Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr:Kundus und kein Ende

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Kundus und kein Ende: Die Union ermahnt General Schneiderhan und will die Regeln für Auslandseinsätze der Soldaten ändern. Derweil stellt der Bundeswehrverband der Politik ein Armutszeugnis aus.

Oliver Das Gupta

Medial sollte dieser Freitag allein Kopenhagen gehören. Schließlich ringen in der dänischen Hauptstadt die Staats- und Regierungschefs um nichts Geringeres als das Weltklima.

Bundeswehrsoldaten beim Einsatz in Afghanistan. (Foto: Foto: ddp)

Doch ein zweites Thema bestimmt die Schlagzeilen. Nach wie vor beschäftigt die Republik sich mit den Umständen und Folgen jenes 4. September, als nahe Kundus zwei von den radikalislamischen Taliban gekaperte Tanklastzüge auf deutschen Befehl bombardiert worden waren. Dutzende der Fanatiker starben, es ist von bis zu 142 Toten die Rede, auch Zivilisten sollen unter den Opfern sein.

Warnung an den General

Gesichert sind selbst diese Angaben nicht, zu vieles ist unklar in der Causa, zu verworren der Plot, zu dem immer wieder neue Erkenntnisse bekanntwerden. So auch derzeit: Die Bild-Zeitung veröffentlichte ein von der Bundeswehr aufgenommenes Video, das die mächtigen Feuerbälle zeigt, als die Bomben die Tanklastzüge treffen.

Derweil wogt die innenpolitische Diskussion wieder hoch, die in den vergangenen Tagen mit der Kontroverse Guttenberg/Schneiderhan und dem turbulenten Disput zwischen Regierung und Opposition im Bundestag bereits zwei Höhepunkte erreicht hatte.

Nach der beispiellosen Kraftprobe zwischen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und seinem geschassten Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan müht sich die Union, den Militär zur Räson zu bringen - mit Druck.

Der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz warnt nun per Interview Schneiderhan vor einem weiteren Kräftemessen mit seinem bisherigen Dienstherrn Guttenberg.

Bundeswehrverband kritisiert "parteipolitische Befindlichkeiten"

In der Rheinischen Post fordert Polenz den General auf, die Auseinandersetzung mit dem Minister "nicht eskalieren zu lassen". Das, so schiebt der Christdemokrat vielsagend nach, sei auch in Schneiderhans Interesse.

Guttenberg war in die Defensive geraten, weil der von ihm entlassene Schneiderhan den Minister indirekt der Lüge bezichtigt. Polenz bescheinigte dem früheren Generalinspekteur "hohe fachliche Kompetenz und Sachlichkeit". Diesen Ruf dürfe er nicht gefährden.

Von Seiten des Bundeswehrverbandes zeigt man sich derweil enttäuscht über das innenpolitische Gebaren zur Causa Kundus. Verbandschef Ulrich Kirsch kritisiert das Verhalten der deutschen Politiker gerade in der jüngsten Vergangenheit: An den Soldaten werde schlichtweg "vorbeidiskutiert", moniert der Oberst.

"Die Reaktionen in der Truppe reichen von Kopfschütteln über Unverständnis bis hin zu massiven Verärgerung", sagt Kirsch zu sueddeutsche.de. Besonders ärgert er sich über die hitzige Diskussion im Bundestag an diesem Mittwoch, bei dem sich unter anderem Guttenberg und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier lautstark beharkten.

"Dass sich die Politik nun darauf konzentriert, wer wann wie was gesagt hat, ist, gelinde gesagt, traurig." Eine dringend notwendige Sachdiskussion sei nicht zustande gekommen, schimpft Kirsch. "Vielmehr ging es um persönliche und parteipolitische Befindlichkeiten und Empfindlichkeiten." Die Soldaten bräuchten nun Rechtsicherheit und Verhaltensicherheit.

Union erwägt Grundgesetzänderung

Vielleicht geht der Wunsch des Obersten Kirsch bald in Erfüllung. In der Union wird zumindest über eine Änderung des Grundgesetzes nachgedacht, um Auslandseinsätze der Bundeswehr wie in Afghanistan auf eine sicherere Rechtsgrundlage zu stellen. "Auf veränderte Realitäten des 21. Jahrhunderts sollten wir mit entsprechender Rechtsetzung reagieren", sagte der CDU-Abgeordnete Ernst-Reinhard Beck zu Spiegel Online.

Es stelle sich die Frage, "ob nicht der Gesetzgeber verpflichtet ist, die sicherheitspolitisch relevanten Artikel des Grundgesetzes auf den Prüfstand zu stellen". Beck sagte, eine asymmetrische Bedrohung wie in Afghanistan komme in der deutschen Verfassung bisher nicht vor. "Das ist ein blinder Fleck, der für den Gesetzgeber zumindest eine Betrachtung wert wäre."

Ähnlich äußerte sich Hans-Peter Uhl von der CSU. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, räumte ein: "Wir sind rechtlich, mental und politisch nicht aufgestellt für kriegerische Handlungen. Wir wollen die pazifistischsten Pazifisten sein. Das geht nicht." Die Deutschen müssten in der "afghanischen Wirklichkeit ankommen": "Es sind kriegsähnliche Handlungen, dort schießen Menschen auf Menschen."

Oberst Kirsch vom Bundeswehrverband wird das mit Genugtuung vernehmen. Er fordert, dass die Politiker den Einsatz in Afghanistan ungeschönt darstellen. "Dazu gehört auch, dass man Tatsachen beim Namen nennt", sagt Kirsch.

Wie die Fakten liegen, könne man sich von den Soldatinnen und Soldaten in Kundus schildern lassen, rät Kirsch. "Wir müssen Angreifer in letzter Konsequenz auch töten", zitiert Kirsch, "Hier, wo wir sind, ist Krieg".

© sueddeutsche.de/dpa/mati - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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