Wolfratshausen:Warum der Campingplatz boomt, aber das Gasthaus zugesperrt wird

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Nur noch für Campinggäste: In dem urigen Holzhaus hat Michael Kramer lange ein Gasthaus betrieben, nun beherbergt es die Rezeption. (Foto: Manfred Neubauer)

Das beliebte "Anno 72" am Badweiher schließt. Betreiber Michael Kramer will sich lieber auf seinen Campingplatz konzentrieren.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Es war ein leiser, aber ein definitiver Abschied aus der Gastronomielandschaft in Wolfratshausen: Das "Anno 72" am Campingplatz in der Badstraße gibt es nicht mehr. Zumindest nicht als öffentliches Gasthaus. Fortan will der Betreiber Michael Kramer dort nur noch gelegentlich für Campinggäste Essen zubereiten. Vor der kleinen Holzhütte weist eine Tafel darauf hin, dass der öffentliche Betrieb eingestellt ist. "Ich will mich voll und ganz auf den Campingplatz konzentrieren", sagt Kramer.

Der 44-Jährige sitzt am Montag zwischen dem Gasthaus und dem Campingplatz in der Sonne, Baseballkappe auf dem Kopf, Sandalen an den Füßen. Nachdem er einem Camperpaar beschrieben hat, wie man zum Walchensee fährt, erklärt er, wie es zu seiner Entscheidung kam: Am 20. August ging er mit seiner Mannschaft in Betriebsurlaub, der auf zehn Tage angesetzt war. Dann aber reifte in ihm ein länger gehegter Gedanke zu einem Entschluss: die Gaststätte zu schließen. "Eigentlich wollten wir noch die ganze Saison bis zum 16. Oktober mitnehmen", sagt er. "Aber dann habe ich Nägel mit Köpfen gemacht."

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Den Campingplatz hat Kramer vor fast 20 Jahren übernommen, 1997 unterschrieb er seinen ersten Pachtvertrag mit der Stadt, im Alter von 24 Jahren. Zu dem Gelände, das er von Martin Mehringer übernommen hatte, gehörte auch das damalige "Campingstüberl" in der Holzhütte. Die hat in Wolfratshausen eine lange Geschichte: Schon vor mehr als 100 Jahren stand sie am Loisacher Wehr, 1928 wurde sie abgetragen und am so genannten Badweiher wieder aufgebaut. Der war damals ein beliebter Treffpunkt der Wolfratshauser. Nach dem Krieg sollen amerikanische Soldaten in der Hütte Boxkämpfe ausgetragen haben. Später kamen die Urlauber. Kramer machte aus dem "Campingstüberl" die "Haxnalm", die bei Campern und Einheimischen schnell beliebt wurde. Die Schweinshaxen blieben bis zuletzt auf der Karte, als er die Wirtschaft schon längst nach seinem Geburtsjahr "Anno 72" getauft hatte. Das Gasthaus hatte von April bis Dezember geöffnet, mit Ruhetagen am Montag und am Dienstag. 14 Mitarbeiter hatte Kramer, die meisten saisonale Aushilfen, aber auch Festangestellte. Vier Mitarbeiter hat er behalten. Zwar habe sich das Gasthaus im Großen und Ganzen getragen, betont Kramer. Aber zuletzt sei es schwieriger geworden. Das Lokal sei öfters "vom Campingplatz gesponsert" worden. "Es gab Monate mit klarem Minus, die man im Sommer wieder aufholen musste." Hinzu kam der "Spagat zwischen zwei Betrieben", wie Kramer erklärt: Als der Gasthof an Wochentagen um 17 Uhr öffnete, war er schon seit 8 Uhr auf den Beinen, um sich um den Campingplatz und seine Gäste zu kümmern. "Ich bin definitiv die letzten Jahre an meine Grenzen gekommen."

Der Entschluss fiel auch, weil sich die Situation des Campingplatzes deutlich gebessert hat: Noch vor ein paar Jahren, erzählt Kramer, sei der Betrieb wegen der schlechten Sanitäranlagen "fast zusammengebrochen". Im Frühjahr 2015 konnte sie Kramer dann sanieren, mit 120 000 Euro Zuschuss der Stadt. "Das hat man in der darauffolgenden Saison sofort gemerkt", berichtet er. Bei Campern, sagt Kramer, funktioniere die Mund-zu-Mund-Propaganda. Hinzu komme, dass der Urlaub im eigenen Land allgemein auf dem Vormarsch sei, was sich in den Buchungen bemerkbar mache. Dass er den Gasthof nach den Ferien nicht wieder aufgemacht habe, hänge auch mit der nun beginnenden Wiesnzeit zusammen, in der der Campingplatz fast ausgebucht sei.

Aus der Bar in der Holzhütte ist eine Rezeption geworden. Die Zapfanlage hat Kramer abmontiert und stattdessen seinen Laptop hinter dem Tresen aufgebaut. Dort können die Gäste auch Zahnbürsten kaufen oder eine Box mit Geschirr leihen. Für die Selbstversorgung hat Kramer eine überdachte Kochstation aus einer alten Kutsche gebaut, mit Kochplatten, Toaster und Mikrowelle. Die Gäste, zu denen auch 15 Dauercamper gehören, haben nun auch mehr Platz: Im einstigen Biergarten gibt es überdachte Tische. "Wir sind ein kleiner Campingplatz", sagt Kramer. "Da braucht man Alleinstellungsmerkmale."

Der gelernte Koch und Restaurantfachmann bezeichnet sich als "Gastronom mit Leib und Seele". Deshalb will er auch weiterhin kochen - allerdings nur für Campinggäste, "und nur, wenn ich Lust habe." Vor dem "Anno 72" hat Kramer eine Außenküche aufgebaut, mit einem riesigen Schwenkrost an einer Kette. Dort soll es künftig Gulasch im Kupferkessel oder Spareribs geben. In der Küche will er Frühstück und gelegentlich einen Schweinsbraten zubereiten. Campinggäste, weiß Kramer, wollten ohnehin keine 30 verschiedenen Speisen auf der Karte. "Lieber ein Gericht, mit Liebe zum Detail vorbereitet."

© SZ vom 13.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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