Berlin:"Sie hat mir mitgeteilt, dass sie sterben will"

Lesezeit: 2 min

  • Vor einem Berliner Gericht wird die Frage verhandelt, ob ein Arzt den Tod eines Patienten zulassen darf, wenn dieser den Wunsch zu sterben formuliert hat.
  • Zwar ist die rechtliche Situation klar, doch die fragliche Tat spielte sich zwei Jahre vor der Gesetzesänderung ab.
  • Der Angeklagte ist sich keiner Schuld bewusst.

Von Hans Holzhaider, Berlin

Wenn ein Mensch bei klarem Verstand und aus nachvollziehbarem Grund beschließt, dass er sterben will - ist ein Arzt dann berechtigt oder sogar verpflichtet, gegen den erklärten Willen des Patienten eine lebensrettende Behandlung durchzuführen? Mit dieser Frage beschäftigt sich seit Donnerstag die 2. Strafkammer am Landgericht Berlin.

Angeklagt ist ein 68 Jahre alter Arzt, dessen 44-jährige Patientin eine tödliche Dosis des Wirkstoffs Phenobarbital eingenommen hatte - ein Medikament, das oft als Schlafmittel verordnet wird. Die Frau fiel in eine tiefe Bewusstlosigkeit, starb aber erst zwei Tage später. Während dieser Zeit begab sich der Arzt mehrmals in die Wohnung der Patientin, leitete aber keine Rettungsmaßnahmen ein. Nach dem Tod der Frau bescheinigte er auf dem Leichenschauschein eine "natürliche Todesursache". Die Staatsanwaltschaft wertet dieses Verhalten als Tötung auf Verlangen, begangen durch das Unterlassen einer lebensrettenden Behandlung.

Die Sache ist juristisch kompliziert. 2015 beschloss der Bundestag den Paragrafen 217 im Strafgesetzbuch, der die "geschäftsmäßige" Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe stellt. Der Fall, um den es hier geht, trug sich jedoch schon 2013 zu. Damals gab es aber die Vorschrift über die Patientenverfügung, in der geregelt ist, dass der Wille eines Patienten auch dann befolgt werden muss, wenn er nicht mehr bei Bewusstsein ist.

Per SMS über Suizid benachrichtigt

Bei dieser Sachlage hatte es eine andere Strafkammer des Landgerichts zunächst abgelehnt, die Anklage gegen den Arzt zuzulassen. Die Staatsanwaltschaft aber beharrte auf der Strafverfolgung, und das Kammergericht ordnete schließlich die Eröffnung des Hauptverfahrens an. Zur Begründung erklärte das Gericht, es bestehe der Verdacht, dass der Angeklagte den Tod der Patientin auch aktiv gefördert habe, indem er ihr ein Medikament injizierte, das den Brechreiz unterdrückt. Außerdem bestünden Zweifel, dass die Patientin sich tatsächlich aus freiem Willen zum Selbstmord entschlossen habe. Es gebe "vielfältige Hinweise auf eine psychische Erkrankung" der Frau.

Sterbehilfe
:Bundestag entscheidet über Leben und Tod

Sollen Ärzte beim Sterben helfen dürfen? Die Unsicherheit ist groß. Die Meinungen gehen im Bundestag so weit auseinander, dass es womöglich zu keiner Einigung kommt. Was zur Debatte steht.

Von Berit Uhlmann

"Für mich bestanden keine Zweifel, dass es sich um eine ernst gemeinte Entscheidung eines voll entscheidungsfähigen Menschen handelte", sagte der Arzt am ersten Prozesstag. Die Patientin habe seit vielen Jahren an einer sehr schmerzhaften Darmerkrankung gelitten, die sich trotz vielfältiger ärztlicher Bemühungen nicht besserte. "Sie hat mir deshalb mitgeteilt, dass sie sterben wolle. Diese Entscheidung habe ich als für mich verbindlich angesehen."

Die Patientin hatte ihn per SMS verständigt, nachdem sie 150 Tabletten des Schlafmittels eingenommen hatte. Auch das Medikament gegen den Brechreiz habe sie sich selbst injiziert, sagte der Arzt. Für ihn sei eindeutig gewesen, dass die Patientin sterben wollte. Nachdem sie alles dafür Erforderliche getan hatte, sei er nicht berechtigt gewesen, irgendetwas gegen den erklärten Willen seiner Patientin zu unternehmen. "Das hätte ich mit meinem Gewissen und mit meiner Auffassung von meinen Pflichten als Arzt nicht vereinbaren können."

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Sterbehilfe
:Töten ist nicht das Geschäft der Ärzte

Nach dem Bundestagsvotum ist es Ärzten nur schwer möglich, beim Suizid zu helfen. Zum Glück, denn die Argumente für diese Form der Sterbehilfe sind nicht stichhaltig.

Ein Gastkommentar von Thomas Pollmächer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: