Staffelalm:Mit Franz Marc in der guten Stube

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Der Expressionist hat zwei Werke hinterlassen, die einer der Gründe sind, warum Wanderer sich auf den Weg zum Rabenkopf machen. Kas, Speck und die Lage sind die anderen.

Von Lisa Fey, Jachenau

Barfuß, im grünen Dirndl mit rosa-farbener Schürze und aufwendiger Flechtfrisur steht Britta Purzer in ihrem Wohnzimmer auf der Staffelalm. Wo die 35-Jährige sonst nach einem langen Arbeitstag entspannt, haben sich an diesem Sonntag acht Wanderer versammelt. Sie wollen der Sennerin zuhören, die gleich über zwei sehr bekannte Bilder in ihrer Stube erzählen wird. Franz Marc hat sie vor mehr als hundert Jahren direkt auf die Wand der Alm gemalt.

Am vergangenen Sonntag fand der EU-weite Tag des offenen Denkmals statt. Auch im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen sowie in Penzberg und Schäftlarn öffneten Denkmäler ihre Türen. Die Staffelalm am Rabenkopf beteiligte sich ebenfalls und gewährte ihren Besucher einen Blick auf die beiden erhaltenen Bilder des expressionistischen Künstlers und Mitglieds des Blauen Reiters.

Viele Wege führen die Wanderer wie einst auch Franz Marc selbst zur Staffelalm. Als einer der eindrucksvollsten gilt der Aufstieg vom Parkplatz in Jachenau aus. Von 790 Höhenmetern startet man auf einem schön angelegten Weg, überquert auf einer stabilen Brücke zuerst die Kleine Laine und dann das kristallklare Wasser der Großen Laine. Bis zur Mündung in die Rappinschlucht führt eine Talstraße. Für Schwindelfreie empfiehlt sich der Weg, der links über den Bach und in die Rappinschlucht verläuft. Zwar erfordert der schmale Pfad an der Felswand entlang Trittsicherheit, jedoch bietet er einen herrlichen Blick auf die immer kleiner erscheinende Große Laine. Je nach Geschwindigkeit erreicht man die Staffelalm auf 1321 Metern nach anderthalb bis zwei Stunden. Dort erwartet hungrige Wanderer ein "G'mischtes Brettl" aus frischem, selbstgebackenen Sauerteigbrot aus dem Holzofen mit Kas und Speck. Dazu gibt's Gürkchen und rote Paprika. Kas und Speck erhält die Sennerin von ihrem Almbauern Sepp Orterer. Zum Nachtisch bietet die Alm ebenfalls Selbstgebackenes wie Kirsch-Nuss- oder Apfelkuchen.

Sennerin Britta Purzer begrüßt ihre Gäste auf der Alm. (Foto: Lisa Fey)

Die Sennerin ist den dritten Sommer von Juli bis Oktober auf der Alm. Ihr Arbeitstag beginne gegen sechs Uhr in der Früh, erzählt sie. Bei jedem Wetter suche, zähle und pflege sie ihre 28 Kühe und Ochsen: "Sonst würden die verwildern." Sie habe nur Jungvieh, ein halbes Jahr alt seien die jüngsten Rinder, zweieinhalb die ältesten. Die Sennerin ist studierte Wirtschaftsprüferin, über Franz Marc habe sie zu Beginn nur wenig gewusst. Es gehe "wirklich um die Viecher", sagt Purzer. "Den Rest muss man sich halt aneignen." Das hat sie getan. Anschaulich erzählt sie, wie Franz Marc Anfang des 20. Jahrhunderts mehrere Sommer auf der Alm verbrachte und sich von der Landschaft zum Malen inspirieren ließ.

Eines der beiden Bilder, für welche die Staffelalm berühmt ist, das Fresko eines Hirschen mit Hirschkuh, befindet sich an einer unüblichen Stelle der Wand: vor der Kellerluke, fast auf Kniehöhe. Für die Sennerin ist noch etwas auffallend: Der Hirsch läuft vor der Kuh, das sei "die Fantasie eines Kunststudenten", erklärt Purzer - normalerweise sei es andersrum.

Trotzdem habe sie immer das Motto ihres Almbauern im Kopf: "Viecher first!" Wenn die Suche nach einem Kalb länger dauere, "gibt es auch kein Speckbrot", versichert Purzer. Ihren "Mädels" habe sie Namen wie Wuschl oder Zwick und Zwack gegeben. Beim Abtrieb im Oktober müsse sie nur vorangehen, die Kühe akzeptierten sie als Anführerin, sagt sie. Es sei ein anstrengender, aber schöner Job auf der Alm: "Jeder Tag is a Erlebnis."

Ländliche Idylle mit Bergpanorama: Die Staffelalm. (Foto: Lisa Fey)

Das Wetter schwingt um. Die Sonne verschwindet zwischen Quellwolken, welche sich bereits vom frühen Morgen an in der Ferne abzeichneten. Einige Wanderer, darunter Familien mit Kindern, brechen zum raschen Abstieg auf. Rosi Berger und Ingrid Frimel jedoch sitzen entspannt bei einem Kasbrot und einer leichten Weißen unter dem Vordach der Staffelalm. "Das ist nur ein kurzer Schauer", versichern sie. Die beiden Frauen, 52 und 68 Jahre alt, waren schon oft auf der Staffelalm: "Bestimmt zehnmal." Sie haben bereits verschiedene Anstiege gewagt, von Pessenbach oder Kochel am See. An diesem Sonntag sind sie von der Jachenau aus über die Kocheler Alm zur Staffelalm gewandert: "So schee", sagt Berger. Frimel nickt.

Beide verbindet die Liebe zu Franz Marc und seiner Kunst: "Wir sind absolute Franz-Marc-Fans", sagt Berger. Sie besuchen das Museum in Kochel am See und jede Sonderausstellung, erklärt Frimel. Heuer seien sie anlässlich des Denkmaltags gekommen, um die Fresken im Original zu begutachten. Vergangenes Jahr habe sie das Kloster Benediktbeuern und den Meierhof besucht, sagt Frimel. Die beiden Frauen wollen auch einmal zum Walchenseekraftwerk. "Das soll sehr beliebt sein", sagt Berger.

Den Stierkopf hat Franz Marc direkt auf die Wand gemalt. (Foto: Neubauer)

Wer sich die Zeit für den Abstieg über den dreistündigen Rundweg nimmt, der wandert über die Achalaalm und die Petereralm. Vom Lainl-Wasserfall aus führt der Weg über die Lainlalm wieder auf die Talstraße zurück zum Parkplatz Jachenau. Das ist freilich nichts für die Sennerin und ihr Vieh - sie nehmen im Oktober den einfacheren Weg direkt über die Talstraße.

© SZ vom 13.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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