Frankfurt:"Lasermann" streitet 25 Jahre zurückliegenden Mord ab

Mordprozess gegen 'Lasermann' beginnt nach 25 Jahren

John Ausonius steht in Frankfurt vor Gericht, ihm wird Mord vorgeworfen.

(Foto: dpa)
  • In Frankfurt hat einer der spektakulärsten Mordprozesse Deutschlands begonnen.
  • Angeklagt ist der Schwede John Wolfgang Alexander Ausonius, er soll vor 25 Jahren die Garderobiere Blanka Zmigrod erschossen haben.
  • Ausonius ist auch bekannt als "Lasermann" - für einen anderen Mord, bei dem er eine Waffe mit Laser-Zielvorrichtung benutzt hatte, wurde er bereits verurteilt.
  • Der 64-Jährige streitet die Tat allerdings ab. Sein Anwalt beantragt, das Verfahren einzustellen.

Aus dem Gericht von Jan Willmroth, Frankfurt

Im Februar vor 25 Jahren bricht Blanka Zmigrod im Frankfurter Westend zusammen, 300 Meter von ihrer Wohnung entfernt, den Haustürschlüssel in der Hand. In ihrem Kopf steckt ein Projektil, Hohlspitzmunition, Kaliber 6.35, es hat sich von der linken Schläfe aus in ihren Schädel gebohrt und das Gehirn zerstört, abgefeuert aus nächster Nähe. Im Dämmerlicht der Straßenlaternen beobachtet ein Zeuge, wie eine männliche Person Zmigrods Handtasche greift, auf ein Fahrrad steigt und verschwindet. Zmigrod, Jüdin, 68 Jahre alt, Garderobiere in einem Restaurant am Opernplatz, liegt wenige Minuten nach dem Ende ihrer Schicht erschossen auf der Straße.

Der Mann, der am Mittwoch den Saal im Frankfurter Landgericht betritt, stand schon kurz nach Zmigrods Tod unter Verdacht. John Wolfgang Alexander Ausonius, 64 Jahre alt, seit gut 24 Jahren in schwedischer Haft, die schwarzen Haare mit vielen grauen durchsetzt, die Augenhöhlen dunkel, der Blick konzentriert, lässt sich die Handschellen abnehmen, nimmt Platz und setzt eine Lesebrille auf. Er geht die Unterlagen durch, aus denen er vorlesen wird. So sehen Männer aus, wenn sie in Konferenzräume kommen, weißer Kragen und akkurater Krawattenknoten.

Viele Querbezüge zu anderen Verfahren

Ausonius' Auftritt ist der Auftakt zu einem der am meisten beachteten Mordprozesse in der Bundesrepublik. Es wird ein schwieriger Prozess werden, mit vielen Querbezügen zu anderen Verfahren, mit dem Anspruch, einen Mord ohne DNA-Spuren und mit einem einzigen Tatzeugen nach einem Vierteljahrhundert aufzuklären. Zum Fall Zmigrod, stellt sein Anwalt gleich zu Beginn klar, möchte Ausonius nichts sagen. Wohl aber über sich selbst, deshalb der Ordner vor ihm auf dem Tisch, die getackerten DIN-A4-Seiten in seiner Hand, selbst formuliert im Gefängnis in Frankfurt-Preungesheim, wo er seit seiner Auslieferung aus Schweden in Haft sitzt.

Dort kennt man Ausonius seit Anfang der Neunzigerjahre als "Lasermann", weil er damals mit einem Gewehr mit Laser-Zielvorrichtung in zehn Fällen auf Migranten mit dunkler Hautfarbe geschossen und eines seiner Opfer getötet hatte. Ausonius aber will, dass die Anwesenden ihn kennenlernen als den Mann, der er heute vorgibt zu sein.

Er trägt auf Deutsch mit schwedischem Akzent vor, wie er, der ältere von zwei Söhnen einer Deutschen und eines Schweizers, in den Siebzigern in Schweden erste Jobs fand, als Taxifahrer, als Schlosser und Filmvorführer. Das Abitur holte er nach. Als er sich 1979 für ein Chemiestudium einschrieb, war er bereits verschuldet.

Das Studium brach er dann ab, fiel die ersten Male als aggressiv und gewalttätig auf, ging zum Militär und leistete Wehrdienst, obwohl Psychiater eine schwere Persönlichkeitsstörung vermuteten. Dort lernt er, mit automatischen Waffen zu schießen. Ende der Achtziger, nachdem er sich weiter mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen hatte, vor allem als Taxifahrer ohne Lizenz, wird er kriminell, ein gefährlicher Serientäter. Unzufrieden sei er gewesen, ständig im Gefühl, Zeit zu vergeuden, er habe wieder Chemie studieren wollen, aber doch ohne Schulden, erzählt er.

Der Angeklagte streitet politische Motive ab

Im Jahr 1989 hatte er mit Aktienoptionen Glück an der Börse, machte aus 15 000 Euro ein Vielfaches, das Studium schien wieder greifbar zu sein. Im Zuge des Börsenkrachs im selben Jahr aber verlor er viel Geld. Es reichte nicht mehr. Also spielte er Roulette, in Vollzeit, er habe so sehr an sein Spielsystem geglaubt, sagt er, "und doch immer verloren". Als seine Maschen mit ungedeckten Schecks und überzogenen Kreditkarten nicht mehr ausreichten, begannen die Banküberfälle. Er besorgte sich sein erstes Gewehr, in Belgien. Eines Tages ging sein Hass auf Einwanderer mit ihm durch, zu einer Zeit, als in Schweden die Fremdenfeindlichkeit um sich griff.

"Ich musste nicht lange überlegen, um zu denen zu gehören, die handgreiflich werden", sagt er. Um den Ausländern zu zeigen, was ihnen in Schweden blüht. Politische Motive aber hätte er nicht gehabt. Zehn Mordversuche, einer davon tödlich, ein Kopfschuss aus der Nähe gegen einen Iraner - nur, um von den Banküberfällen abzulenken, wie er sagt? Ein schwedisches Gericht verurteilte ihn 1995 zu lebenslanger Haft, erst sechs Jahre später gab er die Taten zu.

Den Streit mit Blanka Zmigrod gibt er zu

Den tödlichen Schuss in Frankfurt stritt er ab, vor schwedischen wie deutschen Ermittlern, bis heute. "Ich hoffe, dass ich hier nicht als Sündenbock geopfert werde", sagt er. Sein Anwalt beantragt, das Verfahren einzustellen, er vermutet einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, weil die deutschen Behörden den Fall so lange ruhen ließen und es keine neuen Beweise gibt. Erst als die deutschen Strafverfolger 2012 nach Fällen suchten, die dem rechtsterroristischen NSU als Vorbilder gedient haben könnten, stießen sie wieder auf Ausonius. Er hatte sich, das gibt er zu, mit Blanka Zmigrod gestritten, nachdem in seinem Mantel sein Taschencomputer gefehlt hatte. Er war auf einer Zwischenstation in Deutschland.

Am 21. Februar 1992 kehrte er zurück ins Restaurant, wurde ausfallend, beschuldigte Zmigrod und eine Kollegin laut eines Zeugen, als Ausländer gemeinsame Sache zu machen. Zwei Tage später war Zmigrod tot. Tags darauf flog Ausonius von Amsterdam nach Südafrika, mit einem neuen Taschencomputer im Gepäck. Die mutmaßliche Tatwaffe, sagt er, habe er vor jenem 21. Februar in Frankfurt an einen Unbekannten verkauft. Das hatte er nach den Mordversuchen in Schweden auch stets gesagt.

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