Übergriffe in der Silvesternacht:Wer sind die Täter von Köln?

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Polizei am Kölner Hauptbahnhof: Noch schweigen die Behörden. (Foto: dpa)

Interne Berichte der Polizei legen nahe, dass unter den Angreifern Asylbewerber gewesen sein könnten. Offiziell aber schweigen die Behörden.

Von P. Burghardt, B. Dörries, J. Kelnberger, K. Ludwig

Eine Woche ist vergangen seit den sexuellen Übergriffen in der Kölner Silvesternacht. 121 Anzeigen haben Opfer seitdem gestellt, in drei Viertel der Fälle geht es um Sexualstraftaten, teilweise in Verbindung mit Raub. Es herrschte Ausnahmezustand an diesem Abend - verursacht durch zeitweise 1000 Männer einer bestimmten Klientel, heißt es von der Kölner Polizei. "Nordafrikanisch" hätten sie ausgesehen, arabischsprachig, berichten viele Zeugen. Wer sind diese Männer?

Die Polizei hat mittlerweile 16 mögliche Tatverdächtige identifiziert. Junge Männer, die "weitestgehend" aus dem nordafrikanischen Raum stammten, heißt es. Die Aufgabe der Beamten sei es nun, ihnen "konkrete Straftaten nachzuweisen".

SZ-Grafik: Sarah Unterhitzenberger (Foto: Sarah Unterhitzenberger)

Ein Einsatzerfahrungsbericht aus der Bundespolizei, die mit etwa 70 Beamten im Bahnhofsgebäude und auf dem Vorplatz unterwegs war, beschreibt "einige Tausend meist männliche Personen mit Migrationshintergrund", die Feuerwerkskörper und Flaschen warfen. Zeugen berichteten von Schlägereien, Diebstählen und sexuellen Übergriffen. Einige Verdächtige haben dem Bericht zufolge ihre Aufenthaltstitel zerrissen, mit der Aussage: "Ihr könnt mir nix, hole mir morgen einen neuen." Einer habe gesagt: "Ich bin Syrer, ihr müsst mich freundlich behandeln."

Der Kölner Express zitiert einen internen Bericht des Einsatzhundertschaft-Führers, dessen Beamte in der Nacht am Kölner Hauptbahnhof waren. Darin würden Zahlen aufgeführt: 71 Personalienfeststellungen, zehn Platzverweise, elf Ingewahrsamnahmen, vier Festnahmen, 32 Strafanzeigen. "Bei durchgeführten Personalienfeststellungen konnte sich der überwiegende Teil der Personen lediglich mit dem Registrierungsbeleg als Asylsuchender des Bamf (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) ausweisen, Ausweispapiere lagen in der Regel nicht vor", heißt es weiter.

Flüchtlingshelfer: "Das waren keine Flüchtlinge, die vor Kurzem gekommen sind"

Die Polizei hatte kurz nach dem Jahreswechsel lediglich berichtet, fünf Verdächtige im Alter zwischen 18 und 24 Jahren auf einem Bahnsteig festgenommen zu haben, die weibliche Reisende bedrängt hätten. Ob sie im Zusammenhang mit den Silvestervorfällen stünden, sei unklar. Die Männer stammten aus Nordafrika und seien erst seit kurzer Zeit in Deutschland. Zwei von ihnen kamen am Montag in Haft.

Ein Flüchtlingshelfer vom Kölner Hauptbahnhof, der in der Silvesternacht dort war, hat einen anderen Eindruck gewonnen. Es handele sich nach seiner Beobachtung um Personen, die in der Umgebung schon seit einiger Zeit mit Drogen handeln und dann in den Bahnhof kommen, um Touristen und auch Flüchtlinge zu bestehlen. Tunesier habe er ausmachen können und Marokkaner. Er sagt: "Das waren keine Flüchtlinge, die vor Kurzem gekommen sind." Die Polizei hatte hingegen einen Zusammenhang mit einer Drogendealerszene am nahegelegenen Rheinufer bestritten.

Die Ermittlungsgruppe "Neujahr", die im Kölner Polizeipräsidium nun die Täter auf Bild- und Videomaterial ausmachen soll, will sich aber nun bis Anfang der kommenden Woche nicht mehr äußern. Dann wird der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) dem Innenausschuss einen Bericht vorlegen, versehen mit eigenen Einschätzungen. Fraglich ist, ob es eine gute Idee ist, so lange zu schweigen. Pegida hat bereits für Samstag eine Demonstration in Köln angekündigt, mit bis zu 1000 Teilnehmern.

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Nach den Übergriffen auf Frauen steht die Kölner Polizei in der Kritik. Wurde die Situation in der Silvesternacht falsch eingeschätzt? Auch die Kommunikation in den Tagen danach wirft Fragen auf.

Rechte Stimmungsmacher werden dann ihre eigene Interpretation verbreiten. Solange gibt auch niemand eine Antwort darauf, ob es sich bei den Taten um abgesprochene, gar deutschlandweit organisierte Kriminalität gehandelt haben könnte. In mehreren anderen deutschen Städten hatte es in der Silvesternacht ähnliche Überfälle gegeben. Hamburgs Polizei lagen bis zum Donnerstag fast 100 Hinweise von Zeugen und 70 Anzeigen vor. Die Beschreibungen ähneln denen aus Köln. Frauen berichten von Männergruppen, zerrissener Kleidung, Diebstahl. Auch in der Hafenstadt ist von einer neuen Dimension der Kriminalität die Rede, trotz der Erfahrungen mit der Rotlichtmeile Reeperbahn. Videobilder von dort sind rar, weil die Überwachungskameras nach Klagen von Einwohnern 2011 abgeschaltet wurden. Bisher habe man keine Hinweise auf eine Verbindung zu Köln, heißt es bei der Polizei.

In Stuttgart haben 15 Frauen Anzeige erstattet. Die Polizei geht von etwa 30 Tätern aus, wobei noch nicht klar ist, ob es sich zum Teil um dieselben Männer handelt. Sie alle werden als "nordafrikanisch oder arabisch" beschrieben. Ihr Vorgehen: der "Antanztrick", wie man ihn aus Discos kennt. Anfang der Woche wurde hier ein verdächtiger Iraker festgenommen.

In Düsseldorf sind 15 Anzeigen eingegangen. Hier läuft bereits seit Juni 2014 ein "Auswerte- und Analyseprojekt", das organisierte Taschen- und Gepäckdiebstähle von Männern vorwiegend "nordafrikanischer Abstammung" untersucht. Mit ihren Erkenntnissen will die Düsseldorfer Polizei nun die Kölner Ermittler unterstützen. Ein Vergewaltigungsfall in der Silvesternacht in Weil am Rhein, bei dem ein Mann und drei 14 und 15 Jahre alte Jugendliche zwei Mädchen missbraucht haben sollen, steht hingegen laut Staatsanwaltschaft in keinem Zusammenhang zu Köln.

© SZ vom 08.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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