Wolfratshausen:Alle für einen!

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Der König (Jonathan Husenbeth) stottert, die Königin (Eileen Susemihl) hat eine ausgeprägte Rechtschreibschwäche. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Max-Rill-Theatergruppe brilliert mit ihrer Interpretation des Klassikers "Die drei Musketiere"

Von Stephanie Schwaderer, Reichersbeuern

Reichersbeuern - Es gibt Schülertheater, da lesen die Spieler ihre Texte vom Handy ab, und alle sind heilfroh, wenn die Qual vorbei ist. Im Schlosshof der Max-Rill-Schule beginnt die Vorstellung mit einem Kuss - und vom ersten Moment an springt die Leidenschaft aufs Publikum über. D'Artagnan, der junge Gascogner, verlässt seine Freundin: Weil er endlich erwachsen werden will! Weil er nach Paris muss! Wo die Mädchen nicht nach Kuhmist, sondern nach Parfum riechen. Seine Lebenslust, seine Ungeduld sind ebenso überzeugend wie die Verzweiflung seiner schönen Elise. Wer sich nicht vorstellen kann, dass sich "Die drei Musketiere" von Alexandre Dumas als Stoff für ein Schülertheater eignen, der sollte dringend nach Reichersbeuern fahren.

Die Spielfreude quillt förmlich aus allen Ecken und Enden des verwunschenen Schlosshöfchens, in dem gerade einmal 15 Bierbänke für die Zuschauer Platz finden: Aus der Küche und vom Balkon, zum einen Tor herein und zum anderen hinaus wird geliebt, gekämpft, intrigiert, deklamiert, geweint, gelacht - und zum Schluss gejubelt, während die Schwalben über die Dächer flitzen. Die Bühne hat David Rid, ein ehemaliger Max-Rill-Schüler, geschickt in die perfekte Kulisse eingebettet. Ein Holzthron, ein Banner, ein Bett, mehr Requisiten braucht es nicht. Der Rest ist Spiel und Phantasie.

Nikolaus Frei ist es gelungen, eine Textfassung zu schreiben, die nah am Original, aber auch nah an der Welt der Jugendlichen ist. Die drei Musketiere (Christian Wolf, Lenny Markwort und Bogdan Gnatenko) frotzeln wie drei Halbstarke auf dem Schulhof herum. Der König (Jonathan Husenbeth) stottert und die Königin (Eileen Susemihl) hat eine ausgeprägte Rechtschreibschwäche, eigentlich aber ganz andere Probleme: "Ich bin jung! Ich brauche einen Mann! Ich möchte was erleben!" Das alles kommt so frisch, authentisch und temporeich rüber, dass man die Zeit und die kalten Füße vergisst.

Da tritt Kardinal Richelieu (Andrey Stepanov) im roten Ledermantel aus der 400 Jahre alten Schlosskapelle, um zusammen mit seinem Spion Rochefort (Philipp Meschik) den windigen Käsehändler Bonacieux (Marcel Killat) zu foltern. Der selbstverliebte Herzog von Fuckingham, pardon: Buckingham, schwingt affektiert seine Hüften (köstlich: Elias Bosch), und der junge Chinese Yusong Li kommandiert als Hauptmann Treville seine Garde in einem Befehlston herum, dass man sich in einem Kasernenhof wähnt. Man merkt: Diese jungen Menschen haben sich nicht nur mit Haut und Haar auf das Spiel eingelassen. Sie wachsen gerade auch ein bisschen über sich hinaus.

Herausragend: Finn Sauer. Er gibt den Heißsporn D'Artagnan mit fast unverschämter Leichtigkeit, glüht für Constance (Franziska Geiger) und hält die Ermordete am Ende weinend in den Armen. Kaum zu glauben, dass er erst 14 ist und zum ersten Mal auf der Bühne steht. Im zweiten Teil ist es vor allem Antonia Angermair, die als hochtoxische Mylady de Winter die Fäden und die Aufmerksamkeit der Zuschauer zusammenhält. Aber auch die kleinen Nebenrollen werden liebevoll ausgefüllt - Shakespeare hätte seine Freude.

Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann allenfalls, dass es ein Jammer wäre, wenn diese Vorstellung dem relativ kleinen Kreis von Schülern und Eltern vorbehalten bleiben sollte, der mit der Max-Rill-Schule ohnehin verbunden ist.

Am Schluss, nach der Verbeugungsrunde, stehen alle 16 Spieler auf der Bühne und klatschen. Gerade noch haben sie "Einer für alle! Alle für einen!" gerufen. Jetzt holen sie ihren Regisseur Nikolaus Frei in ihre Mitte und applaudieren ihm. Ein sprechendes Bild.

Max-Rill-Schule, Schlossweg 1, Reichersbeuern, weitere Vorstellungen am Dienstag, 28. Juli, und Mittwoch, 29. Juli, Beginn ist jeweils um 18.30 Uhr, Eintritt frei, bei schlechtem Wetter findet die Aufführung in der Aula statt

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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