Kurzkritik:Zur Einheit verschmolzen

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Daniel Schreiber (Tenor, l.), Franz Vitzthum (Countertenor, Mitte) und Monika Tschuschke (Sopran) führten durch das Programm. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Eindrucksvolles Kammerkonzert in mäßig besuchter Klosterkirche

Von Reinhard Szyszka, Schäftlarn

An der Konzertankündigung kann es nicht gelegen haben. Von Bach war da die Rede gewesen, von Vivaldi, Distler, Barber: alles durchaus Mainstream-taugliche Komponisten. Erst ganz am Ende der Liste hatte sich, fast verschämt, Arvo Pärt versteckt. Der Protagonist des Abends, Countertenor Franz Vitzthum, ist bei den Schäftlarner Konzerten ebenfalls kein Unbekannter. Doch trotz allem: Die Klosterkirche Schäftlarn wollte sich einfach nicht füllen. Kein Vergleich mit dem Massenansturm vor drei Wochen, als das Violinkonzert von Bruch auf dem Programm stand. Diesmal blieben in fast allen Reihen mehrere Plätze leer.

Unter der Überschrift "The Lamb" - kein modischer Anglizismus, sondern der Titel eines der Werke - hatte Vitzthum ein ausgeklügeltes Programm zusammengestellt, das Vokal- und Instrumentalstücke gleichermaßen umfasste. Barockes war ebenso vertreten wie Stücke des 20. und 21. Jahrhunderts, darunter ein eigens für Vitzthum komponiertes Werk. Der instrumentale Teil war dem Münchner Klenze-Quartett und dem Organisten Bernhard Prammer anvertraut; für den Gesang waren neben Vitzthum selbst die Sopranistin Monika Tschuschke und der Tenor Daniel Schreiber zuständig.

Mit gutem Grund hatte Vitzthum zu Beginn die Besucher gebeten, auf Zwischenapplaus zu verzichten, waren doch beide Konzertteile so aufgebaut, dass die einzelnen Werke nahtlos ineinander übergingen - über die Grenzen der Epochen hinweg. Atemlos lauschte man, wie sich ein Instrumentalwerk des zeitgenössischen estnischen Komponisten Arvo Pärt völlig zwanglos in eine Arie aus Vivaldis "Nisi Dominus" transformierte. Werke aus verschiedenen Jahrhunderten, instrumental und vokal, verschmolzen zu einer höheren Einheit. "Zur Ehre Gottes und Recreation des Gemüths", wie Bach gesagt hätte.

Mit Bach begann denn auch der zweite Konzertteil, und Vitzthum wagte sich an die berühmte "Agnus Dei"-Arie aus der h-Moll-Messe. Das anschließende "Stabat Mater" von Arvo Pärt war zweifellos der Höhepunkt des Konzerts. Ein ergreifender Klagegesang im modernen Gewand. Hier konnten auch Tschuschke und Schreiber ihre solistischen Qualitäten zeigen. Und wer gezweifelt hatte, ob Samuel Barbers leicht kitschiges "Adagio for Strings" dazu passen würde, sah sich bald eines Besseren belehrt: es passte! Punktgenau griff Barbers Werk die Stimmung des "Stabat Mater" auf und brachte das Konzert zu einem ruhigen, unspektakulären Ausklang.

© SZ vom 17.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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