Zehn Jahre "Tour de France":"Musik wie ein Orgasmus"

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Die "Tour de France", Münchens legendäre Franzosen-Party, feiert zehnjähriges Bestehen. Zum Jubiläum verrät DJ Thomas Bohnet die besten französischen Songs.

Beate Wild

Bei "Tour de France" denken die meisten Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit sofort an die dopinggebeutelte Fahrradtour aus dem Nachbarland. In München ist das etwas anders. Hier fällt einem bei "Tour de France", zumindest wenn man am Nachtleben der Stadt interessiert ist, auch Sophie Marceau, Flirten, Chansons und Tanzen auf Tuchfühlung ein. "La Boum" eben. Wer erinnert sich nicht gern an diesen Teenager-Liebesfilm aus den Achtzigern?

Serge Gainsbourg und Jane Birkin: Ihr Song "Je t`aime (moi non plus)" ist Sex pur. (Foto: Foto: dpa)

Jeden ersten Freitag im Monat treffen sich Exilfranzosen und Frankreichliebhaber im Muffatwerk, um die ganze Nacht mit französischer Musik zu feiern. Am Samstag begeht die Franzosen-Party nun ihr zehnjähriges Jubiläum.

Thomas Bohnet, Konzertveranstalter, Musikjournalist und DJ, hat die "Tour de France" im Jahr 2000 erfunden. Und der "Franzosen-Hype", wie Bohnet den Trend bezeichnet, scheint in München ungebrochen. Zu hören bekommt man fast das gesamte kommerzielle musikalische Repertoire Frankreichs geboten. Von Rock über HipHop und Reggae bis hin zu Popmusik - Hauptsache, die Texte sind französisch.

Dem Publikum gefällt das. Die Stimmung bei der "Tour de France" ist ansteckend. Bekannte Chansons werden lauthalt mitgesungen, es wird viel getanzt und man kommt schnell ins Gespräch mit anderen Gästen. Erstsemester, Erasmusstudenten, frankophile Münchner und Franzosen, die wegen ihres Jobs in München arbeiten - die Partybesucher sind gemischt, jede Altersstufe ist vertreten.

Da ist etwa Anne, eine 34-jährige Französin, die Anwältin ist und wegen einer Stelle beim Europäischen Patentamt nach München gezogen ist. "Ich komme regelmäßig zu diesen Partys, weil ich hier so viele Landsleute treffe", erzählt sie.

Die "Tour de France" sei für Exil-Franzosen das beste Mittel, um das hin und wieder auftretende Heimweh zu bekämpfen. Die Münchner kommen hingegen eher wegen des "exotischen Flairs", so bezeichnen das zumindest Christian und Heiko. Die beiden Studenten mögen die Musik der Party - und ganz besonders die Frauen, sprich die Französinnen.

Kein Wunder, denn die "Tour de France" ist ein idealer Ort, um neue Bekanntschaften zu machen. Ab und zu sieht man auch verliebte Paare knutschen. Das könnte natürlich auch an der Musik liegen, die Thomas Bohnet auflegt. "Serge Gainsbourg ist mein Gott", erzählt der DJ. "Mein Lieblingsstück ist immer noch 'Je t`aime (moi non plus)' in der Version mit seiner Ex-Gattin Jane Birkin. Ein in Noten gegossener Orgasmus!"

Aber auch andere Interpreten wie Françoise Hardy, Benjamin Biolay oder Mano Negra legt er gerne auf. Mittlerweile hat Bohnet auch schon das vierte "Le Tour"-Album herausgebracht. Die Compilations fassen die besten Songs seiner Partys zusammen. Und damit nicht genug. Nachdem die Party in München so erfolgreich ist, tourt Bohnet damit seit Jahren durch die Republik. Die Berliner etwa können in unregelmäßigen Abständen immer wieder mal zu seinen Franzosenhits tanzen.

Zur Jubiläumsparty am Freitag (7. Mai, ab 22 Uhr) gibt es nun eine große Sause. Auf dem Gelände des Muffatwerks sorgen fünf DJs auf drei Tanzflächen ( Muffathalle, Ampere und Muffat-Café) für französische Stimmung. Live tritt die Pariser Band Princes Chameaux und das Münchner Frauen-Duo Tuó auf.

Auf Seite 2 verrät DJ Thomas Bohnet die besten Franzosen-Hits.

"Tour de France" im Ampere
:Knutschen wie Romy und Alain

En français, s'il vous plaît: Im Ampere feiern Franzosen und frankophile Münchner zu vertrauter Musik - heiße Flirts nicht ausgeschlossen.

Rebecca Brielbeck

Thomas Bohnet, DJ und Erfinder der "Tour de France", hat zum zehnjährigen Jubiläum verraten, welches seine zehn französischen Lieblingshits beziehungsweise Lieblingsinterpreten sind:

Thomas Bohnet: Seit zehn Jahren veranstaltet der Musikjournalist und DJ die "Tour de France" in München. (Foto: Foto: oh)

01 Serge Gainsbourg: Alle Alben

Serge Gainsbourg ist mein Gott. Mein Lieblingsstück ist immer noch "Je t'aime (moi non plus)" in der Version mit seiner Ex-Gattin Jane Birkin. Ein in Noten gegossener Orgasmus. Unerreicht. Die im wahrsten Sinne des Wortes (und hier gebrauche ich ausnahmsweise mal diesen abgestandenen Begriff) "geilste" Nummer der Popgeschichte.

