Abhörskandal in Großbritannien:Der Krake Murdoch

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Medienunternehmer Rupert Murdoch ist längst einer der heimlichen Herrscher Großbritanniens und kann sich dort fast alles leisten - sogar kriminelle Journalisten.

Andreas Oldag

Nach der Spesen-Affäre um Unterhausabgeordnete erschüttert Großbritannien ein neuer Skandal. Reporter der zum Murdoch-Konzern gehörenden Boulevardzeitung News of the World sollen mit Hilfe von Privatdetektiven systematisch die Mobiltelefone Prominenter abgehört haben.

Rupert Murdoch ist nicht irgendein, sondern der Medienunternehmer Großbritanniens (Foto: Foto: Getty)

Die Handy-Spione spähten nach Recherchen der liberalen Tageszeitung The Guardian den Labour-Politiker John Prescott und den Londoner Bürgermeister Boris Johnson ebenso aus wie die Schauspielerin Gwyneth Paltrow. Brisant ist, dass der während der Hacker-Fälle im Jahre 2006 verantwortliche Chefredakteur der News of the World, Andy Coulson, jetzt Sprecher von Oppositionschef David Cameron ist.

Der Medienunternehmer Rupert Murdoch hat die Vorwürfe zwar zurückweisen lassen. Seine Zeitungen freilich sind bekannt dafür, dass sie die Sensationslust ihrer Leser besonders schrill und ausführlich bedienen. Die Big-Brother-Gesellschaft lechzt danach, Brisantes aus dem Privatleben Prominenter zu erfahren. Insofern folgen Murdochs Zeitungen den Gesetzen eines Marktes, der in zunehmenden Maße durch indiskrete Internetdienste und Blogs angetrieben wird.

Doch "Murdoch-Gate" wie der Skandal in der britischen Presse in Anspielung auf die amerikanische Watergate-Affäre bereits genannt wird, hat noch weitere gesellschaftliche und politische Dimensionen. Der schrullige Australier Murdoch ist nicht irgendein Presseunternehmer.

Sein Imperium hat sich wie ein Krake des Informationsangebots auf der Insel bemächtigt. Neben der Boulevardzeitung The Sun besitzt Murdoch maßgebliche Anteile am Fernsehsender Sky. Vor kurzem warnte die britische Fernsehaufsicht davor, dass Murdoch bei der Übertragung der englischen Fußball-Liga, der Premier League, im Bezahlfernsehen den lukrativen Markt dominiere.

Es ist allerdings kaum damit zu rechnen, dass die Mahnungen der Medienwächter entscheidende Wirkung zeigen. Murdochs Imperium steht in der britischen Politik unter Jagdschutz. Der Unternehmer pflegt intensive Kontakte zu führenden Labour- und Tory-Politikern und ist längst einer der heimlichen Herrscher des Königreichs. So ist es ihm beispielsweise gelungen, die politische Klasse in seine berüchtigten Anti-Europa-Kampagnen einzuspannen.

Bedenklich in dem neuen Abhörskandal ist auch die Rolle der Ermittler. Demnach wusste Scotland Yard offenbar vom Ausmaß der illegalen Methoden. Dennoch hat die Polizei nichts unternommen. Laut Guardian hat der Murdoch-Verlag einigen Betroffenen inzwischen insgesamt mehr als eine Million Euro gezahlt, um sie zum Schweigen zu bringen und drohende Verfahren abzuwehren.

Nicht der erste Ärger

Es ist nicht das erste Mal, dass Murdoch juristischen Ärger wegen dubioser Recherchemethoden seiner Journalisten hat. 2007 war ein Mitarbeiter von News of the World zu vier Monaten Haft verurteilt worden, weil er Handy-Nachrichten von drei Mitarbeitern der Prinzen William und Harry geknackt hatte. Der auf die Königsfamilie spezialisierte Reporter Clive Goodman nahm die Machenschaften auf seine Kappe. Diesmal könnte es für Murdoch schwerer werden, die Affäre auf ein einziges "schwarzes Schaf" abzuschieben.

Sollten sich die Vorwürfe gegen News of the World erhärten, wird Camerons Sprecher Coulson kaum zu halten sein. Cameron selbst betont bei jeder Gelegenheit, seine Partei stehe für mehr Transparenz. Er sieht sich bereits als sicherer Nachfolger des glücklosen Labour-Premiers Gordon Brown.

Spätestens im Sommer nächsten Jahres stehen in Großbritannien Parlamentswahlen an. "Murdoch-Gate" könnte für Cameron zur Nagelprobe werden, ob er es mit einer politischen Erneuerung im Lande tatsächlich ernst meint. Die älteste Demokratie der Welt kann sich keinen weiteren Skandal leisten, in dem sich ihre Politiker aus der Verantwortung stehlen.

© SZ vom 13.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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