Florenz:Bröckelt Italiens Kulturerbe?

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Für die Basilika Santa Croce in Florenz zahlen Besucher acht Euro Eintritt. (Foto: dpa)
  • Durch einen herabfallenden Stein aus dem Deckengewölbe der Basilika Santa Croce wurde ein Tourist getötet.
  • Besucher müssen für die Kirche Eintritt zahlen, ein Großteil fließt in die Restauration - an der offenbar nichts zu beanstanden war.
  • Italienische Medien erinnern jedoch an vergleichbare Fälle aus jüngster Vergangenheit.

Von Oliver Meiler, Rom

Manche Tragödien passieren ohne Vorwarnung, geräuschlos. Ein Kragstein, 40 Zentimeter lang und 40 Zentimeter breit, hat sich aus der Decke der Basilika Santa Croce in Florenz gelöst. Er brach einfach unter dem Balken weg, den er mittrug, rauschte still 30 Meter in die Tiefe und traf einen spanischen Touristen, der im rechten Querschiff stand, am Kopf. Ein dumpfer, schrecklicher Ton sei das gewesen, sagen die Augenzeugen. Der Mann, 52 Jahre alt, war sofort tot. Er lag reglos in seinem Blut, als die Helfer kamen. Seine Frau stand neben ihm und weinte. Hätten sie doch rechtzeitig hochgeschaut, wie man das in solchen Kirchen oft tut, fasziniert vom Volumen dieser mächtigen Prachtbauten - er hätte dem Stein vielleicht ausweichen können.

Florenz
:Stein löst sich von Kirchendecke - ein Spanier tot

Ein Deckenelement einer Kirche im italienischen Florenz hat einen Touristen erschlagen. Das über 700 Jahre alte Gebäude beherbergt die Grabstätten von Michelangelo und Galileo.

Grabstätte von Michelangelo, Galilei und Rossini

Santa Croce ist eine besonders prächtige Kirche, eines der wichtigsten Bauwerke der italienischen Gotik. Es liegen da unter anderem Michelangelo, Galileo Galilei und der große Komponist Gioachino Rossini begraben. 800 000 Besucher schauen sich die Kirche jedes Jahr an, sie bezahlen acht Euro für den Eintritt. Ein beträchtlicher Teil des Erlöses fließt in den Unterhalt und die Restaurationsarbeiten. Der Seitenflügel im vorderen Teil der Basilika war vor zehn Jahren zum letzten Mal renoviert worden, vor nicht allzu langer Zeit also. Die Verwalter der Kirche lassen ausrichten, vergangene Woche seien die Deckenfenster geputzt worden, und da habe alles rundherum solide gewirkt.

Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung. Vorerst gegen unbekannt. Die italienischen Medien erinnern an ähnlich tragische Unfälle aus der jüngeren Vergangenheit. Erst einige Monate ist es her, da stürzte im Dom von Acireale ein Stück Deckenputz mit einem Durchmesser von einem Meter auf eine Hochzeitsgesellschaft, die gerade das Glück der Ehe vor dem Altar beging. Zwei Hochzeitsgäste wurden schwer verletzt. Ebenfalls in diesem Jahr trug ein heftiger Windstoß in Loreto einige Quadratmeter des Zinndachs eines alten Kirchturms weg. Und schon etwas länger zurück, 1989, liegt der Einsturz des Glockenturms in Pavia, bei dem vier Menschen umkamen. Bei Brescia wurde 2004 ein junger Mann von einem fallenden Kreuz erschlagen, das Papst Johannes Paul gewidmet war. In Florenz löste sich vor einigen Jahren ein 80 Kilogramm schweres Stück Marmor aus einer berühmten Statue, der Colonna dell' Abbondanza auf der Piazza della Repubblica. Normalerweise sitzen auf dem Sockel Touristen. An jenem Tag aber regnete es.

"Zu behaupten, Italiens Kultur falle auseinander, wäre Fake News"

Natürlich wird nun wieder die alte Frage diskutiert, ob Italiens Kulturschatz zerbröckelt - wegen fehlender Mittel und mangelnder Sorge um die 64 584 Kirchen und Klöster, von denen viele einen kulturhistorischen Wert haben, um die 4158 Museen und 282 Ausgrabungsstätten. Die Mailänder Zeitung Corriere della Sera schreibt: "Zu behaupten, Italiens Kultur falle auseinander, wäre Fake News." Im Gegenteil lasse sich sagen, dass es Kulturminister Dario Franceschini in den vergangenen Jahren gelungen sei, Mittel zu finden, öffentliche und private, um damit viele der bekanntesten Monumente aufzufrischen. Problematisch sei allenfalls der große Rest fernab der Tourismusströme, all die weniger bekannten Schätze in kleineren Orten. Das gloriose Erbe aus der Vergangenheit ist eben immer beides: Segen und Last.

© SZ vom 21.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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