Mitbegründer von Invisible Children festgenommen:"Kony 2012"-Regisseur bricht zusammen

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Mit der Internet-Kampagne "Kony 2012" gegen den blutrünstigen ugandischen Rebellenführer Joseph Kony erregt das US-Kinderhilfswerk Invisible Children weltweit Aufsehen. Nun sorgt der bizarre Zusammenbruch eines Initiators für Schlagzeilen: Jason Russell lief nackt und brüllend durch die Straßen von San Diego.

Das war wohl alles etwas zu viel. Erst der Erfolg des Videos, dann harsche Kritik, nun folgte offenbar der Zusammenbruch. Der Mitbegründer der US-Kinderhilfsorganisation Invisible Children und Mitinitiator der "Kony 2012"-Kampagne, Jason Russell, ist ins Krankenhaus eingeliefert worden. Russell ist der Sprecher und Regisseur des Videos über den afrikanischen Rebellenführer Joseph Kony.

Russell war bereits am Donnerstag im kalifornischen San Diego von der Polizei in Gewahrsam genommen worden. Der Vorsitzende von Invisible Children, Ben Keesey, teilte auf der Homepage der Organisation mit, Russell werde wegen Flüssigkeitsmangel, Erschöpfung und Mangelernährung behandelt. Der emotionale Tribut der jüngsten Zeit habe sich am Donnerstag in einem "bedauernswerten Zwischenfall" geäußert. Die vergangenen zwei Wochen hätten allen Mitarbeitern der Organisation emotional viel abverlangt, insbesondere Russell.

Laut Polizei ("In Unterhosen") und laut Internetdienst "Tmz.com" ("nackt") lief er angeblich brüllend und schreiend durch die Straßen von San Diego und habe mutwillig Autos beschädigt. Die Polizei habe ihn in psychiatrische Behandlung gegeben, um feststellen zu lassen, ob er für sich oder andere eine Bedrohung darstelle, meldete "Tmz.com" unter Berufung auf die Sicherheitsbehörden. Ein Strafverfahren solle nicht eingeleitet werden. Ein von dem Promi-Portal veröffentlichtes Video zeigt einen nackten Mann, der auf offener Straße mit den Händen auf den Boden schlägt. Dabei soll es sich um den 33-jährigen Russell handeln.

Ihr Mann habe einige "irrationale Dinge" getan, zu denen "extreme Erschöpfung" beigetragen habe, sagte Russells Frau Danica Russell nach Angaben der Los Angeles Times. In einer Mitteilung der Familie hieß es weiter, dass der Filmemacher die Kritik an seiner Videokampagne "sehr schwer" genommen habe.

Invisible Children hatte in den vergangenen Wochen mit der Internet-Kampagne "Kony 2012" weltweit Aufmerksamkeit erregt. In einem halbstündigen Video fordert die Organisation die Festnahme des blutrünstigen, ugandischen Rebellenführers Joseph Kony. Der bei YouTube veröffentlichte Film wurde bereits mehr als 80 Millionen Mal abgerufen.

Von Experten wird die Kampagne kontrovers diskutiert. Während die einen es generell begrüßen, dass damit das öffentliche Interesse auf den Kindersoldaten-Missbrauch gelenkt werde, kritisieren andere die hoch emotionale, aber wenig fundierte Darstellung des Problems. Bedenken waren an der Finanzierung von Invisible Children und der Verwendung von Spendengeldern aufgekommen. Allerdings wehrt sich die Organisation gegen die Vorwürfe. Zudem waren die Informationen zu Kony und den Kindersoldaten in Uganda veraltet.

Ugandas Ministerpräsident lädt Unterstützer von Kony-Video ein

Darauf stützt sich wohl auch die Einladung von Ugandas Ministerpräsident Amama Mbabazi an die Unterstützer des Films in sein Land. "Ich schätze Euer Interesse und lade Euch zu einem Besuch ein", schrieb Mbabazi am Samstag in einer Online-Nachricht über den Kurznachrichtendienst Twitter. "Wir haben Frieden, Stabilität und ein großartiges Volk." Auch über das Online-Portal Youtube sprach der Ministerpräsident die Einladung an die Unterstützer des Films "Kony 2012" der US-Gruppe Invisible Children aus, darunter viele Hollywoodstars.

Mbabazi erklärte, er wolle die "gut gemeinte" Absicht des Videos korrigieren. Kony sei nicht in Uganda, zudem befinde sich das Land nicht in einem Konflikt. "Kommt und schaut Euch Uganda selbst an, Ihr werdet einen sehr anderen Ort vorfinden, als den, den Invisible Children darstellt", fuhr der Ministerpräsident fort.

In dem Video "Kony 2012" ruft die Gruppe die Zuschauer auf, Druck auf US-Politiker zur Entsendung von Truppen nach Afrika auszuüben, um Kony festzunehmen. Konys Lord's Resistance Army (LRA, Widerstandsarmee des Herrn) gilt als eine der brutalsten Rebellengruppen der Welt. Sie ist heute aber vor allem im Kongo, in Zentralafrika und im Südsudan aktiv.

Es wird vermutet, dass sich der gebürtige Ugander Kony mit einigen hundert verbleibenden Rebellen in der Zentralafrikanischen Republik versteckt. Kony hatte seit 1987 mit seiner "Lord's Resistance Army" den Norden Ugandas, den heutigen Staat Südsudan und den Nordosten der Demokratischen Republik Kongo terrorisiert. Tausende Kinder wurden von der Rebellengruppe zwangsrekrutiert und als Kindersoldaten oder Sexsklaven missbraucht.

Die Internet-Kampagne lässt Uganda nun um den Fremdenverkehr fürchten. Das inzwischen von fast 80 Millionen Menschen auf YouTube angeklickte Video über den Führer der berüchtigten Rebellentruppe sei missverständlich und könne die Urlauber abschrecken, beklagte Tourismusminister Ephraim Kamuntu. Kony halte sich schon seit Jahren nicht mehr in Uganda auf.

"Er ist keine Gefahr mehr für unser Land". Bei Touristen könne durch das Video aber der gegenteilige Eindruck entstehen. "Dieser Film hat das Potenzial, unsere Tourismusindustrie zu zerstören", sagte ein Ministeriumssprecher. Es seien angesichts verängstigter Urlauber schon Beschwerden von Reiseveranstaltern eingegangen.

Ugandas Botschaften sind deshalb angewiesen worden, einem Imageverlust des Landes im Ausland entgegenzuwirken. Der Fremdenverkehr ist nach dem Kaffee-Export die zweitwichtigste Devisen-Einnahmequelle Ugandas. 2010 bescherte er dem ostafrikanischen Land rund 660 Millionen Dollar (etwa 500 Millionen Euro). Dieses Jahr werden mehr als eine Million Gäste erwartet.

© dpa/AFP/dapd/lala - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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