Bad Tölz/München:Überfall oder Abreibung

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Jugendkammer verhandelt brutale Attacke auf einen Tölzer

Von Christian Rost, Bad Tölz/München

Ob es nun um Drogen und Geld ging oder nur um die verletzte Ehre eines Jugendlichen wird der Prozess noch zeigen. Seit Dienstag müssen sich drei junge Männer vor der Jugendkammer am Landgericht München II verantworten, die einen 22-jährigen Tölzer überfallen und mit einem Baseballschläger verprügelt haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen zudem schweren Raub vor. Der älteste Angeklagte, der 24-jährige Paul B., legte zum Prozessauftakt ein Geständnis ab und nahm die Hauptschuld auf sich. Das Tatmotiv bestritt er indes. Nach seiner Darstellung sollte das Opfer nur eine Abreibung bekommen.

Paul B., sein jüngerer Bruder und dessen 18-jähriger Freund suchten den Geschädigten Michael T. ( Name geändert) am frühen Morgen des 13. September 2015 in dessen Tölzer Wohnung auf. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es das Trio auf 1500 Euro abgesehen hatte, die T. in einer schwarzen Lederschmuckdose unter seinem Couchtisch aufbewahrte. Gegen 1.30 Uhr klingelten die Angeklagten an der Wohnungstür des jungen Mannes, wobei B. hinter seinem Rücken einen Aluminium-Baseballschläger versteckt hielt. Der gelernte Maler räumte dies vor Gericht ein, und er gab auch zu, dass er den Schläger hervorholte, als T. öffnete. Zunächst kam es zu einem kurzen verbalen Schlagabtausch zwischen den beiden, dann schlug B. zu. Der erste Hieb traf das Opfer im Gesicht, weitere Schläge bekam er auf dem Oberschenkel, Fuß und Knöchel ab. Die Vorsitzende Richterin Regina Holstein zeigte sich überrascht von so viel Brutalität: "Wollten Sie ihn umbringen?", fragte sie B., der meinte: "Nein, ich wollte ihm weh tun."

Auch der jüngere Bruder, ein 20-jähriger Schüler, soll T. brutal angegangen haben. Zweimal habe er ihm eine Bierflasche ins Gesicht geschlagen, so die Anklage. Der 18-jährige Begleiter soll sich derweil "eingriffsbereit" im Hintergrund gehalten haben. Trotz der Misshandlungen, die beim Opfer Prellmarken am ganzen Körper hinterließen, soll sich der Mann noch gewehrt haben. Zwischen ihm und den Brüdern B. kam es zu einem Gerangel, bei dem sich einer der Angeklagten die Schmuckdose mit den darin befindlichen drei 500 Euro-Scheinen gegriffen haben soll. Schließlich stahlen sie aus der Wohnung noch eine Tüte Marihuana, ehe sie die Flucht ergriffen. An einem Weiher sitzend, belohnten sie sich später mit mindestens zwei Joints.

Der mehrfach vorbestrafte Paul B., der auch in Untersuchungshaft sitzt, bestritt, auf die Scheine aus gewesen zu sein. Er habe kein Geld bei T. gesehen, sagte er. Zu dem Überfall habe er sich entschlossen, weil T. vor zwei Jahren seinen Bruder erniedrigt habe. Er habe ihm Wodka ins Gesicht geschüttet und ihn auch gezwungen, den Schnaps zu trinken. Als er davon erfahren habe, so B., sei er "wütend geworden".

Das Gericht hörte sich diese Aussage skeptisch an, zumal der Anlass für eine Abreibung mit einem Baseballschläger als zu gering erschien und zwischen dem Vorfall und dem Überfall bereits Jahre vergangen sind. Die Vorsitzende bohrte deshalb weiter nach beim Hauptangeklagten, der nach und nach damit herausrückte, dass er T. schon länger kannte und auch Drogen von ihm gekauft hatte. Dass sei im Übrigen auch ein Grund für den Übergriff auf T. gewesen, behauptete B. nun. Denn er habe seinen kleinen Bruder vor solchen Leuten schützen wollen. Das seien falsche Freund, die mit Drogen zu tun hätten, und er wolle seinen Bruder von Amphetaminen und Extasy fernhalten. Die Richterin reagierte verblüfft: "Sie nehmen doch selbst Drogen." Zudem habe er mit seinem kleinen Bruder nach der Tat auch zusammen gekifft. B. darauf: "Mit Marihuana hab' ich ja auch kein Problem." Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 06.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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