Atom-Streit mit Iran:Minimallösung

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Gespräche vertagt, schon wieder: Im Atom-Streit mit Iran konnten sich die Unterhändler nicht einigen. Doch immerhin soll bis März ein Rahmenvertrag stehen.

Von Paul-Anton Krüger, Wien

Der Vorteil selbst gesetzter Fristen ist, dass man sie im Einvernehmen verlängern kann. Auf diese Minimallösung haben sich die Außenminister der fünf UN-Veto-Mächte sowie Deutschlands am Montag im Wiener Palais Coburg mit ihrem iranischen Kollegen Mohammed Dschawad Sarif verständigt. Trotz sechstägiger Verhandlungen hatten sie sich erneut nicht auf ein Abkommen einigen können, das den seit mehr als einem Jahrzehnt schwelenden Atomstreit endgültig beilegen würde. Damit wurde die Frist bereits zum zweiten Mal verlängert, nachdem ursprünglich bis 20. Juli ein Deal geschlossen werden sollte.

"Wir sind leider nicht so weit gekommen, wie wir uns das gewünscht hätten", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, dem es zufiel, die Nachricht zu verbreiten, da er als einer der ersten nach dem Treffen abreiste. Man habe aber Fortschritte gemacht, auch seien "neue Ideen auf den Tisch gekommen, die vielleicht in der Lage sind, die einen oder andern Unterschiede, die es noch gibt, zu überbrücken".

US-Außenminister John Kerry äußerte sich am Abend ganz ähnlich, nachdem er am Nachmittag zunächst erneut Sarif getroffen hatte. Die Gespräche würden "nicht plötzlich leichter werden, nur weil wir sie verlängern", räumte er ein. Irans Atomprogramm liege aber nach wie vor auf Eis, betonte er. "Es wäre töricht, in diesem Stadium die Verhandlungen abzubrechen." Bis März soll nun ein Rahmenabkommen ausgehandelt werden, das Grundzüge einer politischen Einigung beinhaltet. Bis Ende Juni sollen alle technischen Anhänge stehen, damit die Vereinbarung umgesetzt und ihre Einhaltung überwacht werden kann. In der Zwischenzeit gilt das vor einem Jahr in Genf vereinbarte Interimsabkommen fort, in dem Iran zugesagt hatte, sein Atomprogramm einzufrieren. Die Einzelheiten wurden am Abend noch ausgehandelt. Teheran erhält vermutlich weiter etwa 750 Millionen Dollar pro Monat aus eingefrorenen Guthaben und sagt dafür bestimmte Gegenleistungen zu. Die Gespräche sollen nun auf Arbeitsebene fortgesetzt werden, ein weiteres Ministertreffen in diesem Jahr ist derzeit nicht geplant.

Ausschlaggebend für die neuerliche Verlängerung sei gewesen, dass letztlich doch noch deutlich Fortschritte erzielt worden seien, hieß es aus Verhandlungskreisen. Am Samstag hatten europäische Diplomaten zu verstehen gegeben, die Iraner hätten sich in keinem der zentralen Streitpunkte bewegt, obwohl Kerry schon Donnerstag nach Wien gereist war und sich ein halbes Dutzend Mal mit Sarif traf.

Niemand sei "deprimiert aus den Verhandlungen gegangen"

In welchen Bereichen der Iraner nun Zugeständnisse angeboten hat, wollten Diplomaten nicht erläutern, um die Gespräche nicht zu gefährden. Unklar war geblieben, wie weit Sarifs Verhandlungsmandat reicht; zeitweise hieß es, er werde zu Beratungen mit Präsident Hassan Rohani und womöglich dem Obersten Führer Ayatollah Ali Chamenei nach Iran fliegen. Es ist denkbar, dass er die neuen Ideen in Teheran abstimmen muss, auch der Westen will sie erst prüfen.

US-Außenminister John Kerry verlässt die Vertreter der UN-Vetomächte, Deutschlands und der EU, die den iranischen Außenminister trafen. (Foto: Joe Klamar/AFP)

So blieb es beim unspezifischen Lob der Fortschritte, das Kerry ebenso anstimmte wie zuvor schon der britische Außenminister Philip Hammond. Der Russe Sergej Lawrow nannte sie substanziell, und Steinmeier betonte, niemand sei "deprimiert aus den Verhandlungen gegangen". Für Steinmeier folgt daraus, dass "wir die Verpflichtung haben, die Chance zu nutzen, diesen zehn Jahre langen Streit zu beenden". Allerdings könnten die Verhandlungen nicht "uferlos" weitergeführt werden. Man trage auch "Verantwortung für viele Staaten, vor allem im Nahen Osten, die berechtigte Sicherheitssorgen haben über die Entwicklung des iranischen Atomprogramms". Vor allem in den USA, aber auch in Iran steigt der Rechtfertigungsdruck, warum die Gespräche fortgesetzt werden. Kerry sagte angesichts der vielen Skeptiker im Kongress, er hoffe, dass man dort die Weisheit darin erkenne, die Verhandlungen fortzusetzen und von Schritten absehe, die sie stören könnten. Im Senat haben der Republikaner Mark Kirk und der Demokrat Bob Menendez ein Gesetz vorbereitet, um die Iran-Sanktionen weiter zu verschärfen. Präsident Rohani sagte am Abend in Teheran in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache, er habe keine Zweifel, dass es in absehbarer Zukunft Ergebnisse geben werde. "Hinter den Kulissen haben wir schon einiges erreicht, wir sind aber noch davon entfernt, das aufs Papier zu bringen." Mitte März stehen in Iran Parlamentswahlen an. Rohani war mit dem Versprechen angetreten, eine Aufhebung der Sanktionen zu erwirken. Doch haben sich die Lebensbedingungen der Iraner bisher nicht entscheidend verbessert. Gelänge eine Einigung bis Anfang März, könnte er argumentieren, Wort gehalten zu haben. Steinmeier und andere Diplomaten hatten deutlich gemacht, dass sie ein endgültiges Scheitern der Verhandlungen vermeiden wollen - wohl auch mit Blick auf die Lage im Nahen Osten.

In manchen Krisengebieten, wie beim Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat in Irak und in Syrien, verbinden Iran und den Westen gemeinsame Interessen. Würden die Gespräche zusammenbrechen, würde dies die ohnehin schon extrem schwierige Situation noch komplizierter machen, fürchten sie.

© SZ vom 25.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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