Schäftlarn/Baierbrunn:So umfahren Sie die Vollsperrung der B11

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Von 17. Mai an ist die Bundestraße ein halbes Jahr zur Sanierung gesperrt. Pendler und Ausflügler müssen weite Umwege in Kauf nehmen.

Von Michael Morosow, Schäftlarn/Baierbrunn

Pendler müssen sich auf lange Umwege und Staus einstellen, Wirte, Bäcker, Hoteliers und Gewerbetreibende rechnen mit empfindlichen Umsatzrückgängen, Eltern von Schulkindern gehen auf die Barrikaden, und der Pfarrer weiß nicht, wie er sonntags zum Gottesdienst kommen soll: In den Gemeinden Schäftlarn und Baierbrunn bereitet man sich auf den Ausnahmezustand vor. Die Sperrung der Bundesstraße B 11 zwischen Hohenschäftlarn und Baierbrunn von Dienstag, 17. Mai, bis Freitag, 11. November, wegen Sanierungsarbeiten wird beide Orte auf eine harte Bewährungsprobe stellen. Je näher der Tag rückt, da Arbeiter im Auftrag des Staatlichen Bauamts Freising Umleitungsschilder aufstellen und damit die Gemeinde zu einem Nadelöhr machen, desto vernehmlicher werden auch die Proteste.

Täglich kämen Bürger ins Rathaus mit ihren Beschwerden, berichtet die Baierbrunner Bürgermeisterin Barbara Angermaier. Sie selbst sagt ein Chaos im Pendlerverkehr voraus, vor allem am Grünwalder Berg, wo sich zu Stoßzeiten jetzt schon Blechlawinen bilden. Wenigstens in einem Punkt kann Angermaier Entwarnung geben: "Der Aldi im Ort bleibt geöffnet", sagt die Bürgermeisterin, die nach Gerüchten über eine Schließung des Discounters während der Straßensperrung bei Aldi Süd nachgefragt hat. Die Versorgung der Baierbrunner mit dem Notwendigsten ist auch durch die örtlichen Läden gewährleistet, deren Betreiber allerdings für ein halbes Jahr auf das Geschäft durch Laufkundschaft verzichten müssen. Dieses Geschäft ist für sie seit jeher ein wichtiges Standbein, sind doch täglich etwa 11 000 Fahrzeuge auf der B 11 in beiden Richtungen unterwegs.

SZ-Grafik (Foto: umleitung)

"Ich bin ratlos, was soll ich tun?", sagt Roman Schmoll, der mit seiner Lebensgefährtin Martina Kurucowa den Gasthof zur Post übernommen hat und noch im Mai öffnen will. Den Pachtvertrag habe man vor vier Wochen unterschrieben und am gleichen Tag von der halbjährigen Straßensperrung erfahren. "Wenn wir vorher davon gewusst hätten, hätten wir die Finger davon gelassen", sagt Schmoll. Zwar müsse er in den ersten beiden Monaten keine Pacht bezahlen, aber das Hauptgeschäft im Sommer werde wohl deutlich leiden. "Das werden sechs harte Monate", glaubt Martina Kurucowa. Umsatzeinbußen befürchtet auch Vito Troyli vom Hotel Schlee mit dem Restaurant Il Brigante in Schäftlarn, der viel Kundschaft aus dem Münchner Süden hat. So wie ihm geht es auch den Inhabern des Hotels Klostermaier in Icking, wo sonst viele Geschäftskunden der Firmen logieren, die in Baierbrunn, Pullach und Höllriegelskreuth ansässig sind.

Ob er während der Bauphase kleinere Brötchen backen muss, weiß Ludwig Schmid, Inhaber der Bäckerei und Konditorei "Schmid-Bäck" im Ortszentrum, noch nicht. Das liege daran, dass er seinen Laden erst im Februar dieses Jahres eröffnet habe. Deshalb könne er noch nicht einschätzen, wie hoch der Anteil der Laufkundschaft ist, sagt der Geschäftsmann aus Geretsried. Als er im Februar den Laden eröffnet hat, habe er nichts von der anstehenden Sperrung gewusst. "Unter Umständen kaufen Leute, die dazu bisher nach Schäftlarn oder in Richtung Norden gefahren sind, nun mehr im Ort ein", hofft Schmid. Dass Leute aus Icking durch die Sperrung ein halbes Jahr einen Dreiviertelkreis bis nach Baierbrunn ausfahren müssten, finde er schon alleine aus ökologischer Sicht "nicht prickelnd". Große Bauchschmerzen wegen möglicher Umsatzeinbußen habe er aber nicht. Sorgen mache er sich nur wegen der Warenanlieferung, denn gebacken wird in Geretsried.

