AfD:Rechtsaußen oder Rechtsdraußen

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AfD-Demonstration in Stralsund: Die Partei ist gespalten in einen nationalbürgerlichen und einen fremdenfeindlichen Teil. (Foto: dpa)
  • Der AfD-Parteitag ist geprägt von selbst auserkorenen Wut-Themen wie Europa, Flüchtlingen und Islam.
  • Momentan ist die Partei gespalten in einen konservativen, nationalbürgerlichen Teil und einen explizit fremdenfeindlichen, völkischen Kampfverband.
  • Der Parteitag ist auch ein Selbstfindungsprozess, er wird zeigen, ob die AfD eine Rechtsaußen- oder eine Rechtsdraußen-Partei ist.

Von Heribert Prantl

Grundsatzprogramme heißen so, weil sie heutzutage grundsätzlich kaum noch einer liest. Programmparteitage sind daher üblicherweise eher langweilige Veranstaltungen. Beim Parteitag der AfD am Wochenende in Stuttgart ist das anders: Es geht dort auch nicht um eine Fortschreibung, sondern um die Neuschreibung eines ersten Programms; und es wird dies keine detaillierte Gebrauchsanweisung sein, nicht ein umfassendes Konzept für alle Bereiche der Politik; ein solches Konzept hat die AfD nicht. Es geht nur um einzelne Programmpunkte, es geht um die Themen, die der Vorstand für Wut-Themen hält: Europa, Flüchtlinge, Islam; und das Ganze wird garniert mit Familien- und Bevölkerungspolitik.

Die Inszenierung dieser Themen wird den AfD-Parteitag prägen, der deshalb als Richtungsparteitag gilt: Wie weit nach rechts außen geht die AfD noch? Muss sie künftig in Grafiken zu Wahlergebnissen und Wählerumfragen bräunlich gefärbt eingetragen werden? Eine Antwort wird auf dem Stuttgarter Parteitag erwartet.

(Foto: N/A)

Es gibt Beobachter, die mit einem Putsch gegen die Co-Parteichefin Frauke Petry rechnen - nicht unbedingt schon auf dem Stuttgarter Parteitag, aber in absehbarer Zeit. Sie wäre gegebenenfalls ein Opfer der von ihr selbst gerufenen Geister: Anfang Juli 2015 auf dem Parteitag von Essen hatte sie den AfD-Mitbegründer Bernd Lucke vom Parteivorsitz verdrängt, weil der ihr nicht rechts genug war. Daraufhin verließen 2000 Mitglieder die AfD, unter ihnen Lucke selbst - sowie in Hans Olaf Henkel und Joachim Starbatty weitere Protagonisten des liberalen Flügels der Partei. Diese gründeten sodann eine neue, aber erfolglose Partei unter dem Namen Alfa, Allianz für Fortschritt und Aufbau. Die AfD hingegen erzielte bei den drei Landtagswahlen im Frühjahr 2016 zweistellige Erfolge.

Die AfD besteht eigentlich aus zwei Parteien

Die AfD gilt als ein Sammelbecken für rechtskonservative, rechtspopulistische und rechtsradikale Kräfte. Sie besteht derzeit eigentlich aus zwei Parteien: Die eine Partei ist eine sehr konservative, nationalbürgerliche Kümmerer-Partei, in der auch Aufwallung, Zorn und kleinbürgerlicher Aufstand Platz finden. Die andere Partei - sie wird zusehends stärker - ist ein völkischer Kampfverband, explizit fremdenfeindlich, nahe beim französischen Front National. Frauke Petry wird der Partei eins, also einem eher neu definierten Konservativismus zugerechnet; die derzeitigen Vizevorsitzenden Alexander Gauland und Beatrix von Storch zusammen mit dem thüringischen Landeschef Björn Höcke werden zu einer eher völkischen AfD gezählt.

Kritik am Islam
:Zentralrat der Muslime lädt Frauke Petry ein

Der Verband will die AfD-Vorsitzende fragen, warum sie Muslime "hasse". Sie nimmt die Einladung an - spricht sich aber vor dem Parteitag gegen Minarette aus.

Gauland bemäntelt seine Radikalität mit soignierter Gediegenheit; er zeigt sich auch gern mit dem wirtschaftsliberalen Jörg Meuthen, dem Co-Vorsitzenden der AfD und Fraktionschef im Stuttgarter Landtag. Meuthen gilt als das freundlich-bürgerliche Gesicht der AfD, ähnlich dem des FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer in Österreich. In Meuthen und Gauland sehen viele die künftige Führungsspitze der AfD, mit der die Partei nach einem Sturz von Petry in den Bundestagswahlkampf 2017 ziehen wird.

Parteitage sind Selbstfindungsveranstaltungen. Bei Parteien ist es ähnlich wie bei Menschen: Je jünger sie sind, umso sprunghafter und chaotischer ist diese Selbstfindung: Wer bin ich? Wer möchte ich sein? Die AfD ist jung und noch in der politischen Pubertät.

Ihre Selbstfindung war schon in den drei Jahren seit der Gründung sehr turbulent: Die Partei, die mit Lucke als bürgerliche Anti-Euro-Partei angetreten war, hat sich unter Petry zur Anti-Flüchtlingspartei entwickelt - und ist zuletzt durch scharf-antiislamische Töne aufgefallen. Offenbar will die AfD angesichts der stark zurückgegangenen Flüchtlingszahlen das Feindbild Flüchtlinge durch ein Feindbild Islam ergänzen.

Der Zentralrat der Muslime fragt: "Warum hassen Sie uns?"

Parteichefin Petry verteidigt den Satz "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" und sucht so das Einvernehmen mit den radikaleren Kräften der Partei. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat sie um ein Gespräch gebeten: "Warum hassen Sie uns?" hat sie der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek gefragt. Vor dem Parteitag wird es zu diesem Gespräch nicht kommen. Nach dem Parteitag werden die Muslime das Gespräch womöglich mit anderen Personen führen müssen.

Die christlichen Kirchen sind der Verketzerung der islamischen Religion als grundgesetzfeindliche politische Ideologie scharf entgegentreten. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki erklärte: "Wer Ja zu Kirchtürmen sagt, der muss auch Ja zu Minaretten sagen." Er warf der AfD vor, "eine der großen Weltreligionen in gehässiger Absicht an den Pranger" zu stellen.

Zum Islam bekennen sich in Deutschland fünf Millionen Menschen, überwiegend deutsche Staatsbürger. Die Art und Weise, wie die AfD über Muslime redet, wird Indiz dafür sein, ob sie eine Rechtsaußen- oder eine Rechtsdraußen-Partei ist.

© SZ vom 30.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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