Woody Allen in der Philharmonie:Da lachen die Hühner

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Der miserable Hobbyklarinettist Woody Allen tritt für eine üppige Gage in der Philharmonie auf - ein Schlag ins Gesicht für all die zehnmal besseren, unbekannten Jazzer.

Oliver Hochkeppel

Der Mann hat zumindest Sinn für Spannung. Das Licht ist schon eine ganze Weile erloschen in der Philharmonie, der Pianist mit ein paar Solotakten als Vorhut auf die Bühne geschickt, dann erst erscheint Woody Allen mit dem Rest seiner "New Orleans Jazz Band".

Tosender Jubel empfängt den bald 75-Jährigen, und wäre dies eine Filmpremiere oder eine Werkschau, dann wäre der Applaus auch völlig berechtigt: als Würdigung einer Ikone der Filmgeschichte und des vielleicht wichtigsten lebenden Repräsentanten des jüdischen Humors.

Doch Woody Allen ist ja als Klarinettist hier, und für jeden halbwegs bewanderten Jazzfreund erhebt sich schnell die Frage, warum auch nach der Begrüßung heftig geklatscht wird. Oder grundsätzlicher: Warum 2400 Menschen Karten im Hochpreissegment gekauft haben und die Philharmonie restlos füllen, für ein Ereignis, das man beim Frühschoppen in der Lochhamer Einkehr umsonst, aber hochwertiger haben könnte. Denn, und daran hat sich seit dem letzten München-Gastspiel vor sechs Jahren im Prinzregententheater nichts geändert: Woody Allen ist ein miserabler Musiker, seine Band eine mittelprächtige Laien-Combo.

Auch das tägliche Üben seit dem 15. Lebensjahr hat Allen keinen vernünftigen Klarinettenansatz verschafft, wovon auch das zerbissene Mundstück zeugt. Der atemtechnisch ungünstigen Haltung mit überkreuzten Beinen zum Trotz trifft er zwar leidlich Time und Noten, aber sein Ton ist quälend quäkend.

Eine Qual, die dadurch gesteigert wird, dass er jeden zweiten Klang in ein Stakkato zerhackt, das wie Hühnergegacker klingt. Kaum weniger enervierend sind das 90-minütige Banjo-Geschrubbe seines Bandleaders Eddy Davis und das Achtzehntel-Getrommel des Schlagzeugers. Das weitgehend mit dem vor sechs Jahren identische, extrem gut abgehangene Repertoire aus Stomps, Rags und Marches von "You Are My Sunshine" bis zum unvermeidlichen "St. Louis Blues" tut ein übriges.

Bezeichnenderweise hat Allen ja nie einen Soundtrack zu seinen Filmen selbst eingespielt, sondern lässt sich zumeist vom Klaviergenius Dick Hyman die Pretiosen des von ihm verehrten frühen Jazz aussuchen. Und er ist so ehrlich, seinen Auftritt als den Freizeitspaß zu deklarieren, der er ist. Eine sechsstellige Gage nimmt er dennoch, und das ist angesichts des Interesses der Leute, das wie eine modernen Variante mittelalterlicher Heiligenverehrung anmutet, völlig in Ordnung.

Was die Sache für Jazzliebhaber dann doch ärgerlich macht, ist, dass dieser Gesellschaftstermin, diese Parodie eines Jazzkonzerts, als "ultimativer Jazz-event der Saison" beworben wird - und das Publikum das anscheinend auch glaubt. Ein Schlag ins Gesicht für all die zehnmal besseren Jazzer, die für wenig Geld und vor ein paar Zuschauern spielen.

© SZ vom 22.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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