Reichersbeuern/Taufkirchen:Bewährtes Provisorium

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In Reichersbeuern soll die erste Traglufthalle im Landkreis zur Unterbringung von Asylbewerbern entstehen. Andernorts hat sich diese Art der Unterkunft als geeignet herausgestellt. Kritik kommt allerdings von der Caritas

Von Alexandra Vecchiato und Martin Mühlfenzl, Reichersbeuern/Taufkirchen

Vor Kurzem hat der Gemeinderat Reichersbeuern zugestimmt, dass der Landkreis auf dem Gelände des alten Schießplatzes an der Bundesstraße 13 eine Halle für Flüchtlinge errichten darf. Ob dort eine Traglufthalle nach dem Berliner Modell oder eine Halle in anderer Bauweise errichtet wird, entscheidet sich noch. Es wäre die erste Traglufthalle im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Anderswo haben sich diese Asyl-Unterkünfte bereits bewährt.

Das Berliner Modell hat sich längst auch zu einem Münchner Modell entwickelt. Genau genommen zu einem Projekt des Landkreises München. In der Bundeshauptstadt kamen die Verantwortlichen im zuständigen Landesamt schon im vergangenen Jahr auf die Idee, Flüchtlinge vorübergehend in Traglufthallen unterzubringen - die zwei Hallen in Berlin-Moabit haben sich mittlerweile zu dauerhaften Einrichtungen entwickelt. Das freilich plant der Landkreis München mit seinen Traglufthallen in Taufkirchen, der ersten, und Neubiberg, der zweiten, nicht; beide Unterkünfte besitzen eine Betriebserlaubnis für jeweils ein Jahr. In Reichersbeuern wird die Nutzung auf zwei Jahre befristet.

Der bevölkerungsreichste Landkreis des Freistaats hat das Berliner Modell übernommen, um dem enormen Flüchtlingsstrom Herr zu werden. "Und die Entscheidung, auf solche Hallen zu setzen, war und ist richtig", sagt Landrat Christoph Göbel (CSU). Schließlich habe seine Behörde die Prognose für die zu erwartenden Flüchtlinge vor zwei Wochen von etwa 3500 auf 5300 Menschen korrigieren müssen. Anfang September sprach Göbel gar von 6000 Schutzsuchenden, die der Landkreis München bis Jahresende wird unterbringen müssen.

Das geht nur mit kreativen Ansätzen. Daher sieht der momentane Plan des Landratsamtes die Errichtung von fünf weiteren Traglufthallen als provisorische Unterkünfte mit einer Kapazität von jeweils maximal 300 Personen vor - diese sollen noch vor Wintereinbruch bezugsfertig sein. Auch das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen hofft, die Halle auf dem alten Schießplatz, dem künftigen Gewerbegebiet Am Kranzer, noch vor dem Winter aufstellen zu können. Gemeinderat Andreas Melf hatte sich in Taufkirchen informiert, wie eine solche Traglufthalle in Betrieb aussieht.

In Taufkirchen und Neubiberg wurde deutlich, dass das Berliner Modell gar nicht so einfach umzusetzen ist. In Taufkirchen orientierte sich die zuständige Baufirma Paranet penibel an den Vorgaben von Moabit; allerdings stellte sich schnell heraus, dass der für Berlin verantwortliche TÜV Rheinland andere Maßstäbe ansetzt als der für Bayern zuständige TÜV Süd. Nachrüstungen etwa bei der Beleuchtung hatten mehrere Wochen Verzögerung zur Folge - wie auch in Neubiberg. Dort musste Paranet beim Brandschutz massiv nachrüsten.

Eine Traglufthalle nimmt eine Fläche von 72 auf 36 Meter ein und erreicht eine maximale Höhe von neun Metern. Geschlafen wird in separaten Einheiten mit jeweils sechs Betten, Kinder haben einen Spielbereich, auch eine kleine Krankenstation steht zur Verfügung. Die Hallen sind klimatisiert. Es gibt fünf WC- und sechs Duschcontainer, getrennt nach Geschlechtern. Abgetrennte Bereiche etwa für Schwangere oder stillende Mütter gebe es jedoch nicht, kritisiert die Caritas im Landkreis München. Auch der mit einer Schleuse versehene Eingangsbereich sei entwürdigend, die Bewohner würden jedes Mal, wenn sie in ihren Wohnbereich wollen, kontrolliert. Und der Lärmpegel in einer voll besetzten Halle sei enorm, moniert die Caritas. Aber auch die Hitze machte den Flüchtlingen in diesem Sommer enorm zu schaffen. Nun steht der Winter vor der Tür, und viele fragen nach der Belastung bei schweren Schneefällen. Das Landratsamt München gibt an diesem Punkt Entwarnung: Wenn es heftig schneie, würden der Druck und die Temperatur in der Halle erhöht, damit die Schneelast abschmelzen könne.

© SZ vom 11.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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