Oberland:Streit von Mountainbikern und Naturschützern: "Es gibt einen Ehrenkodex"

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Robert Werner bei seiner Lieblingsbeschäftigung: Mit dem Mountainbike vom Gipfel ins Tal. (Foto: oh)

Im "Flow Valley" fahren Mountainbiker in nahezu unberührter Landschaft. Warum Umweltschützern das gar nicht gefällt.

Von Olivia Kaczor und Ingrid Hügenell, Lenggries

Robert Werner ist im Hauptberuf Wirt. Richtig glücklich ist der 42-Jährige aber nur, wenn er nicht hinter der Theke Bier zapft, sondern wenn er sein Mountainbike schultert und sich damit auf den Weg auf einen Gipfel irgendwo im Landkreis macht, am liebsten mit Freunden. Um hinterher über schmale, ausgesetzte Pfade hinunter ins Tal zu fahren. So zeigte es im Mai ein Beitrag der Sendung "Bergauf - Bergab" des Bayerischen Fernsehens. Freiheit auf dem Berg, samt Übernachtung im Schlafsack sowie Nudeln und Kaffee vom Campingkocher - da möchte man am liebsten gleich selbst hinauf.

Seltene Tiere bedroht

Das Tölzer Landratsamt aber war von der Sendung alarmiert. Generell bereiten die Bergradler Naturschützern Sorgen. Denn wo sie unterwegs sind, da leben auch seltene Tiere, für die die Alpen oft die letzten Rückzugsräume sind, wie Franz Steger von der Unteren Naturschutzbehörde erklärt. Vor allem handelt es sich um Birkwild, Rauhfußhühner, die früher auch im Flachland vorkamen, aber in die Berge zurück gedrängt wurden. Nun dringen die Menschen zunehmend in die letzten Rückzugsgebiete vor.

Im Winter kommen die Schneeschuhwanderer und schrecken die Vögel auf, die dabei viele Energiereserven verlieren und dann womöglich verhungern. Im Sommer fahren die Mountainbiker durch die Brutgebiete. "Wenn die Henne vom Gelege oder von ihren Küken getrennt wird, kann es durchaus passieren, dass die ganze Brut verloren geht", sagt Franz Steger. Woanders hin können die bedrohten Birkhühner aber nicht mehr.

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Die Bergradler wehren sich

Wo das von Werner und seinen Freunden "Flow Valley" genannte Biker-Paradies genau liegt, wird im BR-Film nicht preisgegeben. Es handelt sich aber um die Gegend direkt vor Robert Werners Haustür und ein bisschen rundherum, also um Isartal und Karwendel. Der Lenggrieser Wirt hat kein Verständnis dafür, dass die Mountainbiker so argwöhnisch beäugt werden. Er ärgert sich, dass sie pauschal angefeindet würden. "Dass wir die Natur zerstören, ist nicht wahr", sagt er. "Wir bewegen uns auf den vorgeschriebenen Wegen und richten sicher nicht mehr Schaden an als Wanderer."

Steger sieht das anders. Die Mountainbiker radelten immer weiter in Gegenden, die sonst von Menschen nicht betreten würden, und dort käme es zu Verstößen gegen Naturschutzgesetze. So sei es in Naturschutzgebieten wie etwa im Karwendel verboten zu übernachten und Feuer zu machen. Der Campingkocher im Film, auf dem die Biker ihr Abendessen kochen, stehe nicht weit vom Waldrand.

Werner beruft sich auf die bayerische Verfassung, die jedem das Betreten der Natur erlaube: "Wir haben genauso die Berechtigung, uns dort aufzuhalten wie jeder Andere auch." Steger sagt: "In Naturschutzgebieten hat die Natur Vorrang, da wird die Verfassung von Gesetzen eingeschränkt. Es gibt klare Verbote. Dabei hat man sich was gedacht."

Das sieht Werner durchaus auch so: "Regelungen, die besagen, dass man bestimmte Wege nur zu einer bestimmten Zeit befahren darf, sind zum Beispiel sinnvoll." Er begrüße es sehr, dass der Umweltausschuss des Kreistags sich des Themas angenommen und eine Machbarkeitsstudie für ein Mountainbike-Konzept beschlossenen habe. Gerne hätte er es jedoch gesehen, wären die Radler in die Gespräche zum Mountainbike-Konzept einbezogen zu worden. "Es wurde keiner von uns eingeladen", sagt er. "Die Behörden haben uns einen Runden Tisch versprochen, passiert ist aber noch nichts."

Das liege daran, dass das Landratsamt mit der Aufnahme der vielen Flüchtlinge sehr viel zu tun gehabt habe, erklärt Steger. Mit Michael Pause, dem Redakteur und Moderator von "Bergauf - Bergab" habe die Untere Naturschutzbehörde bereits gesprochen. Die Leute von "Flow Valley" habe man schriftlich auf die Naturschutzgesetze aufmerksam gemacht, sagt Steger. Man wolle aber auf jeden Fall noch mit ihnen sprechen. Steger sieht allerdings bei den Flow-Valley-Radlern eine "anarchistische Seite und Spaß an Sachen, die verboten sind".

Radler sind gute Gäste

Werner dagegen sagt: "Es gibt einen Ehrenkodex." Er verweist zudem darauf, dass der Radsport gerade für den Tourismus äußerst lukrativ sei, vor allem, da die Rad-Saison immer länger werde. "Man sollte den touristischen Mehrwert nutzen. Ringsum in der Region funktioniert es doch auch." Und weiter hat er als Wirt gute Erfahrungen mit den Radtouristen gemacht: "Biker sind gute Gäste, die viel Geld da lassen. Sie sind gut gelaunt, weil sie den ganzen Tag an der frischen Luft waren, und lassen es sich am Abend gut gehen."

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Im Altwirt in Lenggries, Werners Wirtschaft, sind deshalb natürlich Radler aller Art ausdrücklich willkommen. Und im BR-Film heißt es, Flow Valley wolle "andere motivieren, selbst Wege in den Bergen zu finden". Die Bergradler bewerben ihre Touren und die große Freiheit auf den entlegensten Gipfeln auch auf ihrer Facebook-Seite. Steger sieht es mit großer Sorge: "Es wird so viel kaputt gemacht."

Beide sind aber vielleicht gar nicht so weit voneinander entfernt, da ihnen doch die Natur ab Herzen liegt. Werners Appell: "Lasst uns alle miteinander reden und nach Lösungen suchen, denn es kann ein harmonisches Miteinander am Berg geben, so wie es uns die Südtiroler oder auch Schweizer vorleben."

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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