Kabarett:Kreuzzug gegen die Scheinheiligkeit

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Der Eindruck täuscht: Max Uthoff verteilt verbale Grausamkeiten. (Foto: Manfred Neubauer)

"Gegendarstellung": Der kühle Sezierer Max Uthoff knöpf sich in der Kochler Heimatbühne vor allem die CSU und deren Vorsitzenden Markus Söder vor - und hat das Publikum auf seiner Seite

Von Petra Schneider, Kochel am See

Ein wunderbarer Sommerabend, die Fußball-WM hat gerade begonnen, und trotzdem hält das die Leute nicht davon ab, scharenweise in die Heimatbühne zu pilgern. Der Saal ist ausverkauft, die Luft stickig, und dann tritt er auf, der König der Kabarettisten: Max Uthoff. Er zieht durch den Saal ein und verkündet per Megaphon Botschaften: "Der soziale Friede ist ein hohes Gut", "Volker Kauder ist ein guter Christ", "der frühe Vogel fängt den Wurm" - Phrasen, Behauptungen, Allgemeinplätze. "Wer immer wieder dasselbe sagt, hat Recht", sagt Uthoff.

Damit ist schon mal umrissen, worum es dem 50-jährigen Münchner geht, der mit allen wichtigen Kabarettpreisen ausgezeichnet wurde: Die Realität und ihre Interpretation, sei es durch die Politik oder die Medien, die man nur oft genug wiederholen muss, damit sie irgendwann ins kollektive Bewusstsein einsickert. Uthoff - schwarzer Anzug, weißes Hemd, geschliffene Sprache; sein dezenter Auftritt auf der Bühne täuscht. Auch in seinem dritten Programm "Gegendarstellung" haut er dem Publikum verbale Grausamkeiten um die Ohren. Bäng, bäng, bäng, Schlag auf Schlag, Kapitalismuskritik, Hartz IV-Armut, Religionskritik, EU-Spardiktat, Polizeigewalt. Er verweist auf Adorno und Marx, spricht vom "Gewaltbegriff, den die herrschende Klasse definiert", und untermauert seine Kritik an sozialer Ungerechtigkeit mit Zahlen: "Die 60 reichsten Menschen besitzen so viel wie die untere Hälfte der Weltbevölkerung."

Ein Thema, das den kühlen Sezierer wütend macht, ist der Umgang mit Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen und zu "Tausenden im Mittelmeer ersaufen". "Bei uns werden Flüchtlinge aber nur auf ihren ökonomischen Nutzen abgeklopft." Das Land sei nach der Bundestagswahl von einem lähmenden "Mehltau" befallen, an dem alle Parteien schuld seien. Uthoff nimmt keine aus. Ausführlich widmet er sich der CSU, über die er sich besonders aufregt, und da hat er das Kochler Publikum durchaus auf seiner Seite. "Immer wenn Seehofer oder Söder das Wort ,christlich' aussprechen, kriegt irgendwo eine Nonne Gürtelrose" - großer Applaus. Vor der Landtagswahl mache die "Anarcho-Truppe von der CSU" plärrend Rabatz, wolle die AfD rechts überholen und den "natürlichen Führungsanspruch der Silberrücken" in Bayern verteidigen.

Uthoffs liebster Feind ist "Seine Heiligkeit", Markus Söder, "Präpotenz der I.". Dessen Ego sei so groß, dass er sein Vorbild Franz Josef Strauß noch übertreffen und Bundeskanzler werden wolle. An Söder arbeitet er sich ab, bescheinigt ihm nach zwei persönlichen Begegnungen "Arroganz, Herablassung, Kälte". Wenn keine Kameras auf ihn gerichtet seien, "tropft aus jeder Pore die Niedertracht". Das ist grenzwertig, weil es in Richtung Beleidigung abdriftet. Uthoff räumt ein, dass das jetzt "wahnsinnig persönlich war", aber wie solle man den Söder "inhaltlich kriegen". Nun, da gäbe es genügend Angriffsfläche: Verkauf der 33 000 einst staatlichen GBW-Wohnungen, die Lockerung des Anbindegebots für Gewerbegebiete, den Kreuz-Erlass ("Wir Bayern haben die kreativste Art, die Moslems auszugrenzen") - Themen, die Uthoff nur anreißt. Auch die AfD wird verbal geprügelt: Leise, fast sanft spricht er über Gauland, der eine gewisse Melancholie ausstrahle. Die Melancholie des zu spät Geborenen, der bedauere, nicht dabei gewesen zu sein, "bei der Erschießung polnischer Zivilisten".

Im zweiten Teil darf sich das Publikum zwischendurch erholen und über Harmloses lachen. Die Geissens, Youporn, "wie heil kann eine Welt sein, in der Hansi Hinterseer singen darf". Der Applaus ist groß, und die Zugabe wohl fester Bestandteil des Programms. Denn Uthoff schließt mit einem Rat, der teuflisch-schlau alles zuvor Gesagte relativiert: "Entwickeln Sie Techniken der Heiterkeit." Funktionieren könne das über einen Perspektivenwechsel. Ein Beispiel: "Männer, die in der Fußgängerzone ausspucken, das ist ekelhaft." Aber auch eine Frage der Interpretation: Denn diese Männer hätten womöglich keine andere Chance, ihr Genmaterial zu verteilen. Und schon entsteht durch Umbewertung eine akzeptable "Wahrheit", die die Heiterkeit nicht allzu sehr beeinträchtigt. Man muss sie nur oft genug wiederholen.

© SZ vom 19.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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