AfD:Game of Thrones - oder die vielen Alternativen für Deutschland

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Ein Spektakel, wie es die AfD bietet, gibt es nicht alle Tage in der deutschen Politik. Die angebliche Friedensmission der Vorsitzenden Petry endet mit einer Kriegserklärung.

Von Josef Kelnberger

Frauke Petry bat um Verzeihung. Sie habe sich nicht ordentlich schminken können, sagte sie am Mittwochvormittag, während sie mit dem kleinen Finger in ihren Augenwinkeln hantierte. Sie sei tags zuvor ohne Koffer nach Stuttgart gereist. Dass sie übernachten würde, war nicht geplant. Doch dann dauerte ihre Mission als Friedensengel in blauer Jeans und weißer Bluse sehr viel länger als gedacht.

"Wenn die Existenz der AfD auf dem Spiel steht, muss ich als Bundessprecherin Verantwortung übernehmen", sagte Petry, trotz nachlässiger Schminke durchaus kameratauglich. Und deshalb solle doch bitte schön Jörg Meuthen, ihr gleichberechtigter Partner als Chef der Bundes-AfD, wieder an Bord der Stuttgarter Landtagsfraktion kommen.

Statt diesen Wunsch vor Fernsehkameras zu formulieren, hätte sie ihn auch Meuthen persönlich übermitteln können. Immerhin hielt der sich im selben Gebäude auf. Ob sie Meuthen schon gesprochen habe? Nein, erwiderte Frauke Petry, das habe sie mehrmals versucht, leider sei Meuthen "noch nicht zur Verfügung gestanden". Dann schloss sie die Tür zum Konferenzraum, wo sie sich mit dem neunköpfigen Rest der alten AfD-Fraktion beriet.

Wer ist nun die AfD, und wenn ja wie viele?

Einen Stock darüber, auf der fünften Etage des Stuttgarter Königin-Olga-Baus, tagte Meuthen mit seinen zwölf Getreuen. Sie hatten am Dienstag die Fraktion verlassen, nachdem der Versuch gescheitert war, den Abgeordneten Wolfgang Gedeon wegen des Verfassens offensichtlich antisemitischer Schriften aus der Fraktion auszuschließen. Nur 13 von 23 stimmten dafür, erforderlich war aber eine Zweidrittel-Mehrheit. Die 13 machen jetzt ihr eigenes Ding. Und Jörg Meuthen dachte gar nicht daran, der lieben Frau Petry zur Verfügung zu stehen. Ein kurzes Gespräch zwischen den beiden blieb ohne Ergebnis.

Am Nachmittag gab Meuthen bekannt, seine Gruppe habe eine neue Fraktion namens "Alternative für Baden-Württemberg" gegründet. Diese sei bei der Landtagsverwaltung angemeldet worden. Meuthen und sein Trupp verstehen sich als wahre Vertretung der Bundes-AfD und berufen sich auf einen entsprechenden Vorstandsbeschluss vom Dienstag. Der allerdings war gefasst worden als Petry abwesend war. Petry erklärte am Mittwochnachmittag, wohl am Ende ihrer Friedensmission angelangt, die wahre AfD-Fraktion sei die alte. Also die ohne Meuthen. Man konnte das als Kriegserklärung verstehen.

Wer ist nun die AfD, und wenn ja wie viele? Ein derartiges Spektakel, wie es die Rechtspopulisten in Stuttgart aufführen, gibt es nicht alle Tage in der deutschen Politik. Am 13. März sind sie mit einem Stimmenanteil von mehr als 15 Prozent in den baden-württembergischen Landtag eingezogen. Dort bildeten sie bis Dienstag mit 23 Abgeordneten die stärkste Oppositionsfraktion, angeführt vom Wirtschaftsprofessor Jörg Meuthen, dem bürgerlichen Aushängeschild der Partei. Wo, wenn nicht hier, in Gegnerschaft zur grün-schwarzen Koalition, würde sich die AfD als wahre konservative Kraft profilieren können, dachte man.