Von einer "unzumutbaren Fehlplanung" sprechen Alexandra Eckert und Peter Amann, deren Tochter auf das Gymnasium Icking geht, wohin sie nunmehr statt fünf Minuten eine Dreiviertelstunde unterwegs sein werden - auf dem Umweg über die Grünwalder Brücke. Im Namen weiterer Baierbrunner Eltern haben sie ihren Unmut schriftlich an das Straßenbauamt Freising und die Gemeinden Baierbrunn und Schäftlarn geschickt. "Dort wird auf die gefallene Entscheidung verwiesen und keinerlei Lösung angeboten", heißt es in einem Leserbrief. Die Kinder müssten auch mal mit dem Auto von der Schule, von Freunden oder Freizeitaktivitäten, etwa Theaterproben, abgeholt werden. Denn insbesondere abends könne man kleinere Kinder nicht allein S-Bahn fahren lassen.

Selbst sein guter Draht nach oben hilft Pfarrer Peter J. Vogelsang nun wenig. Sein Problem: Er muss sonntags Gottesdienste um 9 Uhr in Hohenschäftlarn und um 11.30 Uhr in Baierbrunn halten. Aber sowohl über die Autobahn als auch über Herterichstraße dauert die Autofahrt von einer zur anderen Kirche eine halbe Stunde länger als gewöhnlich. "Dann komm' ich zu spät", sagt der Geistliche. "Im schlimmsten Fall setze ich mich auf mein Fahrrad und komme verdreckt und verschwitzt an."

Nur durch Zufall hat auch Thomas Franz, Inhaber des Autosalons Isartal, von der Straßensperrung erfahren, von einem Bauarbeiter. Was ihn überaus erbost. Von der Gemeinde habe er nichts gehört. "Die Hälfte der Hauptschlagader wird abgetrennt", beschreibt der Autohändler bildhaft die Sperrung der Bundesstraße. Auch wenn er nicht nur auf Laufkundschaft baue, rechne er mit erheblichen Umsatzeinbußen - und mit nervigen Umständen für sich und seine Mitarbeiter. Jene, die in Starnberg wohnen, müssten nun über Fürstenried nach Baierbrunn fahren, hätten also den dreifachen Weg. Geschäftlich stehe er mit Schäftlarn und Ebenhausen sowie mit der Zulassungsstelle in Starnberg in Verbindung. Auch ein Teil seiner Kundschaft komme aus diesem Raum. Außerdem habe sein Autohaus ein Monats-Abo bei der Shell-Tankstelle in Schäftlarn. "Wie das jetzt funktionieren soll, frag' ich mich", sagt Thomas Franz. Als jemand, der mit der Schäftlarner Tankstelle Geschäfte machen will, gilt Franz allerdings als Anlieger. Und die haben nach Auskunft des Staatlichen Bauamts auch während der Bauzeit Zufahrt zu den Betrieben.

Stuhlflechter Bernhard Adolph musste sich erst einmal hinsetzen, als er von der Sperrung der Bundesstraße erfuhr. "Da hat mich der Schlag getroffen", sagt der Mönchengladbacher. Seit acht Jahren steht er mit einem Wohnwagen auf einer Wiese am Ortseingang und bietet geflochtene Stühle, Körbe, Gartenmöbel und Reparaturarbeiten an. Nun muss er sich schnell nach einem neuen Standort umsehen. Denn seine Waren verkauft er zu 90 Prozent an Laufkundschaft. "Wenn die Straße tot ist, was soll ich dann hier?", sagt er.

"Wir sind die letzte Station vor der Absperrung", sagt Martina Nißl vom Hotel Strobl. Wenn ein halbes Jahr Ausflügler und Urlauber nur noch auf Umwegen nach Baierbrunn gelangen können, wird an den Wochenenden wohl keiner mehr Station machen bei ihr. Aber unter der Woche seien Stammgäste von den nahen Pullacher Unternehmen Sixt und Linde einquartiert. Martina Nißl nennt ein weiteres Ärgernis, das mit der Straßensperrung einhergeht: "Wir brauchen den ganzen Sommer über erst gar nicht in die Berge fahren, nach Salzburg, Mittenwald oder Garmisch, und auch den Badeausflug zum Starnberger See können wir und unsere Kinder uns sparen", sagt die Mutter eines Grundschülers. Für die Fahrt nach Starnberg rechnet sie nun statt 15 Minuten eine ganze Stunde. "Das ist eine Zumutung", sagt sie.

© SZ vom 10.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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