Graffiti:Mysteriöse Codes

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In Wolfratshausen und Geretsried sind zuletzt viele Schmierereien aufgetaucht. Experten erklären, was die Zahlen und Abkürzungen bedeuten.

Von Lea Utz, Wolfratshausen/Geretsried

Sie prangen an Stromkästen, Mülleimern und Zigarettenautomaten, eilig hingesprüht, in schwarz, weiß und lila. "A.C.A.B." ist dort zu lesen, oder blanke Zahlenfolgen wie "187" und "420". In Wolfratshausen hat die Polizei seit Mitte vergangener Woche 24 solcher Graffitis in den Ortsteilen Farchet und Waldram entdeckt, sogar auf Autos. In Geretsried traf es am Wochenende einen Kindergarten und eine Turnhalle in Gelting. Schmierereien gebe es immer wieder, sagt der Wolfratshauser Polizeihauptkommissar Christian Neubert, "aber das ist schon eine enorme Häufung."

Was sich hinter den mysteriösen Codes und Buchstabenkombinationen verbirgt, ist den Anwohnern oft ein Rätsel. Mit dem Kürzel "A.C.A.B." könnten manche noch etwas anfangen, sagt der Street-Art-Experte Martin Gegenheimer vom Graffiti-Archiv in Berlin: "Das heißt ,All cops are bastards' - also so viel wie ,Alle Polizisten sind Bastarde'." Diese Parole sei keiner bestimmten Szene zuzuordnen, sie werde von Linken und Rechten genauso benutzt wie von unpolitischen Hooligans und Sprayern - "eigentlich von jedem, der vielleicht nicht ganz so gut auf die Polizei zu sprechen ist". Um die Entstehung des Kürzels ranken sich laut Gegenheimer viele Geschichten, zum Beispiel, dass es ursprünglich aus dem britischen Knastmilieu stammt. Einige Gruppen hätten sich zwar einen Spaß daraus gemacht, der Abkürzung andere Bedeutungen zu verpassen. Wer ein T-Shirt mit der Aufschrift "A.C.A.B." trage, müsse aber trotzdem oft mit einer Anzeige wegen Beamtenbeleidigung rechnen.

Die Zahlenkombination "187" stamme ursprünglich aus den USA, wo es im Funkverkehr der Polizei als Code für "Mord" steht. Das Auftauchen dieses Schriftzuges muss niemanden beunruhigen: "Mittlerweile wird die Zahlenkombination zum Beispiel auch von vielen Leuten benutzt, die einfach nur gerne Hip Hop hören", sagt der Experte. Gemeint ist dann die Rap-Crew "187 Strassenbande" aus Hamburg.

Ähnlich sieht das auch Florian Kopczyk von der Koordinierungsgruppe Graffiti der Polizei in München: "Das ist nicht wirklich als Bedrohung gemeint, sondern eher Gangster-Gehabe." Die Zahl "420" werde meistens mit Cannabis-Konsum in Zusammenhang gebracht. Der Code spielt auf ein Ritual aus der Kiffer-Szene an, bei dem um Punkt 16.20 Uhr ein Joint angezündet wird. Mit der klassischen Graffiti-Szene haben die Schriftzüge laut Experte Gegenheimer meist wenig zu tun: "Hier geht es in der Regel nicht um Wiedererkennungswert und einen individuellen Ausdruck, sondern eher um eine Pseudobotschaft."

© SZ vom 07.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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