Doch nun geht von Stuttgart das Signal für eine neue Spaltung aus. Glaubt man Meuthen, handelt es sich um einen normalen Vorgang in einer jungen Partei. Um einen Erneuerungsprozess. Seine Gruppierung stehe gegen jeglichen Antisemitismus und Rassismus, sagt er. In dieser Frage gebe es nicht den geringsten Dissens, erklärte dazu Frauke Petry. Mehrmals habe sie Meuthen intern Hilfe angeboten. Aber worum geht es dann wirklich?

Die Meuthen-Getreuen gelten beim Rest der Truppe nun als "Systemler": als Leute, die sich im Fall Gedeon dem Druck der "System-Parteien" und der "System-Medien" beugten. Aber selbst die Meuthen-Gegner geben zu, dass bei der Abstimmung auch andere Dinge eine Rolle spielten als die Haltung zum Antisemitismus, nämlich Meuthens Führungsstil, vor allem aber der Machtkampf in der Bundes-AfD.

Seit Monaten kämpft Meuthen, Seite an Seite mit Alexander Gauland und Björn Höcke, gegen Petry. Meuthen ist überzeugt: Petry habe in seiner Landtagsfraktion gegen ihn Stimmung gemacht, deshalb sei der Versuch gescheitert, Gedeon auszuschließen. Hätte nun Petry Erfolg gehabt mit ihrem Vermittlungsversuch, wäre Meuthen als Führungsfigur wohl am Ende gewesen.

Der Lauf der Ereignisse zeigt klar, dass hier nicht um politische Überzeugungen gestritten wurde. Als am Dienstag die Nachricht von der Spaltung bekannt wurde, machte sich Petry auf den Weg nach Stuttgart, angeblich um Hilfe gerufen von Abgeordneten. Als Meuthen davon erfuhr, bat er den Pförtner des Königin-Olga-Baus, er möge Frau Petry den Zutritt verwehren. Du spielst hier nicht mit! So geht es zu im AfD-Kindergarten der Macht.

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Das Hausrecht hat aber die Landtagspräsidentin Muhterem Aras, und ein Hausverbot kann sie nur aussprechen bei einer Gefährdungslage. Gefahr drohte von einem Besuch Petrys aber nur Meuthen. In Stuttgart angekommen, schaffte es Petry tatsächlich, Gedeon zu einem freiwilligen Rückzug aus der Fraktion zu bewegen. Damit sei die Grundlage für die Spaltung entfallen, sagte sie. Doch Meuthen lehnte eine Rückkehr ab, und die Zwölf hielten ihm die Treue: Wer sich nicht von einem Antisemiten distanziere, müsse die Folgen tragen. Gleichwohl hofft Meuthen nun, dass sich weitere Abgeordnete der Alt-AfD seiner Gruppierung anschließen.

Die Landtagsverwaltung muss nun erst einmal die Folgen der Spaltung umsetzen. Können sich aus einer Partei heraus zwei Fraktionen bilden? Dagegen stehen könnte das verfassungsrechtliche Prinzip des "Fraktionsvermehrungsverbots", denn der Fraktionsstatus bedeutet auch den Anspruch auf zusätzliches Geld und Personal. Auf jeden Fall wird die AfD ihren Status als stärkste Oppositionsfraktion und den Vorsitz im Finanzausschuss verlieren.

Unberührt von solchen Fragen bleibt der nunmehr fraktionslose Abgeordnete Wolfgang Gedeon, der mit seinen Schriften den Skandal ausgelöst hat. Ein hagerer, in sich gekehrter Mann, meist gewandet in ein viel zu großes, rotes Sakko. Am Mittwoch war er gedankenverloren vor dem Königin-Olga-Bau anzutreffen, offenbar traurig darüber, dass er nicht mehr mitspielen kann in dem grandiosen Schauspiel, das seine AfD gerade aufführt.

© SZ vom 07.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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