Konzert:Vom Klang der Klarinette

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Das "Ensemble Clarezza" tritt in Wolfratshausen auf, das Publikum erscheint zahlreich - und ist begeistert

Von Reinhard Szyszka, Wolfratshausen

Weihnachten, Clarezza, Silvester, in dieser Reihenfolge: So steht es im Wolfratshauser Kulturkalender, seit mehreren Jahren schon. Das Ensemble Clarezza aus Bamberg, drei Frauen und ein Mann, lässt sich zwischen den Jahren in der evangelischen Kirche mit Musik für vier Klarinetten hören. Auch in diesem Jahr ließen sich die Clarezzaner ihren Auftritt nicht nehmen, und wieder war die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt.

Das Konzert begann effektvoll mit der berühmten klingeltontauglichen d-Moll-Toccata nebst Fuge von Bach. Natürlich hatte Bach dabei nicht an Klarinetten gedacht, sondern an die Orgel. Nun gibt es kaum Originalkompositionen für vier Klarinetten, und die Musiker sind auf Bearbeitungen angewiesen. Orgelmusik eignet sich hierfür hervorragend; die Clarezzaner imitierten mit ihren Klarinetten nahezu perfekt die Orgelpfeifen und meisterten alle rhythmischen Komplexitäten, alle Feinheiten des Kontrapunks mit Bravour.

Es folgte eine Auswahl aus Mussorgskis Bildern einer Ausstellung, dem meistbearbeiteten Werk der Musikgeschichte. Hier kann man schon die Frage stellen, ob vier Klarinetten die nötige Klangvielfalt für alle Bilder aufbringen können. Bei den Tuilerien und beim Ballett der Küken in ihren Eierschalen entfaltete das Ensemble seine Brillanz, aber beim Ochsenkarren Bydlo gab es schrill quäkende Töne, die hier eigentlich nicht hingehören. Das ist nicht den Spielern anzulasten, sondern dem Bearbeiter Alexander Graur. Dieser hatte Mussorgskis Reihenfolge vertauscht und den Gnomus vom Anfang an das Ende gesetzt. Das hat seinen guten Grund: der Gnomus ist ein Behinderter, an dessen Bild Mussorgski lachend vorübergeht, der aber in der Graur-Fassung zum krönenden Abschluss der Ausstellung avanciert.

Es folgte das einzige Originalwerk des Abends: die Tarnov-Suite des 1967 geborenen Alexis Ciesla. Hier gab es Klezmer-Klänge zu hören, Trauer um die untergegangene Welt der osteuropäischen Schtetl, durchweg wohlig tonal, und man stellte überrascht fest: Mussorgski war da schon moderner.

Nach der Pause ging es weiter mit Cordoba des spanischen Komponisten Isaac Albéniz, eigentlich ein Klavierwerk, das aber sehr viel häufiger auf der Gitarre dargeboten wird. Ensemble Clarezza spielte den ganzen Schwung, die ganze Walzerseligkeit des Werks voll aus, und siehe da: auch für vier Klarinetten eignet sich Cordoba ganz ausgezeichnet.

Dann folgte eine Komposition von Peter Tschaikowski, dessen Lebensdaten auf dem Programmzettel mit denen seines Kollegen Rimski-Korsakov verwechselt worden waren. Von Tschaikowski boten die Clarezzaner eine Auswahl aus der Nussknacker-Ballettmusik. So etwas passt natürlich hervorragend in die Jahreszeit, handelt doch der Nussknacker von einer Weihnachtsbescherung in einer bürgerlichen Familie und dem anschließenden Traum des Mädchens Mascha. Dennoch zeigten sich hier wieder die Begrenzungen des Klangspektrums von vier Klarinetten. Alles tänzerisch Betonte, alles Schwungvoll-Energische vermögen die Instrumente bestens wiederzugeben, doch wo Duftigkeit, Zartheit gefragt ist wie etwa beim Tanz der Zuckerfee, stoßen sie an ihre Grenzen. Es sei nochmals betont, dass dies nicht am Spiel der Clarezzaner lag, das kaum zu toppen sein dürfte, sondern am Klangcharakter von Klarinetten an sich.

Den Abschluss des ausgedruckten Programms bildete der Walzer Nr. 2 aus der Suite für Varieté-Orchester von Dmitri Schostakowitsch, ein Ohrwurm, der spätestens seit dem Stanley-Kubrick-Film "Eyes wide shut" zum Hit geworden ist. Das Tänzerische, das Jazzige dieses Walzers passte hervorragend zu vier Klarinetten, nicht zuletzt wegen der engen Verwandtschaft von Klarinette und Saxofon.

Natürlich ließ das begeisterte Publikum die Clarezzaner nicht ohne Zugaben ziehen. Da gab es Polkas von Johann Strauß zu hören, zuletzt Éljen a Magyar mit stilechtem Éljen-Ruf zum Schluss. Auf diese Weise gelang den Musikern nach dem Weihnachtsrückblick mit Tschaikowski eine Vorausschau auf die kommenden Neujahrskonzerte.

© SZ vom 29.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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