Linke stellt Wahlprogramm vor:Mit Biss, ohne Machtoption

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Die beiden Parteivorsitzenden der Linken, Katja Kipping und Bernd Riexinger, bei der Vorstellung ihres Parteiprogramms: Partei der Maximalforderungen. (Foto: dpa)

Katja Kipping und Bernd Riexinger zeigen Zähne: Mit "Biss" nach oben wollen sie die Partei aus ihrem Umfragetief herausholen. Das bedeutet vor allem: Reiche schröpfen. Zwar verbirgt sich hinter der Rhetorik durchaus Kompromissbereitschaft - für ein rot-rot-grünes Bündnis dürfte es trotzdem nicht reichen.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Katja Kipping und Bernd Riexinger sitzen auf dem roten Podium im Pressesaal des Karl-Liebknecht-Hauses und machen klare Ansagen: Nach der Bundestagswahl will die Linke mal wieder den Reichen an den Kragen. "Wir wollen mit Biss Reichtum umverteilen", sagt Riexinger. Mit "Biss nach oben", wie er betont. Kipping sekundiert: "Wir sind die Partei, die wirklich Biss nach oben hat."

Aufgeschrieben liest sich das beinahe martialisch. Gesprochen aber klingen die beiden Vorsitzenden der Partei "Die Linke" wie zwei Schuhverkäufer, die Fußbekleidung als "flott" bezeichnen. Ein meist sicheres Zeichen für den Kunden, besser die Finger davon zu lassen.

Bis(s) zum Wahlabend, lautet offenbar die Devise. Festgeschrieben im 86-seitigen Entwurf für das Wahlprogramm, das Kipping und Riexinger hier vorstellen. Titel: "100 Prozent sozial". Aus Sicht von Reichen liest es sich eher wie ein Manifest von Blutsaugern:

Die Linke fordert ...

  • ... einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent,
  • ... eine Reichensteuer von 75 Prozent auf Einkommen ab einer Million Euro,
  • ... eine Vermögensteuer von fünf Prozent,
  • ... eine Deckelung von Managereinkommen auf gut 500.000 Euro jährlich.

Gut 180 Milliarden Euro wollen Kipping und Riexinger den Reichen jedes Jahr abknöpfen. Um damit ein Sozialprogramm aufzulegen, das nach ihren Berechnungen "nur" 160 Milliarden Euro zusätzlich kosten soll. Sie planen ...

  • ... einen Hartz-IV-Regelsatz von mindestens 500 Euro,
  • ... eine Mindestrente von 1050 Euro,
  • ... die Anhebung des Rentenniveaus um zehn Prozent,
  • ... die Abschaffung der Rente mit 67,
  • ... gleiche Renten und Löhne in Ost und West.

Dazu kommt noch ein gesetzlicher, flächendeckender Mindestlohn von zunächst zehn Euro, der bis Ende 2017 auf zwölf Euro anwachsen soll. Außerdem die Abschaffung aller Zusatzbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung. Dafür soll eine Bürgerversicherung aufgebaut werden, in die alle mit Einkommen einzahlen. Die Linken nennen das "neue Solidarität", so wie einst Gerhard Schröder für die SPD die "neue Mitte" ausgerufen hat.

Viele der Forderungen, die Kipping und Riexinger an diesem Vormittag vortragen, erheben SPD und Grüne im Prinzip auch. Nur nicht so extrem wie die Linke, die sich in ihrem Programm einmal mehr als Partei der Maximalforderungen profiliert. Zum Vergleich: Gewerkschaften und SPD wollen auch einen Mindestlohn. Sie halten aber 8,50 Euro für die richtige Höhe. Dieser Zahl hat sich die Linke in Brandenburg angeschlossen, die dort mit der SPD zusammen regiert.

Maximalforderungen auch in der Steuerpolitik

Nun ja, sagt Riexinger, "wenn die Linke in Koalitionen ist, werden dort eben Kompromisse erzielt". Und 8,50 Euro, das wäre schon auch ein Fortschritt, findet er.

Maximalforderung auch in der Steuerpolitik. Den Spitzensteuersatz der Linken von 53 Prozent unterbieten SPD und Grüne mit jeweils 49 Prozent. Hinzu kämen bei der Linken noch Reichen- und Vermögensteuer. Die SPD will statt einer Reichensteuer nur eine Vermögensteuer. Vermögen im Wert von mehr als zwei Millionen Euro soll jährlich mit einem Prozent besteuert werden.

Und die Zusatzbeiträge bei der Krankenversicherung? Die wollen auch SPD und Grüne loswerden. Die Linke wiederum will Zusatzbeiträge plus Zuzahlungen jedweder Art abschaffen.

Theoretisch gäbe es also trotz der Maximal-Linken Raum für Kompromisse - doch dafür müsste die Linke bei der Bundestagswahl gut abschneiden. Kipping hat das Ziel ausgerufen, möglichst nahe an das Ergebnis von 2009 zu kommen: 11,9 Prozent. Doch inzwischen hat sich die Partei in Umfragen halbiert. Aktuell handeln die Meinungsforscher die Linke bei sechs bis sieben Prozent.

SPD und Grüne wollen nicht

Eine Regierungsbeteiligung bleibt auch jenseits aller Zahlenspiele unwahrscheinlich. SPD und Grüne wollen nicht mit der Linken. Und daran scheint man auch festhalten zu wollen, wenn Kipping und Co. die nötigen Stimmen für einen SPD-Kanzler besorgen könnten.

Das liegt nicht mehr unbedingt an der Sozialpolitik. Die Linke will zwar Hartz IV nach wie vor abschaffen, aber nicht mehr sofort. Kompromisse scheinen auch hier möglich. Ein Blick nach Brandenburg zeigt, wie pragmatisch auch Linke mit Macht umgehen können.

Unmöglich aber dürfte eine Verständigung in der Außen- und Sicherheitspolitik sein. Die Linke will ein Ende aller Auslandseinsätze der Bundeswehr und auch keine neuen. Selbst Ausbildungsmissionen lehnt sie ab. Sie will sich damit als einzige Friedenspartei profilieren. Eine Bundesregierung mit Beteiligung der Linken wäre damit nach den gängigen Vorstellungen außenpolitisch nahezu handlungsunfähig.

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