Unerwartete Kosten:Immer wieder Ärger um die Straßensteuer

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Gerhard Haisch soll für den Umbau des Schleichersteigs in Icking zahlen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Überall im Kreis bitten Kommunen die Bürger zur Kasse. Ein Ickinger soll etwa plötzlich fast 12 000 Euro zahlen. München hat die Gebühr längst abgeschafft.

Von Claudia Koestler, Icking

Dass Bürger bei der Straßensanierung mitzahlen müssen, ist in vielen Städten und Gemeinden üblich. Akzeptiert wird die Umlage deswegen noch lange nicht. So führt die Anwendung der Straßenausbaubeitragssatzung derzeit in mehreren Kommunen des Landkreises zu Unmut bei Anliegern. In Geretsried beschwerten sich jüngst Anlieger des Brucknerwegs über die Kosten, die auf sie zukommen: Von insgesamt 255000 Euro müssen sie 80 Prozent tragen, die Stadt nur 20 Prozent. Auch Wolfratshausen lässt die Bürger bis zu 80 Prozent zahlen. Das führe regelmäßig zu Widersprüchen der Betroffenen, wenn die Rechnungen kommen, gibt Bauamtsmitarbeiter Andreas Seibt zu. "Aber meistens sind die Widersprüche nicht standhaft", fügt er an. Bad Tölz lehnte es im vergangenen Sommer ab, ihre 15 Jahre alte Straßenausbausatzung abzuschaffen - auch, weil die Kommune dadurch erhebliche Einnahmen verzeichnet, allein im vergangenen Jahr rund 700000 Euro. Dass es auch anders geht zeigt das Beispiel München: Dort hat die Stadt die Gebühr vor einem Jahr abgeschafft.

In Icking kulminiert die Kritik an der Satzung bei den Anwohnern des Eichendorffwegs und Schleichersteigs, die eine Beteiligung für einen unzumutbaren Griff in ihren Geldbeutel halten. Durch Verdichtung und das Gefälle in der Topografie sind Teile der Gemeinde bei Starkregen immer wieder von Überschwemmungen und Wassermassen bedroht. Um den Bau eines Regenwasserkanals zu vermeiden, der einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag kosten würde, versucht die Gemeinde, dezentrale Lösungen zu eruieren und vereinzelt auch schon umzusetzen. Weil das Wasser immer wieder sturzbachartig durch die beiden Straßen rauschte, wurden sie vor fünf Jahren ausgebaut und mit Rigolen versehen.

Jetzt flatterten den Anwohnern die Rechnungen für den Ausbau ins Haus und die Empörung ist groß. Zum einen, weil die Abrechnung für Straßenbaubeiträge "aus heiterem Himmel" komme, wie Anwohner Gerhard Haisch sagt. Zwar habe Bürgermeisterin Margit Menrad (UBI) die Anlieger im Vorfeld der Ausbauarbeiten angeschrieben, dass mit ihnen im Rahmen eines Anhörungsverfahrens geeignete Maßnahmen zur Lösung der Probleme mit der Straßenentwässerung erörtert und kostengünstige Alternativen diskutiert würden. "Doch dabei blieb es mit der Beteiligung der Bürger", sagt Haisch. Obwohl die Straße über die Köpfe der Anwohner hinweg ausgebaut worden sei, würden sie nun zur Zahlung aufgefordert. Die Gesamtkosten von 240 000 Euro wurden aufgeteilt, Haisch soll rund 11 600 Euro übernehmen. Die gemeindliche Satzung von 2011 sieht eine Beteiligung von 70 Prozent vor. Inzwischen aber wurde sie geändert, nunmehr sind es 80 Prozent. "Nicht nur deshalb sind einige Anlieger sehr empört, ja zahlungsunwillig", sagt Haisch. Er selbst habe inzwischen einen Anwalt beauftragt. Obendrein hat er einen Brief an Landrat Josef Niedermaier geschrieben und seinen Unmut über das Prozedere und die Art der Abrechnung durch die Gemeinde Icking formuliert.

Zudem ärgert sich Haisch, dass im oberen Bereich des Eichendorffwegs in seinen Augen überhaupt keine Verbesserungen stattfanden. "Denen laufen nach wie vor die Starkregenwässer in die Grundstücke und Hauskeller", sagt der Architekt. Und noch eine Beobachtung sorge bei dem Anlieger für Unmut: Der 81-Jährige meint beobachtet zu haben, dass im Zuge des Ausbaus einem Anlieger die Einleitung seiner Dach- und Oberflächenwässer durch einen Abzweig ins Grundstück von Seiten der Gemeinde ermöglicht wurde. Nach der Ortssatzung muss allerdings jeder Grundstücksbesitzer die auf seinem Grund anfallenden Wässer auf eigenem Grund beseitigen. Eine Maßnahme, die nach dieser Satzung obendrein von der Gemeinde kontrolliert werden sollte. "Hat man da nicht den Bock zum Gärtner gemacht?", frage er sich.

Ickings Kämmerer Stefan Fischer winkt ab: "Das ist alles rechtlich völlig in Ordnung, wir haben ein reines Gewissen," entgegnet er auf Haischs Kritikpunkte. Der Ausbau besagter Straßen sei erst 2012 abgeschlossen gewesen, weil die Maßnahmen umfangreich und aufwendig gewesen seien. Die Kostenblöcke auseinanderzudividieren habe seine Zeit gebraucht. Es sei zudem üblich, dass als Grundlage der Berechnungen jene Satzungen herangezogen würden, die gelten, wenn die Maßnahmen abgeschlossen werden. 2012 habe nach Angaben von Fischer bereits jene Satzung gegolten, die noch immer gilt und die 80 Prozent Beteiligung vorsieht.

Dass, wie Haisch sagt, ein Anlieger Regenwasser einleite, statt es auf dem eigenen Grundstück versickern zu lassen, sei keine Extrawurst. "Es gibt durchaus immer wieder Vereinbarungen mit Anliegern, die einleiten dürfen, wenn es im speziellen Einzelfall die wirtschaftlichere Lösung ist und alles andere unverhältnismäßig wäre. In solchen Fällen regelt die Gemeinde es allerdings immer über Sondervereinbarungen und Kostenerstattungen - alles andere wäre ja verrückt und nicht rechtens", sagt Fischer.

Inzwischen habe die Rechtsaufsicht des Landratsamtes aufgrund des Schreibens von Haisch mit ihm Kontakt aufgenommen, bestätigt Fischer. Dabei sei der Gemeinde die Rechtmäßigkeit der Abrechnung bestätigt worden. Die Vertreterin der Rechtsaufsicht selbst konnte das wiederum nicht bestätigen, sie weilt derzeit im Urlaub. Fischer kann indes nachvollziehen, dass Straßensatzungen von den Bürgern grundsätzlich nicht gerne gesehen werden. "Aber oft wird immer nur auf die Kosten fokussiert, nicht auf den Nutzen", bedauert er: "Eine schöne Straße, ein guter Zuweg, das ist schließlich auch Wertschöpfung".

© SZ vom 08.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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