SZ-Adventskalender: Hilfe für integrativen Kindergarten:Aufblühen im Naturgarten

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80 Kinder besuchen den integrativen Kindergarten der Lebenshilfe. Doch Platz zur Entfaltung ist beschränkt.

Von Petra Schneider

Am liebsten würde Sandra (Namen der Kinder geändert) gleich raus in den Garten laufen, jetzt, wo der erste Schnee gefallen ist. Und wenn es dann noch einen kleinen Schlittenhügel geben würde - toll wäre das. Sie sitzt mit ihren Freundinnen in der gemütlichen Leseecke des Lebenshilfe-Kindergartens an der Bairawieser Straße, neben ihr die kleine Laura. Sie ist ständig in Bewegung, zappelt und sprudelt. Von einem Schlittenbergerl würde sie mit dem Bopo-Rutscher "ganz schnell runtersausen", sagt sie und springt gleich wieder vom Sofa auf.

80 Kinder zwischen drei und sechs Jahren besuchen zurzeit den integrativen Kindergarten: es gibt zwei Regelgruppen mit je 25 und zwei Integrationsgruppen mit je 15 Kindern. Insgesamt stehen an der Bairawieser Straße zehn heilpädagogische Plätze für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf, Entwicklungsverzögerungen oder Körperbehinderungen zur Verfügung.

Für sie alle soll ein neuer "Naturerlebnisspielraum" angelegt werden. Denn im Moment ist der Platz zum Spielen im Freien beschränkt; ein Drittel wurde abgetrennt und als Baustellenzufahrt für den Neubau der benachbarten Von-Rothmund-Schule zur Verfügung gestellt, die in diesem Schuljahr eröffnet wurde. Übrig ist eine Wiese mit einem Klettergerüst, Rutsche, Sandkiste, ein Nilpferd aus Stein. Im vergangenen Jahr hat der TÜV die Spielgeräte in Augenschein genommen und beanstandet, dass Holz- und Kunststoffteile marode sind. Vieles müsste neu angeschafft werden, also hat sich das Kindergartenteam zusammengesetzt und beschlossen, ein Gesamtkonzept für einen Naturerlebnisgarten zu entwickeln. Einen Platz, wo die Kinder Blumen anpflanzen, Käfer entdecken, auf Hügel klettern und sich in Büschen verstecken können. Hofmann erzählt begeistert vom "Feuereifer", mit dem auch die Kinder mit Ideen ans Werk gegangen seien. Der fünfjährige Florian zum Beispiel hat einen Tunnel aus Klorollen und ein Baumhaus aus Holzstöcken gebaut. Denn das fände er toll. "Da kann ich Pirat spielen."

Bewegung ist für behinderte Kinder genauso wichtig wie für nichtbehinderte. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Kindergartenteam hat die Lenggrieser Landschaftsplanerin Franziska Bauer ins Boot geholt, die die Wünsche der Kinder und die Ideen der Eltern in einen Entwurf gegossen hat. Nicht alles habe berücksichtigt werden können, sagt Hofmann. Ein Wasserlauf zum Beispiel, von den Kindern sehr gewünscht, sei aus hygienischen Gründen nicht möglich. Auch eine Drachenschaukel musste aus Kostengründen gestrichen werden. "Es fehlt wie überall am Geld", sagt die Leiterin. Der Erlös aus dem Weihnachtsbasar soll für das Projekt verwendet werden, von der Stadt erhofft man sich einen Zuschuss - und viele Spenden, damit der Naturgarten vielleicht schon im Sommer blühen kann.

Der gemeinschaftlich erarbeitete Plan sieht eine Landschaft mit verschiedenen Ebenen vor: Zwei Hügel, Büsche, Sandkästen, ein Tipi aus Stoff, Nestschaukel und Hangrutsche, ein Seilgarten und ein Haus auf Stelzen. Hochbeete zum Bepflanzen, ein "Naschbereich" mit Obstbaum und Stauden sind eingezeichnet, eine Wiese zum Fußballspielen und ein Schlittenbergerl. Auf einer befestigten Fahrzeugstrecke sollen Dreiräder und Bobby Cars genauso fahren können wie Kinder mit Rollstuhl oder Gehilfe. Bewegung im Freien sei für alle Kinder wichtig, erklärt Hofmann, besonders aber für hyperaktive. Und ein naturnaher Garten mit Rückzugsmöglichkeiten in Büschen oder Hügeln komme Kindern entgegen, die Probleme haben, sich zu konzentrieren. "Dort könne sie zur Ruhe kommen und das Drumherum besser ausblenden." Auf einer planen Wiese, auf der Trubel an diversen Spielgeräten herrsche, sei das schwieriger.

Am integrativen Kindergarten der Lebenshilfe an der Bairawieser Straße soll ein neuer "Naturerlebnisspielraum" angelegt werden. Die Planungen wurden gemeinsam erarbeitet. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Kindergarten legt Wert auf feste Strukturen und Abläufe, weil das Sicherheit gebe und besonders für Integrationskinder wichtig sei, erklärt Hofmann, die seit zehn Jahren in der Einrichtung arbeitet und vor zwei Jahren die Leitung übernommen hat. Die Integrationsgruppen sind kleiner und werden von drei Fachkräften betreut. Einmal wöchentlich gibt es Einzel- oder Gruppenförderung von einem Psychologen oder einer Heilpädagogin. Wie in allen Lebenshilfe-Einrichtungen gilt der Grundsatz: "Es ist normal verschieden zu sein." "Für unsere Kinder wird es mit der Zeit selbstverständlich, dass nicht jeder alles gleich gut kann", sagt Hofmann. Die Kinder erlebten von Anfang an, dass manche sich schwer tun, im Morgenkreis Dinge zu formulieren, beim Anziehen länger brauchen oder die Brotzeitdose nicht alleine aufmachen können. Das fördere bei den anderen Kompetenzen wie Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und Verantwortung. Kinder gingen mit Unterschieden ganz unverkrampft um, sagt Hofmann, Hemmschwellen würden abgebaut. Wenn ein Kind mit autistischen Zügen plötzlich Worte ausspreche - "dann ist bei allen die Freude groß."

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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