Waldbrände:Sie kapitulieren nicht vor dem Schicksal

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Eine Frau findet in den Ascheresten ihres Hauses im kalifornischen Kennwood ihren Ehering. (Foto: AP)
  • Nach den zerstörerischen Bränden in Kalifornien resignieren viele Betroffene nicht, sondern erzählen sich Geschichten, die Mut machen sollen.
  • Die Behörden warnen, dass einige Feuer noch immer gefährlich seien und sich bei ungünstigen Winden erneut ausbreiten könnten.
  • 50 Menschen galten bis Mittwoch als vermisst.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Zum Beispiel Jan Pascoe, die überlebt hat, weil sie mit ihrem Ehemann John sechs Stunden lang im eiskalten Pool der Nachbarn ausgeharrt hat. Oder die Sanitäterin Michaella Flores, die vor zwei Wochen das Massaker in Las Vegas überlebt hat, nun ihr Haus verlor und dennoch freiwillig in einem Krankenhaus hilft. Oder Serena und Carl Lienau, die mitten in der Nacht aus ihrem Haus in Sicherheit gebracht wurden und nun in einem Lager Zwölfstundenschichten schieben; dazwischen kümmern sie sich abwechselnd um ihren einjährigen Sohn.

Posttraumatisches Aufblühen nennen sie das in den Vereinigten Staaten, wenn einer im Angesicht der Katastrophe nicht resigniert, sondern über sich hinauswächst. Es sind Geschichten über dieses Aufblühen, die sich die Leute im Norden Kaliforniens gerade erzählen. Dort lodern die schlimmsten Brände in der Geschichte des US-Bundesstaates. Aber die Menschen wollen nicht über Schäden und Verluste reden, sondern lieber über Positives.

Weinberge zum Beispiel: Die berühmten Weinberge im Napa Valley "haben tatsächlich einige Leben gerettet", sagt Jennifer Putnam von der örtlichen Winzervereinigung. Die Reben seien noch so feucht, dass sich die Brände dort nicht weiter ausbreiten konnten: "Es sieht so aus, als hätte Gott persönlich seine schützende Hand über die Weinberge und damit die Menschen in dieser Gegend gelegt."

Kalifornien
:Verheerende Flammen

Die Waldbrände in Kalifornien sind noch immer nicht unter Kontrolle - im Gegenteil. Die Zahl der Toten stieg auf 40, so viele waren es bei Bränden in dem US-Bundesstaat noch nie.

Die Menschen wollen nicht über Schäden und Verluste reden. Sondern über Weinberge

Im Westen und Norden von Sacramento brannten zunächst sieben Feuer, die sich unabhängig voneinander ausbreiteten und von den mehr als 11 000 Feuerwehrleuten nur langsam unter Kontrolle gebracht wurden. Die meisten der 100 000 ausquartierten Menschen sind inzwischen wieder in ihre Häuser zurückgekehrt, aber 22 000 mussten am Mittwoch laut Behörden noch Unterschlupf in Notunterkünften oder bei Familie und Freunden finden. Mehr als 80 000 Hektar Land sind verbrannt, mehr als 5700 Häuser zerstört.

Mindestens 42 Menschen starben, Tausende wurden verletzt, 50 galten am Mittwoch noch immer als vermisst. Der wirtschaftliche Schaden ist noch nicht absehbar, Gouverneur Jerry Brown sprach bereits davon, dass der Wiederaufbau mehrere Monate dauern und viele Milliarden Dollar kosten dürfte.

Es gibt schreckliche Bilder aus Kalifornien, von verzweifelten Feuerwehrleuten in einer scheinbar postapokalyptischen Welt, von komplett niedergebrannten Siedlungen, von Menschen auf der Flucht vor den gewaltigen und noch immer nicht völlig kontrollierten Waldbränden. Wer zurück darf in seine Wohnung, steht oftmals vor aschebedeckten Ruinen.

"Wir ahnten, dass unser Haus kaputt sein würde", sagt etwa Kimberly Flinn, die vor einer Woche aus Santa Rosa geflüchtet ist. Aber die Realität war schlimmer als die Sorge: "Es ist nichts mehr da außer Asche", sagt sie. Sie sagt aber auch: "Ich habe aber einen Porzellan-Schmetterling gefunden, der mir sehr viel bedeutet. Darüber habe ich mich gefreut."

Selbst Barry Biermann, Chef der Feuerwehr im Bezirk Napa, klingt optimistisch: "Es sieht bisweilen aus wie eine Mondlandschaft, das Feuer hat in einigen Gegenden alles nieder gebrannt, der Grad der Zerstörung ist immens", sagt er. "Wir machen jedoch gewaltige Fortschritte da draußen, die kühlen und feuchten Winde haben uns bei der Arbeit geholfen. Wir hoffen, die Feuer bald eindämmen zu können."

Während die Feuerwehr im Weinbaugebiet Fortschritte meldet, sind am Dienstag in anderen Teilen des US-Bundesstaates neue Brände ausgebrochen. Betroffen waren unter anderem die Berge oberhalb von Los Angeles, wo ein historisches Observatorium gefährdet war. Auch in den Bergen von Santa Cruz in der südlichen Bay Area bei San Francisco loderten Flammen. Dort waren 150 Wohnhäuser bedroht.

"Das Zauberwort lautet derzeit: Geduld", sagt Rob Giordano, Sheriff im Bezirk Sonoma. Die Feuer seien noch immer äußerst gefährlich und könnten sich bei ungünstigen Winden erneut ausbreiten. Auch wenn die Evakuierungspflicht in einigen Bezirken aufgehoben wurde, bat Giordano die Bewohner, nicht überstürzt und womöglich in ein Haus ohne Elektrizität und fließendes Wasser zurückzukehren: "Es könnte in einigen Fällen mehrere Wochen dauern, bis die Leute wieder zu ihren Häusern dürfen." In zahlreichen Gegenden wurde aufgrund von Plünderungen eine Ausgangssperre verhängt. Die Menschen müssen warten, also packen sie an und erzählen sich nebenbei Geschichten, mit denen sie sich selbst Hoffnung machen. Die des Ehepaars Pascoe etwa.

Jan, 65, und John Pacoe, 65, stellten in der Nacht zum vergangenen Montag fest, dass sich der Wind gedreht hatte und es für sie kein Entkommen mehr aus ihrem Haus in den Hügeln über Santa Rosa gab. "Es war eine Wand voller Flammen, wir sind sofort in den Überlebensmodus gewechselt", sagt Jan. Die beiden flüchteten in den Pool der Nachbarn, während das Feuer über sie hinwegwalzte. Es war derart heiß, dass Jans Telefon am Beckenrand schmolz. Das Wasser im Pool dagegen war eiskalt. "Wir haben gefroren, mussten beim Auftauchen jedoch nasse T-Shirts über uns halten", sagt Jan: "Ich habe dauernd gedacht: wie lange dauert es denn, bis diese Häuser endlich abgebrannt sind?"

Es dauerte sechs Stunden. Sechs Stunden, dann stiegen sie aus dem Pool. Jan und John Pascoe hatten überlebt. Ihr Haus war komplett abgebrannt, die beiden Autos ebenfalls. Also spazierten die beiden barfuß von diesem Ort der Verwüstung davon, Hand in Hand.

© SZ vom 20.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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