Fall Chantal:Staatsanwaltschaft durchsucht Jugendamt in Hamburg

Chantal starb in der Obhut drogenabhängiger Pflegeeltern. Nach heftiger Kritik am zuständigen Jugendamt hat die Hamburger Staatsanwaltschaft Ermittlungen eingeleitet - und die Räume der Behörde sowie einer weiteren Jugendschutzeinrichtung durchsucht. 14 Akten wurden sichergestellt.

Die elfjährige Chantal aus Hamburg ist an einer Überdosis Methadon gestorben und wahrscheinlich stammte der Drogenersatzstoff aus dem Besitz ihres Pflegevaters. Nach heftiger Kritik an den Behörden hat die Staatsanwaltschaft das zuständige Jugendamt im Stadtteil Wilhelmsburg durchsucht.

Außerdem durchsuchten acht Polizisten und ein Staatsanwalt die Räume des Verbunds sozialtherapeutischer Einrichtungen (VSE), eines freien Trägers, bestätigte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. Die Einsatzkräfte stellten bei der Aktion 14 Jugendhilfe- und Pflegeakten sicher.

Beide Einrichtungen stehen unter Verdacht: "Wir ermitteln gegen bislang unbekannte Mitarbeiter des Jugendamtes und des Trägers wegen des Verdachts der Verletzung der Fürsorgepflicht", sagte Möllers. Dies könne mit einer mehrjährigen Haft- oder einer Geldstrafe geahndet werden. Die Mitarbeiter der Jugendhilfe-Einrichtungen seien "völlig kooperativ" gewesen, sagte Möllers. Die "Auswertung der Durchsuchung" könne einige Wochen in Anspruch nehmen.

Chantal war am 16. Januar nach der Einnahme des Heroin-Ersatzstoffes Methadon gestorben. Als sich herausstellte, dass die Pflegeeltern drogensüchtig und in einem Methadon-Programm waren, die Kinder des Haushalts - neben Chantal lebten dort ein weiteres Pflegekind und zwei leibliche Kinder des Paares - zudem in sehr beengten Verhältnissen gelebt haben sollen, wurde heftige Kritik an den Jugendschutzbehörden laut. Gegen die Pflegeeltern und den leiblichen Vater des Mädchens wird wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung ermittelt.

Am Montag zog Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) erste Konsequenzen und ordnete mit sofortiger Wirkung neue Regelungen für die Vermittlung von Kindern und minderjährigen Jugendlichen in Pflegefamilien an. Bevor die zuständigen Bezirke eine geeignete Pflegefamilie auswählen können, müssen angehende Pflegeeltern und alle Hausangehörigen künftig nicht nur ein Führungszeugnis, sondern auch ein Gesundheitszeugnis vorlegen. Damit wollen die Behörden Suchterkrankungen und andere relevante Krankheiten zweifelsfrei ausschließen.

Scheele forderte zudem die Jugendämter über die Bezirke auf, alle 1.300 Hamburger Pflegefamilien und deren Hausangehörige bis zum 15. Februar genau zu überprüfen. Dabei soll insbesondere darauf geachtet werden, ob Hinweise auf Suchterkrankungen oder Straftaten vorliegen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: