Fall Chantal:Pflegemutter muss vor Gericht

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Der Verdacht gegen sie ist stark genug, Chantals Pflegemutter muss sich vor Gericht verantworten. Das hat das Oberlandesgericht Hamburg entschieden. Das elfjährige Mädchen war im Januar 2012 an einer Methadonvergiftung gestorben. Der Vorwurf gegen die Frau: Fahrlässige Tötung.

Anderthalb Jahre, nachdem die elf Jahre alte Chantal an einer Methadonvergiftung gestorben ist, hat das Oberlandesgericht Hamburg entschieden: Ihre Pflegemutter muss sich nun doch vor Gericht verantworten.

Das Gericht hob damit die Entscheidung des Landgerichts auf, nur gegen den Pflegevater wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu verhandeln. Nach Ansicht des zweiten Strafsenats ist die Anklage gegen die Pflegemutter ohne Einschränkung zuzulassen, da die Frau der fahrlässigen Tötung und der Verletzung ihrer Fürsorge- und Erziehungspflicht hinreichend verdächtig sei.

Chantal war am 16. Januar 2012 in Hamburg-Wilhelmsburg an einer Vergiftung mit der Heroin-Ersatzdroge Methadon gestorben. Das Gericht gab damit einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft statt, die sich gegen den Beschluss des Landgerichts vom 9. April gewandt hatte.

Auch wenn die Pflegeeltern die Methadontabletten gemeinsam verwahrt haben sollten, hätte die Pflegemutter nach Überzeugung des Oberlandesgerichts "sicherstellen müssen, dass alle Tabletten sicher gelagert würden". Ihre Aussage, dass die Tabletten in einer für Kinder unzugänglichen Garage aufbewahrt gewesen seien, werde sich aller Voraussicht nach als eine Schutzbehauptung erweisen.

Die Pflegemutter werde auch nicht dadurch entlastet, dass das Jugendamt trotz möglicherweise besseren Wissens nicht gehandelt habe. Eine wahrscheinlich "gröbliche" Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht der Pflegemutter ergebe sich auch daraus, dass in der Wohnung Waffen und hochgiftige Medikamente ungesichert gelagert worden seien, die Wohnung verwahrlost gewesen sei und Chantal "zumindest zeitweise nicht witterungsgemäß bekleidet" gewesen sei.

Ob sich die Vorwürfe bewahrheiten, muss die Hauptverhandlung erbringen. Termine hierfür stehen jedoch noch nicht fest.

Der Sonderausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft zum Fall Chantal wird voraussichtlich am 26. September einen ersten Entwurf des Abschlussberichts diskutieren. Das Parlament hatte das Gremium im April 2012 eingesetzt. Es sollte die Umstände aufklären, die zum Tod des unter Aufsicht des Jugendamts stehenden Mädchens führten. Der Ausschuss beleuchtet Strukturen und Abläufe der Jugendhilfe und diskutiert über mögliche Verbesserungen des Kinderschutzes.

© Süddeutsche.de/dpa/leja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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