Ausstellung:Die guten und die bösen Erinnerungen an die Schule in Bayern

Lesezeit: 4 min

Eine Schau im Königsdorfer Heimatmuseum zeigt Federkiel und Tintenfass - aber auch "Tatzenstecken" zur körperlichen Züchtigung.

Von Claudia Koestler, Königsdorf

Gleich hinter dem Eingang wartet sie schon: die Lehrerin, eine Ordensfrau im Gewand der Armen Schulschwestern, und ihr strenger Blick fällt wie der des Besuchers auf hölzerne Schulbänke, Fibel, Federkiel und Tintenfass, die im Raum stehen. Die Schulschwester mag nur eine lebensgroße Figur sein, doch das Gefühl, den Schulalltag von anno dazumal zu erleben, wird höchst lebendig: Das Königsdorfer Heimatmuseum zeigt derzeit eine Sonderausstellung zum Thema "Schule einst, in Bayern, Königsdorf und Geretsried".

Marlies und Eduard Hieke haben gemeinsam mit Arthur Zimprich die Ausstellung konzipiert, die Exponate zusammengetragen und mittels Hinweisschildern und Zeitleisten den Streifzug durch die örtliche Schulgeschichte auch in einen übergeordneten Kontext gestellt. Besucher erfahren so Umfassendes von den Ursprüngen der Lehren in der Antike bis zu den heutigen Herausforderungen des Schuldienstes in Zeiten von Integration und Inklusion.

Vor rund eineinhalb Jahren sei die Idee zur Ausstellung geboren worden, erklären die drei. Seit März dieses Jahres haben die Verantwortlichen schließlich die Exponate zusammengetragen. "Wir haben uns überlegt, welches Thema reizvoll sein könnte, was die Leute ins Museum zieht", erklärt Marlies Hieke. Und was liegt da näher als das Thema Schule, mit dem schließlich jeder etwas verbindet? Ganz besonders Hieke selbst, und das nicht, weil sie wie ihr Mann Eduard und auch Zimprich selbst im Schuldienst war. Marlies Hieke war auch Schülerin in jenem Klassenzimmer des Klösterls der Armen Schulschwestern, in dem sich heute die Räume des Heimatmuseums Königsdorf und ergo die Ausstellung befinden. Von 1864 bis 1963 wurde dort Unterricht erteilt, aber nur an Mädchen. Die Buben lernten in der Alten Knabenschule, die nicht mehr existiert, aber einst dort stand, wo heute der Kindergarten untergebracht ist.

Gute und schlechte Erinnerungen an die Schulzeit: Mit dem Abakus machten Schüler früher erste Rechenübungen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Von 1736 bis zur Säkularisation 1803 hingegen wurden Mädchen und Buben noch zusammen im heute noch so genannten "Schullehrer-Anwesen" unterrichtet. Von 1803 bis 1864 diente die Königsdorfer Michaelskapelle als Schule - weil sie aufgrund der Säkularisation zum Abbruch bestimmt war, sich Pfarrer und Bürger dem jedoch verweigerten und sie stattdessen zur Schule umbauten. Der Schulsprengel war früher übrigens gleichbedeutend mit der Pfarrei, die Kinder von Geretsried bis nach Oberbuchen gingen somit in Königsdorf zur Schule.

Wo früher unterrichtet wurde, inzwischen aber die Königsdorfer Ortsgeschichte gezeigt wird, ist nun also wieder ein Klassenzimmer eingerichtet - ganz so wie einst, als das Gebäude tatsächlich noch als Mädchenschule diente. Insbesondere durch die zahlreichen Exponate, Geräte und Lehrmitteln wird die Schulgeschichte erlebbar: Alte Bücher wie ein Lesebuch für Sonntagsschulen aus dem Jahre 1898 mit dem Untertitel "Von der Schule ins Leben" etwa oder Schulhefte mit kunstvoller Schönschrift. Dazu Fibeln, Griffelkästen, Wandbilder mit Alltagsmotiven, Briefe an die Eltern, Zeugnisse, Fotos von Schulklassen, Lehrern und Pfarrern. Sogar eine alte Klassentafel und ein großer Hunderterrechner, auch als Abakus bekannt, sind dort zu sehen und wecken bei den Besuchern die Neugier, bei den älteren manchmal auch noch die Erinnerung. So zeugen etwa alte Fotos von der Schulspeisung in den Nachkriegsjahren, als barfüßige Kinder mit einer Blechtasse um ein bisschen Brei anstanden.

