Streicher-Festival im Tölzer Kurhaus:Sechs Sieger in 13 Tagen

Lesezeit: 3 min

Das "Chaos String Quartet" aus Wien kommt zurück ins Kurhaus. (Foto: Manfred Neubauer)

Christoph Kessler bringt beim "Tölzer Preisträger Gipfel" junge ausgezeichnete Ensembles aus aller Welt auf die Bühne.

Von Paul Schäufele, Bad Tölz

Melbourne, Osaka und seit diesem Jahr auch Bad Tölz. Was sich im Laufe der Jahre im Tölzer Kurhaus angebahnt hat, ist spätestens mit dem internationalen Streichquartett-Wettbewerb Wirklichkeit geworden: Bad Tölz ist, in der Kartografie der Kammermusik-Liebhaber, eine Metropole. Um das zu feiern, hat der Verein "Klangerlebnis" sechs junge, preisgekrönte Quartette eingeladen. Von Dienstag, 16. Januar, bis Montag, 29. Januar, werden sie im Konzertsaal des Kurhauses zu hören sein, jeweils von 19.30 Uhr an.

Seit neun Jahren musiziert das Affinity Quartet, wobei die Phasen der Pandemie, anders als bei anderen Ensembles, nicht abgezogen werden müssen. Das Quartett bewies praktisches Geschick und machte aus vier Haushalten, die sich nicht hätten treffen dürfen, kurzerhand einen einzigen, eine Quartett-WG. Mit Haydns "Kaiserquartett" stellt es sich vor. Das zweite Werk, das das australische Ensemble am Dienstag, 16. Januar, präsentiert, ist ein Souvenir aus der Heimat. Brett Dean, der Komponist des Stücks mit dem schönen Titel "Hidden Agendas" (versteckte Absichten), kommt aus Brisbane.

Das "Barbican Quartet" reist aus London an. (Foto: Andrej Grilc/oh)
Das Isidore String Quartet aus New York gastiert in der neuen Saison in Pullach. (Foto: Jiyang Chen)

Nach wie vor einer der direkten Wege, sich einen Platz im Klassikbetrieb zu sichern, ist ein Preis beim Münchner ARD-Wettbewerb. Das international besetzte und in London ansässige Barbican Quartet hat 2022 den ersten geholt. Runder, ausbalancierter Klang wurde dem Quartett bescheinigt, bei gleichzeitiger Fähigkeit zu rasenden Ausbrüchen. Im Programm vom Donnerstag, 18. Januar, können sie beides zeigen. Ausgewogenheit in Haydns Opus 50 Nummer 1, Intensität in Alban Bergs Opus 3 sowie die sublime Größe, die etwa der Mittelsatz von Beethovens fünfzehntem Quartett ("Heiliger Dankgesang") erfordert.

Dem berühmten Satz, Wettbewerbe seien für Pferde und nicht für Künstler - angeblich hat Béla Bartók ihn gesagt - würde Christoph Kessler, Vorsitzender des Klangerlebnis-Vereins, nicht zustimmen. "Doch, die Wettbewerbe haben etwas mit Qualität zu tun", sagt er. Und er muss es wissen, schließlich hat sein Verein heuer einen viel beachteten Wettbewerb organisiert, dessen aus dem Stand erreichtes Renommee zwei Quellen hatte - eine hochkarätig besetzte Jury und eine Vielzahl außergewöhnlicher Quartette. Die Entscheidung, sie im Festival "Tölzer Preisträger-Gipfel" zusammenzufassen, lag nur daran. "Es gibt so viele tolle Quartette jetzt, da müssen wir was machen", erklärt Kessler.

Allein auf Wettbewerbs-Platzierungen verlässt sich Kessler indes nicht. Er kennt alle Quartette, mit Ausnahme des Quartetto Indaco. Am Montag, 22. Januar, widmet es sich neben Beethovens Opus 95 ("Quartetto serioso") dem konzentriert eleganten Werk, mit dem die Französin Germaine Tailleferre die Gattung beschenkt hat. Dass das italienische Quartett besondere Perspektiven einzunehmen weiß, deutet auch ein Foto seines Cellisten an. Durch eine biedermeierliche Brille schickt Cosimo Carovani einen grüblerischen Blick. Es ist eine bildliche Umsetzung seiner ebenfalls in Tölz zu hörenden Komposition, bei der er durch Franz Schuberts Brille geschaut hat. "In seinem Schatten" heißt es und zitiert damit das Lied "Der Lindenbaum".

Cosimo Carovani blickt mit seiner Komposition "In seinem Schatten" durch Schuberts Brille. (Foto: Cosimo Carovani/oh)

Spaß an Doppeldeutigkeiten hat auch das New Yorker Isidore String Quartet. Klar ist, dass die Juilliard-Absolventen ihre Gruppe 2019 nach dem Geiger Isidore Cohen benannt haben. Auf ihrer Seite erfährt man aber auch, dass ein orthodoxer Mönch so hieß, der das Rezept für Wodka erfunden haben soll. Sicher ist, dass das Quartett am Mittwoch, 24. Januar, Berauschendes von Mendelssohn und Brahms aufführt. Ergänzt wird es durch Werke der Iranerin Aida Shirazi und des Kanadiers Dinuk Wijeratne, der in seiner Komposition "The Disappearance of Lisa Gherardini" einen Kriminalfall in Töne gefasst hat: den Raub der Mona Lisa aus dem Pariser Louvre 1911.

Im selben Jahr gegründet wie das Isidore String Quartet, traut sich das Leonkoro Quartet an Klassiker. Mutig, aber schließlich bedeutet ihr Name "Löwenherz" in der Weltsprache Esperanto. Schuberts neuntes Quartett eröffnet das Programm, in dessen Zentrum Leoš Janáčeks "Kreutzersonate" steht, eine leidenschaftliche Musik-Erzählung auf 16 Saiten. Das Berliner Quartett wird am Samstag, 27. Januar, auftreten.

Susanne und Christoph Kessler haben sich intensiv auf den "Tölzer Preisträger-Gipfel" vorbereitet und ihr Wissen in einem "Almanach" zusammengetragen. (Foto: Manfred Neubauer)

Schöner könnte sich der Kreis nicht schließen. Denn mit dem Wiener Chaos String Quartet kehrt am Montag, 29. Januar, der erste Preisträger des Tölzer Wettbewerbs zurück ins Kurhaus. Nachdem die Chaos-Gruppe schon beim ARD-Wettbewerb auf sich aufmerksam machte, stellt sie nun ihre nochmals geschliffenen Fertigkeiten unter Beweis, mit Werken Mozarts, Fanny Hensels und mit der "Lyrischen Suite" Alban Bergs.

Sechs charakterstarke Quartette, die im Kurhaus gastieren und damit den Standort weiter als Kammermusik-Zentrum etablieren. Der Gipfel beweist, dass einem um die Zukunft der Quartett-Kunst nicht bange sein muss. Er ist deshalb auch als Einladung zu verstehen, die Karrieren dieser Quartette von Anfang an mitzuverfolgen. Von ihnen ist noch viel zu erwarten.

Ein 250-seitiger Festival-Almanach mit Informationen zu Werken und Ausführenden des "Tölzer Preisträger Gipfels" ist in der Tölzer Tourist-Information und vor jedem Konzert erhältlich (8 Euro). Das Abonnement aller sechs Konzerte kostet je nach Platz 116 oder 133 Euro. Einzeltickets zu 34 oder 39 Euro. Karten-Bestellung unter Telefon 08041 / 78670 (Tourist-Info Bad Tölz) oder unter www.muenchenticket.de

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