Richterin Thokozile Masipa:In ihren Händen liegt Pistorius' Schicksal

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Richterin Thokozile Masipa während des Pistorius-Prozesses. (Foto: dpa)

Einst war sie Sozialarbeiterin und Reporterin, dann wurde Thokozile Masipa von Nelson Mandela zur Richterin berufen. Am Mittwoch entscheidet sie über ein wichtiges Gutachten in ihrem prominentesten Fall - dem des Paralympics-Athleten Oscar Pistorius.

Die Stimmung wird immer gereizter an diesem Mittag. Staatsanwalt Gerrie Nel und Oscar Pistorius' Verteidiger Barry Roux liefern sich einen intensiven Schlagabtausch im Gerichtssaal von Pretoria. Roux, der immer nervöser wird, beißt bei Nel auf Granit, der grinsend Anteilnahme heuchelt für den "emotionalen Kollegen" und dessen Mandanten Pistorius. Diesem hatte eine Psychiaterin, die eigentlich als Entlastungszeugin auftreten sollte, zuvor eine Angststörung attestiert.

Nel will nun, dass Pistorius bis zu einem Monat in einer psychiatrischen Einrichtung beobachtet wird. Ein unabhängiges Gutachten solle darüber befinden, ob der Angeklagte voll schuldfähig sei, fordert der Staatsanwalt. Niemand habe von Unzurechnungsfähigkeit des Angeklagten bei der Tat gesprochen, widerspricht Verteidiger Roux zunehmend gereizter. Richterin Thokozile Matilda Masipa beobachtet den juristischen Schlagabtausch mit nüchternem Blick. "Sind Sie nun fertig?", fragt die 66-Jährige ruhig und blickt ihn streng durch ihre runde Brille an. Sie werde morgen um 9.30 Uhr verkünden, ob sie dem Antrag stattgebe, sagt Masipa noch. Das würde bedeuten, dass sich das Urteil im Pistorius noch mal um einen Monat verzögert. Dann schließt die Richterin die Sitzung.

Thokozile Matilda Masipa scheint nicht viel übrig zu haben für die ganz große Bühne, die sich ihr derzeit bietet. Ausgerechnet die mächtigste Person in Südafrikas größtem Mordprozess gegen den Paralympics-Athleten Pistorius wirkt zurückgenommen in ihrer roten Richterrobe. Nur sehr selten unterbricht sie Zeugen und Anwälte im Gerichtssaal.

"Das hier ist keine Spaßveranstaltung"

Mordprozess in Südafrika
:Pitbull gegen Pistorius

Er trieb Oscar Pistorius an den Rand des Zusammenbruchs - und darüber hinaus. Fünf Tage lang hat Gerrie Nel, Beiname "der Pitbull", den wegen Mordes an seiner Freundin angeklagten Athleten verhört. Am Ende steht der Sportler alles andere als gut da.

Von Lena Jakat und Felicitas Kock

"Masipas Auftreten ist typisch für südafrikanische Verhältnisse", sagte James Grant, der Professor für Strafrecht an der Johannesburger Wits University, "die beiden Parteien tragen es untereinander aus, während der Richter nicht dazwischen geht." Doch oftmals würden Richter stärker in eine Verhandlung hineingezogen als Masipa, etwa wenn sie der Befragung und Belästigung von Zeugen Einhalt gebieten, sagt der Kapstädter Anwalt Keith Gess. Es sei offensichtlich, dass der Richterin der aggressive Stil des Staatsanwalts nicht gefalle, meint Gess. Masipa "entscheidet öfter zugunsten von Roux".

Es war auch nicht zu übersehen, dass die Richterin dem Angeklagten während seiner häufigen Zusammenbrüche durchaus Sympathien entgegenbrachte. Zugleich ermahnte sie dessen Anwalt, weil er unablässig einem Hauptzeugen immer wieder die gleiche Frage stellte. Deutlich zeigte sie sich auch gegenüber Journalisten, die sich nicht an die im Gerichtssaal geltenden Regeln halten wollten: "Das hier ist keine Spaßveranstaltung."

Eine beispielllose Karriere

Dabei geht Masipas Rolle weit über die der Richterin im Fall Pistorius hinaus. Steht sie doch symbolisch für einen Umbruch im traditionell konservativen, weißen und von Männern dominierten Justizsystem Südafrikas. Geboren wurde Masipa 1947 im Johannesburger Township Soweto, ein Jahr bevor die Apartheid in Südafrika zur Staatsdoktrin wurde. Sie arbeitete als Sozialarbeiterin und deckte als Kriminalreporterin Skandale auf. In einem System der Rassendiskriminierung. Diese Erfahrungen dürften mit ein Grund für sie gewesen sein, später ein Jura-Studium aufzunehmen. 1991 wurde sie im Alter von 43 Jahren Anwältin und sieben Jahre später durch Nelson Mandela zur zweiten schwarzen Richterin am Obersten Gerichtshof von Südafrika ernannt.

Kollegen beschreiben sie als zurückhaltend, eloquent und fair. Der Prozess gegen Oscar Pistorius habe gezeigt, wie "intelligent sie ist und alles abwägt", findet Anwalt Gess. Sie trete nicht pompös auf. Masipa hat bereits in der Vergangenheit Zeichen gesetzt. Mit Urteilen, die der Macht des Staates Grenzen setzten über staatliche Unternehmen, oder als sie das Recht auf Unterkunft von Hausbesetzern gegen die Stadt Johannesburg verteidigte.

252 Jahre Haft

Pistorius vor Gericht
:"Ozzy, wir beten für dich"

Ein Angeklagter, der immer wieder unter Tränen zusammenbricht. Ein Staatsanwalt, der von der internationalen Presse den Beinamen "Pitbull" bekommen hat. Und eine Angehörige, die sagt, sie sei "süchtig danach, den Angeklagten jeden Tag anzusehen". Szenen aus dem Mordprozess gegen Oscar Pistorius.

Von Felicitas Kock

Der Fall Pistorius hat die Aufmerksamkeit auf zwei ihrer früheren Urteile gelenkt, in denen es ebenfalls um Gewalt gegen Frauen ging. Im vergangenen Jahr verurteilte Masipa einen Mann zu 252 Jahren Gefängnis, der während einer Serie von Überfällen drei Frauen vergewaltigt hatte. Begründet wurde die Entscheidung mit dem Mangel an Reue und weil die Aussicht einer Rehabilitation des Täters als unwahrscheinlich betrachtet wurde. 2009 schickte die Richterin einen Polizisten lebenslang in Haft, der seine Frau nach einem Streit über eine Scheidungsvereinbarung getötet hatte. Damals sagte Masipa: "Sie verdienen es, für den Rest ihres Lebens ins Gefängnis zu gehen, da sie kein Beschützer sind. Sie sind ein Killer."

Weil Südafrika keine Geschworenenverfahren kennt, wird es alleine die 66-jährige Richterin sein, die am Ende darüber zu entscheiden hat, ob Pistorius einen vorsätzlichen Mord begangen hat - und ob er dafür den Rest seines Lebens ins Gefängnis muss.

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