

Auch einige moderate Republikaner signalisieren Ablehnung

Für McConnell, der von den 52 republikanischen Senatoren höchstens zwei Stimmen verlieren darf, ist die Situation komplizierter geworden: Am Montag signalisierten mit Susan Collins (Maine) und Dean Heller (Nevada) zwei moderate Republikaner, dem Gesetz angesichts der zahlreichen unfreiwilligen Versicherungs-"Aussteiger" nicht zustimmen zu wollen.

Zugleich hat der Mehrheitsführer mit vier Kritikern aus dem Lager der Hardliner, darunter Ted Cruz (Texas) und Rand Paul (Kentucky) zu kämpfen, denen der Entwurf nicht weit genug geht. Ihnen kann er zumindest zwei klassisch-konservative Argumente nennen: Verglichen mit dem Entwurf des Repräsentantenhauses verdreifacht der Senatsentwurf die Budget-Einsparungen auf 321 Milliarden US-Dollar in den kommenden zehn Jahren. Zudem sinken die Durchschnittsbeiträge laut CBO nach drei Jahren deutlich (allerdings fallen die Leistungen der Versicherer wohl auch deutlich geringer aus).

Die Führung der Republikaner will sich bei der Beschaffung der Mehrheit in den kommenden Tagen offenbar auf die Gruppe der Hardliner konzentrieren. Am Dienstag trifft Vizepräsident Mike Pence einige von ihnen zum Abendessen. Zugleich setzt "America First Policies", eine Unterstützergruppe von US-Präsident Donald Trump, alle Gegner aus dem eigenen Lager unter Druck: Sie hat den Kauf von Sendezeit für negative Werbespots angekündigt. Trump selbst wird mit persönlichen Gesprächen und Telefonaten die Abweichler zu überreden versuchen.

Mitch McConnell hat noch Spielraum

Ob sich diese Strategie auszahlt, ist unklar - im politischen Washington wird spekuliert, ob der Widerstand unter den Moderaten noch wachsen könnte. Einige weitere Senatoren dieses Flügels gaben sich zwar besorgt, könnten aber wohl an Bord bleiben, wenn für bestimmte Programme wie die Suchtbekämpfung noch Geld freigemacht wird. Stellvertretend für die Haltung der meisten republikanischen Senatoren äußerte sich John McCain (Arizona): "Sehr viele Dinge" würde er gerne am Gesetzentwurf ändern, aber seine Unterstützung stehe nicht in Frage. "So funktioniert das nicht."

Jim Inhofe (Oklahoma), der einst mit einem Schneeball am Rednerpult des Senats erschien, um den Klimawandel zu widerlegen, sagte Reportern zufolge über das Gesetz: "Ich bin mir nicht sicher, was genau es bewirkt. Ich weiß nur, dass es besser als Obamacare ist." Auf Nachfrage, was genau "besser" sei, verschwand der 82-Jährige in einem Aufzug.

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