Bühne:Nix is mehr gwiss

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Lisa und Martin Grundhuber sowie Gretel Rost (von links) -das ist Kabarest. In der Tölzer "Lust" begann ihre Karriere, hier waren sie nun wieder einmal zu Gast. (Foto: Manfred Neubauer)

Seit mehr als 25 Jahren macht "Kabarest" Kabarett, immer wieder auch in Bad Tölz. Und auch wenn nichts sicher ist: Ein großes Vergnügen ist das immer wieder

Von Sabine Näher, Bad Tölz

Politisch wird es erst im zweiten Teil: Aus der Pause zurück kommend durchstreifen Lisa Grundhuber, Gretel Rost und Martin Grundhuber die dicht gefüllten Reihen des Publikums und singen einzelne Besucher direkt an. Ist es ein Asylant? Oder ein erfolgreicher Manager? Die ehemals klaren Fronten sind aufgeweicht: "Ma woas net, wer wer is!" klagt das Trio. Und nur oans is gwiss: "'s is nix mehr gwiss!" Da entsteht durchaus eine gewisse Beklemmung, die indes rasch weicht, als die drei Kabarettisten wieder auf der Bühne stehen und man unbeschwert über ihre herrlich frechen Parodien lachen kann.

So wenn zwei Münchner Bussi-Bussi-Tussis das "italienische Lebensgefühl" an der Isar beschwören und den Kellner mit ihrem grauenhaften Italienisch zur Verzweiflung treiben. Oder die Grillorgien am Flaucher: "Isar, so flaschlgrün, sieht man vorüber zieh'n" - doch nicht umsonst reimt sich "Isargrill" auf "Isarmüll". Bierdosen, Rotweinflaschen und jede Menge Plastikmüll bleiben zurück. Und werden von der Isar bis ins Schwarze Meer transportiert. Es ist ein ganz auf München zugeschnittenes Programm, das die drei in der Tölzer "Lust" zum Besten geben. Aber erstens ist man hier ja noch nahe genug dran an der Landeshauptstadt, um zu verstehen, was da aufs Korn genommen wird. Und zum anderen, ganz ehrlich mal, bereitet es ja auch eine gewisse Genugtuung, wenn die arroganten Münchner mal eins auf den Deckel kriegen. Oder? Hier kann besonders die Nummer "Was unterscheidet München von einer richtigen Großstadt?" punkten, die ausgerechnet Berlin wegen seiner "Spätis" preist. Falls es jemand nicht wissen sollte: Das sind die kleinen Läden, die Bier, Pizza oder Hochprozentiges über die Theke schieben, wenn die "richtigen" Einkaufsläden schon geschlossen haben. Wenn das alles ist, worauf Berlin stolz sein kann: Da steigt der Münchner doch ganz lässig in seinen SUV und braust zur Tanke, wo's im Zweifel das wesentlich bessere Angebot gibt.

Obwohl gerade vorüber, nimmt das Oktoberfest im ersten Teil breiten Raum ein. Nun könnte man denken, das Thema sei gerade wirklich ausgelutscht, aber so witzig wie Kabarest es angeht, macht es tatsächlich schon wieder Spaß. Da steht eine seriöse Wissenschaftlerin am Rednerpult und referiert über "völlig rätselhafte Kultplätze", die man kürzlich ausgegraben habe. "Zu Füßen einer Kultfigur, die einer Göttin namens... Moment, bitte... (Rascheln im Papier)... Bavaria gewidmet ist!" Die Reste von 16 Langhäusern habe man gefunden, die für ekstatische kultische Zwecke genutzt worden seien. Ein strenger Ritus mit Getränken aus vergorenem Getreide, Opfertiere seien auf offenem Feuer gegrillt worden: "Warum die Menschen damals dieser Religion anhingen, bleibt uns Nachgeborenen ein ewiges Rätsel." Während die beiden Damen für die Aktion zuständig sind, steht Martin Grundhuber hinter dem Klavier und steuert die passende musikalische Ausgestaltung bei. Mitunter greift er auch zum Akkordeon und das Trio singt ein paar Gstanzln.

Seit mehr als 25 Jahren steht Kabarest auf den Kleinkunstbühnen in München und Oberbayern. Die allerersten Auftritte haben damals in Tölz bei der Lust stattgefunden, wo die drei seither immer gern gesehene Gäste sind. Ihr Name leitet sich übrigens daher, dass sie nach der Auflösung des Münchner Kabaretts Sati(e)rschutzverein als dessen Rest zusammen geblieben sind: Als Kabarest also. Hauptberuflich sind Lisa und Martin Grundhuber sowie Gretel Rost auf ganz anderem Terrain unterwegs, als Sozialpädagogen und Kinderarzt - trotzdem können sie mit professionellen Kabarettisten locker mithalten.

Ob sie nun treffsicher die Geschichte der Lederhosn aufrollen ("Neu ist das Gewand nicht. Neu ist, dass man es freiwillig anzieht") oder das Lamento der armen Wiesnwirte anstimmen, die ihr Bier quasi verschenken müssen, das Münchner Open-Air-Lied singen (mit Plastikregenhut), inklusive einer herrlichen Parodie auf die "Drei Tenöre", oder die leicht eklige Nummer "Ich hol' mir mein Basilikum vom Grab": Hier geht's um nicht mehr und nicht weniger als "Haute Couture und Niedertracht". Ein einziges großes Vergnügen!

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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