Illegale Autorennen:BGH sendet starke Botschaft an die Raser-Szene

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Markierungen der Spurensicherung nach einem tödlichen Unfall, der in Mönchengladbach bei einem illegalen Autorennen geschah. (Foto: dpa)

Jeder kennt das Protzgehabe junger Männer, die über mehr PS verfügen als Verstand. Auch wenn nicht alle Raser Mörder sind, die Zunahme illegaler Straßenrennen spricht eindeutig für härtere Strafen.

Kommentar von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Wer vor vier Wochen im Bundesgerichtshof in der Verhandlung gegen die beiden Raser von Köln saß, der konnte das Gesicht des Vaters beobachten, dessen 19-jährige Tochter wegen des irrwitzigen Rennens zu den Rheinterrassen ihr Leben verloren hat. Es war das Gesicht eines Mannes, der das Schlimmste erlebt hat, was einem Vater widerfahren kann; er musste auch zwei Jahre nach dem furchtbaren Verlust noch um Fassung ringen.

Es war aber auch ein Gesicht, in dem sich unser aller Unverständnis spiegelte, unsere Wut auf zwei junge Männer, die den öffentlichen Raum zu ihrem Hochrisikospielplatz gemacht haben. In solchen Augenblicken kocht man innerlich über. Jeder hat ja seine persönlichen Erlebnisse mit lichthupenden Boliden im Rückspiegel gehabt und mit dem Protzgehabe junger Männer, die über weitaus mehr PS verfügen als über Verstand.

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Wie aber soll man eine gerechte Strafe finden, wenn der Zorn überquillt? Man kann mit der nüchternen Feststellung beginnen, dass Rücksichtnahme nirgendwo lebenswichtiger ist als im Straßenverkehr - weil dort schnell zur tödlichen Gefahr wird, wer seine Impulse nicht im Griff hat.

Die Zunahme illegaler Straßenrennen ist eine Tatsache, die eindeutig für härtere Strafen spricht, jenseits der Wut. Deshalb hat der Bundesgerichtshof ein richtiges Signal gesetzt und die Aussetzung der Strafe zur Bewährung beanstandet; die Kölner Raser müssen nun damit rechnen, dass sie ins Gefängnis kommen.

Jedes andere Ergebnis wäre absurd gewesen. Es hätte das Strafrecht zum stumpfen Instrument gemacht. Wer die Rücksichtslosigkeit zum Ausgangspunkt seiner selbstbezogenen Suche nach dem ultimativen Kick macht, der darf nicht mit einer lauen Bewährungsstrafe davon kommen, wenn er Menschen zu Tode fährt. Was wäre das für eine Botschaft an die Raser-Szene? Dass der Staat nicht mehr als einen erhobenen Zeigefinger im Repertoire hat? Wer sich hart an der Grenze zur vorsätzlichen Tötung bewegt, hat so viel Nachsicht nicht verdient. Der BGH hätte daher gut daran getan, nicht nur die Bewährung zu kippen, sondern für die Neuauflage des Prozesses zusätzlich auf eine höhere Freiheitsstrafe zu dringen.

Über eine weitaus kompliziertere Frage musste des Gericht dieses Mal nicht entscheiden, weil die Revision lediglich das Strafmaß betraf. Das Landgericht Berlin hatte im Frühjahr zwei Raser wegen Mordes verurteilt. Das ist die höchste Hausnummer, die das Strafgesetzbuch zu bieten hat - auf Mord steht zwingend lebenslang. Seither diskutiert die Republik, die das Rasen auf Autobahnen immer noch nicht verboten hat, über die Frage: Können Raser Mörder sein?

Das harte Berliner Urteil ist vielfach als richtiges Signal im Umgang mit den illegalen Autorennen gewertet worden. Das aber war es gerade nicht. Selbst wenn die Berliner Richter im konkreten Fall zu Recht auf Mord erkannt haben sollten - worüber ebenfalls der BGH entscheiden wird -, taugt der außergewöhnliche Fall nicht als Blaupause für weitere Raserfälle. Wer rast, schafft zwar gerade in Innenstädten Risiken, die er kaum noch kontrollieren kann. Das jedoch ist die Definition von - besonders grober - Fahrlässigkeit. Eine vorsätzliche Tötung lässt sich nur in Extremfällen konstruieren. Das Rechtsempfinden, das nach der Höchststrafe ruft, ist hier kein guter Ratgeber.

Rasern Grenzen aufzeigen - mit "Idiotentest" oder Führerscheinentzug

Trotzdem lässt sich aus dem Berliner Fall etwas lernen. Die Juristen haben zwei Schubladen eingerichtet, um die Schuld bei Tötungsfällen auseinanderzuhalten. Auf der einen steht Fahrlässigkeit, auf der anderen Vorsatz; in Gefängnisjahren bemessen, kann der Unterschied zwischen Null und Lebenslang liegen.

Der Gemütszustand junger Raser, der vielleicht nicht den Tod von Menschen, wohl aber das tödliche Risiko in Kauf nimmt, zeigt aber: Der Übergang ist viel fließender, als es die Schubladen der Juristen vermuten lassen. Die Konsequenz sollte freilich nicht sein, Raser mit martialischer Geste zu Mördern zu erklären, sondern ihren Beinahe-Vorsatz mit empfindlicheren Strafen zu ahnden. Nach der jüngst im Bundestag beschlossenen Verschärfung muss künftig mit bis zu zehn statt bisher fünf Jahren Haft rechnen, wer Menschen schwer verletzt oder zu Tode fährt. Hinzu kommen Instrumente, Rasern frühzeitig die Grenzen aufzuzeigen - von der Verkehrstherapie über den "Idiotentest" bis zum Führerscheinentzug. Das reicht aus.

Vor einiger Zeit wurde ein Psychologe gefragt, was das eigentlich für Menschen seien. Sie seien ungefestigt, auf der Suche nach dem Thrill, zudem ohne Schuldbewusstsein und Empathie, antwortete er. "Aber das sind ja keine Monster."

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