Japan nach der Katastrophe:Welt in Trümmern

Ein Erdbeben, das große Teile Japans in Schutt verwandelte, ein Tsunami, der Tausende von Toten forderte und den Super-GAU von Fukushima nach sich zog: Wie ist das Weiterleben nach einer solchen Katastrophe möglich? Bilder, die ein Jahr nach dem Unglück entstanden sind, zeugen von Trauer, Verzweiflung - und neuer Hoffnung.

Sophia Lindsey

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(Foto: AFP)

Ein Erdbeben, das große Teile Japans in Trümmer verwandelte, ein Tsunami, der Tausende von Toten forderte und den Super-Gau in Fukushima nach sich zog. Wie ist das Weiterleben nach einer solchen Katastrophe möglich? Bilder, die ein Jahr nach dem Unglück entstanden sind, zeugen von Trauer, Verzweiflung und neuer Hoffnung. Ihr Blick ist der eines Menschen, der glaubt, alles verloren zu haben. Schutzsuchend zieht Yuki Sugimoto die Decke noch etwas fester um ihren Körper, während ringsum die Welt in Trümmern liegt: Die Aufnahme der Japanerin, die in ihrem zerstörten Heimatort Ishinomaki nach ihrem vermissten Sohn Raito Ausschau hält, erlangte im März des letzten Jahres ikonographische Bedeutung - sie wurde zum Sinnbild für die Not Tausender. Ein Jahr nach der Katastrophe lebt sie heute wieder vereint mit ihrem Mann und Raito in einer Notunterkunft.

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(Foto: REUTERS)

Yuki hatte Glück. Zwölf Monate später entsteht ein Foto von ihr an derselben Stelle, an der sie damals nach Raito Ausschau suchte: Sie wirkt gefasst, beinahe fröhlich. Die Trümmer sind verschwunden.

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(Foto: REUTERS)

Yuki war in der Arbeit, ihr Sohn im Kindergarten, als das Erdbeben der Stärke 9,0 die Erde erzittern ließ und die Wassermassen am Nachmittag des 11. März auf die Stadt niederbrausten. Doch das Ausmaß der Zerstörung, die eingestürzten Häuser und zerborstenen Straßen machen es der 29-Jährigen unmöglich, zum Kindergarten zu gelangen. Es folgen 72 Stunden der Ungewissheit, bevor Yuki ihren Sohn wieder in die Arme schließen kann.

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Nur die hellblaue Tapete erinnert daran, dass das verwüstete Haus einst ein fröhlicher Ort war: Yuki und ihr Sohn besuchen Raitos früheren Kindergarten. Alle elf Kinder, die in der Kindertagesstätte untergebracht waren, überlebten die Katastrophe. Vor der mindestens 23 Meter hohen Flutwelle retteten sie sich, indem sie auf das Dach des Gebäudes kletterten und dort ausharrten, bis die Fluten zurückgingen und sie im zweiten Stock des Kindergartens auf Hilfe warten konnten.

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Ein Jahr nach der Katastrophe beten Yuki und Raito vor der Ruine ihres Hauses in Ishinomaki. Der Tsunami zerstörte alles, was die Familie besaß. Yuki versucht langsam, in den Alltag zurückzukehren. "Bis vor einem Jahr war es für mich selbstverständlich, dass ich eine Familie habe und dass ein Tag auf den anderen folgt", sagt sie, "in Wirklichkeit ist das ein Wunder. Deshalb sollten wir aus jedem einzelnen Tag das Beste machen."

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Etwa 16.000 Menschen starben in der Katastrophe, mehr als 3000 Opfer wurden nie gefunden. Zehntausende Überlebende sind noch immer in behelfsmäßigen Behausungen untergebracht, die ihnen die Regierung zugewiesen hat. Takaaki Watanabe ist einer von ihnen. Gemeinsam mit seinen drei Töchtern lebt er in einer Notunterkunft in Minamisanriku im Nordosten Japans.