02 Françoise Hardy: Alle Alben

Ikone der französischen Popmusik, die in den Sechzigern auch hierzulande (mit teils haarsträubenden deutschen Versionen ihrer Hits) ein Star war. Das von Serge Gainsbourg geschriebene "Comment te dire adieu!" ist eines meiner Lieblingsstücke von ihr. Ich hatte die große Ehre, die Dame 1990 einmal in ihrer Pariser Wohnung für ein Schweizer Radio zu interviewen. Sie hatte sich damals aus der Musik zurückgezogen. Zu diesem Interview kam ich nur über diverse glückliche Fügungen. Die Hardy ist immer noch aktiv und mit der anderen Sechziger-Ikone Jacques Dutronc verheiratet. Auch Sohn Thomas Dutronc ist inzwischen ein bekannter Musiker.

03 Benjamin Biolay: Album "La Superbe"

Der junge glamouröse Star des Nouvelle Chanson, dessen angebliche Affäre mit Madame Carla Bruni-Sarkozy ihn auch in die Regenbogenpresse gebracht hat. Ich bin absoluter Fan des talentierten Komponisten. Sein Doppel-Album vom vergangenen Jahr "La Superbe" ist ein vielseitiges Meisterwerk, das einem auch verdeutlicht, warum er als Nachfolger von Gainsbourg gilt.

04 Louise Attaque: Album "Louise Attaque"

Das 1997 erschienene Album der Pariser Garagenband war damals der Hit in Frankreich. Die wilde Mischung aus Folk-Punk, Chanson und Rock, produziert vom US-Amerikaner Gordon Gano (Violent Femmes) verkaufte sich 400.000 Mal. Für eine Indie-Band damals eine fantastische Zahl. Der Single-Hit "J't'emmène au vent" ging sogar 2,5 Millionen Mal über die Verkaufstheken.

05 Mano Negra: Album "Puta's Fever"

Die ehemalige Band von Manu Chao war die Quintessenz der Pariser Alternativ-Szene der späten Achtziger und frühen Neunziger. Multi-Kulti-Punkrock, heute würde man Mestizo-Rock dazu sagen, mit Ausstrahlungen in alle Erdteile. Vor allem die lebendige südamerikanische Rockszene ist durch die Band von Manu Chao inspiriert worden. "Puta's Fever" war das zweite Album der Band aus dem Jahre 1989.

06 Les Rita Mitsouko: Album "Bestov"

Das legendäre Achtziger-Jahre-Duo Catherine Ringer und Fred Chichin war auch hierzulande mit Hits wie dem Latino-Rock-Song "Marcia Baila" oder der schnellen New-Wave-Nummer "C'est comme ça" bekannt. 2001 ist mit "Bestov" ein schönes Greatest-Hits-Album erschienen. Fred Chichin ist leider 2007 verstorben.

07 Dionysos: Album "La mécanique du coeur"

Frankreichs beste Liveband kommt aus dem kleinen Städtchen Valence. Die Indierockband um den charismatischen Sänger, Produzenten und Buchautoren Mathias Malzieu formierte sich 1993 auf dem Gymnasium. Mit ihrem vierten Album "Western sous la neige" gelang ihnen 2002 der Durchbruch. Das Konzeptalbum "La mécnaique du coeur" (2007) ist ihr Meisterwerk.

08 Nina Ferrer Song "Mirza"

Der Song "Mirza" enthält die unglaublichste Orgel der Rockgeschichte und ist mein Lieblingstitel aus den sechziger Jahren. Der 1998 verstorbene italienischstämmige Sänger Nino Ferrer hatte allerdings mit "Les cornichcons", "Oh!hé!hè! hein! Bon!" und "Téléfon" jede Menge weiterer Hits.

09 Noir Desir: Album "Tostaky"

Frankreichs beste Rockband kommt aus Bordeaux. Sie geriet in die Schlagzeilen, nachdem deren Sänger Bertrand Cantat 2003 seine damalige Freundin, die Schauspielerin Marie Trintingnant, erschlagen hatte. Nach einigen Jahren in Haft ist er inzwischen wieder frei. Angeblich arbeitet man an einem neuen Album. Das Album "Tostaky" von 1992 gilt als ihr Meisterwerk.

10 Various Artists: LeTour 1-4

In aller Bescheidenheit gebe ich hier nun noch meine eigenen vier Sampler mit jüngerem französichen Rock und Pop an. LeTour 5 wird im Sommer 2010 erscheinen. Auf allen Samplern ist eine gute Mischung aus jüngeren Veröffentlichungen. Bekannte Acts (Benjamin Biolay, Louise Attaque, Tryo, Renan Luce) stehen neben völlig unbekannten Bands. Die meisten der Tracks sind absolute Tanzflächenfüller bei den "Tour de France"-Partys.

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