Erdeben auf Sumatra:Wettlauf gegen die Zeit

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Noch immer suchen Rettungskräfte in Indonesien nach Überlebenden unter den Trümmern - zum Teil mit bloßen Händen. Zwei Frauen wurden 40 Stunden nach dem Erdbeben lebend geborgen.

Dankbare Gesichter und Jubel - auch das gibt es am Tag zwei nach dem schweren Erdbeben auf Sumatra. Eine 21-jährige Frau ziehen Retter am Freitag vor laufenden Fernsehkameras lebend aus den Trümmern einer Schule in der Stadt Padang.

40 Stunden lang war Ratna Kurnia Sari in den Trümmern eingeklemmt. Nun wurde sie lebend gerettet. (Foto: Foto: AFP)

40 Stunden lang war Ratna Kurnia Sari dort eingeklemmt. Die Bergungsteams sehen unter den Betonpfeilern eine weitere Frau, die noch zu leben scheint - ob ein zweites Wunder möglich ist, hängt davon ab, ob die Spezialmaschinen rechtzeitig eintreffen, um das Geröll beiseitezuschieben.

Ebenfalls in Padang werden etwa 100 Menschen unter den Trümmern eines Hotels vermutet. Die Rettungskräfte entdecken unter Bergen von Beton, Ziegeln und Stahl Lebenszeichen, wie ihr Sprecher Gagah Prakosa sagt. Die Rettungsarbeiten gestalten sich äußerst schwierig. Einheimische graben mit Schaufeln oder bloßen Händen nach Verschütteten.

Das ist die größte Herausforderung in der Großstadt Padang - überall fehlt es an schwerem Gerät, um Betonpfeiler und dicke Mauerreste zu bewegen. "Wir brauchen dringend mehr Maschinen, weil immer noch viele Leute unter den Trümmern eingeklemmt sind", sagt Zul Ariman, Chef der Suchtrupps. "Wir haben nur eine begrenzte Zahl, und diese Maschinen von einem Ort zum anderen zu bringen, ist auch nicht einfach."

Vor dem M. Djamil-Krankenhaus warten Hunderte Verletzte in hastig aufgebauten Zelten auf Behandlung. Kinder weinen. Die meisten Menschen haben Knochenbrüche, Schürfwunden und Kopfverletzungen. Daneben versucht eine Frau, ihren toten Ehemann zu finden. "Sie haben ihn identifiziert", sagt Lina Widjaja. "Sie haben sein Handy in seiner Hosentasche gefunden."

In aller Welt haben sich Helferteams auf den Weg nach Sumatra gemacht. "Das am schlimmsten betroffene Gebiet liegt wohl 25 bis 55 Kilometer nordwestlich von Padang", sagt ein Rotkreuzler. "Es gibt jede Menge Erdrutsche in der Gegend. Der Blick aus der Luft täuscht oft: Man sieht zwar intakte Dächer, doch sind die Wände darunter oft eingestürzt." Dringend nötig seien Sanitäter, um die Verletzten zu versorgen. Quetschwunden müssten behandelt werden, damit sich keine Infektionen entwickeln.

Das Beben der Stärke 7,6 vom Mittwoch ist das schwerste in Indonesien seit Mai 2006. 2400 Menschen werden verletzt in Krankenhäusern behandelt, wie das Gesundheitsministerium mitteilt. Mehr als 20.000 Gebäude seien zerstört oder beschädigt. Allein in der 900.000-Einwohnerstadt Padang zerstörte oder beschädigte das erste schwere Erdbeben vom Mittwoch 500 Häuser, 376 Tote wurden hier bislang geborgen.

In der tropischen Hitze beginnen die Leichen zu verwesen. In den Moscheen werden Vorbereitungen für Massenbeisetzungen getroffen. Aus Angst vor weiteren Nachbeben haben Tausende Menschen die Nacht im Freien verbracht. Sie bauen sich mit Plastikplanen und Zelten notdürftige Unterstände. Viele kampieren auch im Flughafengebäude. Die Stromversorgung ist in weiten Teilen von Padang noch nicht wieder hergestellt.

US-Präsident Barack Obama sagt am Freitag Sumatra die volle Unterstützung seines Landes bei der Linderung von Not und Leid zu. Er nennt Indonesien ein "außergewöhnliches Land", das immer wieder von "außergewöhnlichen" Naturkatastrophen getroffen wird.

Er wisse, so Obama weiter, dass die indonesische Bevölkerung stark und widerstandsfähig sei und die Kraft besitze, diese enorme Herausforderung zu bewältigen. "Und sie müssen wissen, dass Amerika dabei ihr Freund und Partner ist." Vizepräsident Jusuf Kalla schätzt die Wiederaufbaukosten auf mehr als vier Billionen Rupien (285 Millionen Euro).

Bundespräsident Horst Köhler hat dem indonesischen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono in einem Schreiben seine "tief empfundene Anteilnahme" ausgedrückt. Kanzlerin Angela Merkel hatte dem indonesischen Staatsoberhaupt bereits am Donnerstag zwei Millionen Euro für Soforthilfe zur Verfügung gestellt.

Naturgewalten auch auf den Philippinen

Auf den von einem Erdbeben und Tsunami getroffenen Samoa-Inseln im Pazifik läuft unterdessen die internationale Hilfe an. Kolonnen von Militärfahrzeugen bringen den Einwohnern Lebensmittel, Medikamente und Trinkwasser nachdem am Freitag ein zweites Beben die Region erschüttert hat. Die Zahl der Toten ist auf den betroffenen drei Inseln Samoa, Amerikanisch-Samoa und Tonga inzwischen nach amtlichen Angaben auf 160 gestiegen.

Naturgewalten drohen auch den Philippinen: Der Taifun Parma bewegt sich auf die Nordostküste des Inselstaats zu - eine Woche nachdem Tropensturm Ketsana die schwersten Überschwemmungen seit 40 Jahren verursachte und fast 300 Menschenleben forderte. Das neue Unwetter erreicht Windgeschwindigkeiten von bis zu 195 Kilometern.

Nach Berechnungen der Meteorologen erreicht der Taifun am Samstag die Provinz Aurora. 32 Provinzen wurden in Alarmbereitschaft versetzt. Tausende Passagiere sitzen fest, weil die Behörden Fährverbindungen einstellen. Die Regierung hat vorsorglich den Notstand in den Provinzen der Insel Luzon verhängt, die wahrscheinlich in der Einfallschneise des Taifuns liegen wird.

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