Prozess in Pretoria:Gutachterin bescheinigt Pistorius Angststörung

Oscar Pistorius murder trial

Oscar Pistorius weint am 30. Verhandlungstag vor Gericht in Pretoria.

(Foto: dpa)

"Er wollte nicht alleine zu Hause sein": Eine Psychiaterin hat vor Gericht ausgesagt, der wegen Mordes an seiner Freundin angeklagte Oscar Pistorius leide an einer Angststörung. Die Staatsanwaltschaft kritisierte die Untersuchung und fordert ein neues Gutachten.

Paralympics-Star Oscar Pistorius leidet nach Angaben einer Psychiaterin unter einer Angststörung. Der des Mordes an seiner Freundin Reeva Steenkamp angeklagte Pistorius habe eine "intensive Angst vor Südafrikas hoher Kriminalitätsrate", betonte die forensische Psychiaterin Merryl Vorster, die als Zeugin der Verteidigung befragt wurde.

Staatsanwalt Gerrie Nel forderte daraufhin ein weiteres psychiatrisches Gutachten. Richterin Thokozile Masipa will bis Dienstag darüber entscheiden.

Gespräch mit Pistorius erst vor wenigen Wochen

"Er beschrieb sich selbst als isoliert und alleine ... Er wollte nicht alleine zu Hause sein und lud deshalb Freunde zu Übernachtungen ein", berichtete Vorster am 30. Verhandlungstag. Pistorius sei im Alter von 15 Jahren vom Tod seiner Mutter traumatisiert worden, sagte die Psychiaterin. Die Angstzustände des unterschenkelamputierten Sportlers seien aber nicht so schwer, dass Wahrnehmungsstörungen und damit eine Paranoia diagnostiziert werden könnten. Pistorius könne daher nicht von der Verantwortung für seine Handlungen entbunden werden.

Der 27-Jährige habe mit strenger Disziplin und mit Sicherheitsmaßnahmen versucht, seine Ängste in den Griff zu bekommen. Bereits am ersten Tag seiner Befragung hatte Pistorius über seine Angst vor Gewalt gesprochen. Vorster musste allerdings bei der Befragung durch Nel zugeben, dass sie erst vor wenigen Wochen erstmals mit Pistorius gesprochen habe. Der Staatsanwalt meinte, der Angeklagte müsse, wenn er denn psychisch gestört sei, künftig unter Beobachtung gestellt werden. Die Verteidigung erhob Einspruch.

Staatsanwalt Nel hatte zuvor Kompetenz und Unbefangenheit des Ballistik-Experten Thomas Wolmarans angezweifelt. Dieser hatte die mögliche Bahn des Geschosses berechnet. Wolmarans musste im Kreuzverhör am Montag vor dem Gericht Pretoria zugeben, dass er manche Tests am Tatort erst vor wenigen Wochen auf Wunsch der Verteidigung gemacht habe. Zudem habe er sich mit anderen Experten der Verteidigung vor seiner Vernehmung über die Aspekte der Tat unterhalten.

Wolmarans hatte am Freitag berichtet, dass der behinderte Profisportler keine Prothesen getragen habe, als er am 14. Februar 2013 die tödlichen Schüsse auf seine Freundin abgab. Dies würde den Aussagen des Angeklagten entsprechen. Wenn Pistorius hingegen Prothesen getragen hätte, könnte das darauf hindeuten, dass er Zeit hatte, sie anzulegen - er also mit Vorsatz handelte.

Der Prozess soll noch im Mai zu Ende gehen. Bei einer Verurteilung droht Pistorius eine lebenslange Haftstrafe.

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