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Takaaki hat viel verloren: Der Tsunami nahm ihm seine Frau, seine Mutter und sein Haus - das auf einem Stück Land gebaut worden war, dass sich seit 13 Generationen im Besitz seiner Familie befindet. Der Witwer hält ein vergilbtes Foto seiner Hochzeit in die Kamera. Er gehört zu den 5,8 Prozent der Bewohner seines Heimatdorfes, die die Katastrophe überlebten.

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Fast wie in einem ganz normalen Zuhause sieht es hier aus: Der Fernseher läuft, Spielsachen liegen herum. Takaakis 17-jährige Tochter Satomi lernt am Tisch der Notbehausung für die Schule. Seit dem Tsunami arbeitet ihr Vater ganztags, kocht, wäscht, fährt seine Tochter jeden Morgen zu einem 20 Minuten entfernten Bahnhof und holt sie abends wieder ab. Zeit, sich auszuruhen, bleibt nicht. Der Alltag muss weitergehen, irgendwie.

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(Foto: AFP)

Ein Kuscheltier, das Hoffnung gibt: Tsuyako Kumagai sucht Trost bei einer therapeutischen Robbe. Der in Japan entwickelte Roboter namens "Paro" lässt sich streicheln und schmiegt sich an den Menschen. In Deutschland wird er zur Behandlung Demenzkranker eingesetzt. Die Robben wurden den Menschen zur Verfügung gestellt, die in einem Baseball-Stadion in Kesennuma untergekommen sind, eine Gegend, die besonders schwer von den Folgen des Tsunamis betroffen ist.

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(Foto: REUTERS)

Der Fotograf Nobuyuki Kobayashi rief im Dezember die Initiative "3.11 Portrait Project" ins Leben. Weil die Familienfotos der Überlebenden zumeist in der Katastrophe zerstört wurden oder verloren gingen, sollen die Fotoportraits neue Erinnerungen und neue Hoffnung bringen. Einer Bewohnerin der Notunterkünfte in Koriyama werden für die bevorstehenden Aufnahmen gerade die Haare frisiert.

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(Foto: REUTERS)

Ein bisschen Harmonie inmitten des Unglücks: Der Fotograf ermuntert ein Paar, sich für das Foto an den Händen zu fassen. Die entstehenden Portraits werden an Schulkinder geschickt, die nicht von der Katastrophe betroffen sind. Die Kinder rahmen die Bilder und schicken sie zusammen mit persönlichen Nachrichten an die Überlebenden zurück.

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(Foto: REUTERS)

Friseure, Vigasisten und weitere Freiwillige arbeiteten zusammen, um das Fotoprojekt umzusetzen. Misako Yokota winkt in die Kamera, lacht...

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(Foto: REUTERS)

...und hält später ihr gerahmtes Portrait in den Händen. Vielleicht der Beginn einer neuen Sammlung von Familienfotos.

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(Foto: Getty Images)

Während die japanische Regierung darum bemüht ist, die Trümmer zu beseitigen und der Bevölkerung ihre Lebensgrundlage zurückzugeben, stiftet das vorübergehende Gemeindezentrum in Ishinomaki ein Gefühl von Zusammenhalt. Es ist für viele Bewohner zum Zufluchtsort geworden, auch für die 65-jährige Kikuko Abe und ihre zwei Enkelkinder.

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(Foto: Getty Images)

Für die Opfer des Tsunamis errichteten Hinterbliebene in Natori eine Gedenkstätte. Auch ein Jahr später zieren frische Blumen das Denkmal.

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(Foto: Getty Images)

Provisorische Trauer: In Ishinomaki versammeln sich Bewohner, um den Tsunami-Opfern der Grundschule zu gedenken. 74 der 108 Schülern starben, drei gelten noch immer als vermisst. Für die buddhistische Gedenkfeier wurde notdürftig ein Altar errichtet.

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(Foto: Getty Images)

Bilder wie diese vermitteln Hoffnung. Japanische Senioren treffen sich im Gemeindezentrum eines temporären Wohngebiets in Minamisanriku. Die Blicke der Menschen wirken heute zuversichtlich; es sind die Blicke derer, die vor einem Jahr glaubten, alles verloren zu haben.

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