Mit Federkiel und Tintenfass übten die Schüler früher die Schreibschrift des ABC. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Bereits von 1639 an sind die Schulmeister, manchmal auch Ludimagister genannt, in Königsdorf schon namentlich bekannt. So geht aus den Büchern hervor, dass in diesem Jahr der Ludimagister Berndardus Hohenaedel verstarb. 1687 wird ein Albrecht Arnold genannt, "Organist und Schullehrer zu Kimstorf". Eine besondere Bedeutung für die Königsdorfer Schule errang zudem die Lehrerfamilie Aerzbäck. Franz Xaver Aerzbäck aus Gaißach etwa, der 1798 verstarb, war 60 Jahre lang Lehrer in Königsdorf. Ihm folgten sein gleichnamiger Sohn und später dessen Enkel als Lehrer nach.

"Der arme Schullehrer war bis in die frühe Neuzeit tatsächlich der arme Schlucker, sofern er als Laie ohne Ausbildung auf dem Dorf unterrichtete", erklärt Zimprich. Ein Traumberuf war der Lehrer folglich nicht. Der Verdienst war so gering, dass er in der Regel nicht zum Leben langte. Oft übten Lehrer im Hauptberuf ein Handwerk aus oder bestellten nebenher den Acker. Für ein finanzielles Plus übernahmen sie oft auch noch Mesner- und Organistendienste. Erst, als im Laufe des 19. Jahrhunderts zur Ausbildung der Lehrer spezielle Seminare eingerichtet wurden, besserte sich die Situation. Zudem wurden sie erstmals vom Staat eingestellt, bekamen in den Schulhäusern freies Wohnrecht, später manchmal gar das Eigentum, auch ihr Gehalt stieg.

Auch eine alte Schulfibel ist in der Ausstellung im Königsdorfer Heimatmuseum zu sehen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Disziplin, Fleiß, Reinlichkeit und Ordnung - darauf basierte die Schulausbildung, seit 1806 die Schulpflicht in Bayern eingeführt wurde. Als vorbildlich galt ein Lehrer, der Schüler durch strenge Erziehung an die Tugenden Arbeit, Fleiß und Reinlichkeit sowie an Gehorsam und Selbstüberwindung heranführte. Bei all den schulischen Aktivitäten war der Lehrer unangefochtene Respektsperson. Damit man vor ihm besser dastand oder um Noten zu verbessern, brachte man ihm, gerade an Dorfschulen, auch mal Lebensmittel mit. "Speck und Eier geben Einser und Zweier" hieß damals ein Spruch.

Auch über ein dunkles Kapitel schweigt sich die Ausstellung nicht aus: So gab es früher die körperliche Züchtigung in der Schule. "Kniefeindliche" und "kniefreundliche" Holzscheite, auf denen Schüler zur Strafe knien mussten oder nachgefertigte "Tatzenstecken" aus Bambus oder Haselnuss zeugen davon in der Ausstellung. Offiziell abgeschafft wurde die körperliche Züchtigung erst 1980, auch wenn sie vorher schon nicht mehr praktiziert wurde. Lange aber war sie in der Gesellschaft fest verankert: Noch 1947 etwa wurde in der Volksschule Oberbuchen eine Elternbefragung durchgeführt, ob man für oder gegen die körperliche Züchtigung ist. Nur drei von 42 Eltern sprachen sich dagegen aus.

Ideengeber und Organisatoren der Ausstellung (v. l.): Eduard und Marlies Hieke, Arthur Zimprich. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Königsdorfer Heimatmuseum hinter der örtlichen Pfarrkirche ist von Mai bis Oktober geöffnet, jeweils sonntags von 9.30 bis 12 Uhr. Sonderführungen für Gruppen und Schulklassen sind nach Absprache unter Telefon 08179 / 776 möglich.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: