Bad Tölz:Geburtenstation macht 500 000 Euro Minus im Jahr

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Eine Rettung für die Tölzer Geburtshilfe gibt es nach Ansicht der für die Stadt tätigen Fachanwältin nur durch eine eigene Hauptabteilung in Kooperation mit einem anderen Krankenhaus. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Eine Medizinrechtlerin berät die Stadt, um das Angebot zu retten. Sie sieht keinen Anspruch darauf, hält aber einen Zuschuss für möglich.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Andrea Mangold ist Mutter dreier Kinder, die alle in Bad Tölz zur Welt kamen. Sie seien also "kleine Tölzer, auch wenn sie mittlerweile groß sind", sagt sie. Als Fachanwältin für Medizinrecht in einer Münchner Kanzlei begleitet sie die Stadt in den laufenden Verhandlungen über den Erhalt der stark gefährdeten Geburtshilfe an der Asklepios-Klinik. Sie wünsche sich persönlich, diese Station zu erhalten, bekannte sie in der Sitzung des Stadtrats am Dienstagabend. Zugleich stellte sie aber klar: "Es gibt keinen Anspruch darauf." Nötig seien noch viele Gespräche, auch mit den Krankenkassen.

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Mangold äußerte Verständnis für die Haltung des Asklepios-Konzerns. In Bad Tölz habe er bislang die hohe Haftpflichtversicherung der beiden Belegärzte mitbezahlt und Personal am Wochenende bereitgestellt, sagt sie. Nach dem neuen Antikorruptionsgesetz ist eine solche Finanzspritze gefährlich. Der Anwältin zufolge besteht das Risiko, dass Ermittlungen gegen Asklepios eingeleitet werden könnten - ob das so kommt, "kann niemand verlässlich sagen". Der Konjunktiv birgt jedoch Unsicherheit. "Man kann an einen jungen, dynamischen Staatsanwalt geraten, der mit Schaum vor dem Mund ermittelt", sagte Mangold. Das andere Problem ist der Mangel an Gynäkologen. Daran scheiterte der Versuch in der Tölzer Klinik, eine eigene Hauptabteilung zu gründen. Die Arbeit dort wäre für einen Arzt schon "sehr belastend, sehr verantwortungsträchtig", sagte sie. Stadtrat Ingo Mehner (CSU), Mitglied des Klinik-Beirats, kam zu Ohren, dass das Krankenhaus auf der Suche nach einem Gynäkologen offenbar nicht bloß eine Bewerbung aus Hamburg erhalten habe. Allerdings half das auch nicht weiter: "Die Bereitschaft ist sehr gering, Wochenenddienste zu leisten", sagte Mehner.

Den einzigen Ausweg sieht die Anwältin in einer neuen Hauptabteilung in Kooperation mit einem anderen Krankenhaus. Vorzugsweise mit Agatharied oder auch mit Garmisch. Nur so könne man "das gesamte Spektrum der Gynäkologie abdecken und leichter Ärzte gewinnen, auch durch eine Weiterbildung", erklärte sie. Diese Lösung käme indes "um Welten teurer" als eine Belegabteilung. Nötig wären ein Chefarzt, zwei bis drei Oberärzte, vier bis fünf Ärzte. Dann müsste es in Tölz aber auch mehr als 560 bis 590 Geburten im Jahr geben. Mangold richtete den Blick auf die Wolfratshauser Kreisklinik, wo etwa 280 Kinder pro Jahr zur Welt kommen. Dort stehe man über kurz oder lang vor dem selben Problem wie die Asklepios-Klinik, auch wenn die zwei Belegärzte dort noch ein paar Jahre weitermachen, so die Anwältin. "Wolfratshausen müsste langfristig schließen, damit mehr Geburten nach Tölz gezogen werden." Das werde man in Wolfratshausen nicht gerne hören, "da brauchen wir uns nichts vorzumachen", warf Stadtrat Willi Streicher (SPD) ein.

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Um die Geburtsstation zu retten, sieht die Anwältin den Landkreis in der Pflicht. Nach der bayerischen Landkreisordnung (LKrO) gehört die Gesundheitsvorsorge zu seinen Pflichtaufgaben. Wenn er sie nicht selbst oder durch einen privaten Träger sicherstellen könne, "muss er die Kooperation mit anderen Landkreisen suchen", sagte Mangold. Von daher sei ein Zuschuss für die Geburtshilfe "absolut darstellbar". Das jährliche Defizit, das die Asklepios-Klinik für die Station verbucht, bezifferte sie auf einen sechsstelligen Betrag. Bürgermeister Josef Janker (CSU) nannte hingegen eine Zahl: "500 000 Euro Minus für die Belegabteilung." Zugleich verwies er darauf, dass Asklepios nie Geld gefordert habe, um die Station aufrecht zu erhalten. "Wenn wir die Geburtshilfe haben wollen, geht das nur mit Asklepios", sagte Janker.

Die Tölzer Klinik ist ein Haus der Grund- und Regelversorgung, was im Überleitungsvertrag zwischen der Stadt und dem Konzern festgeschrieben wurde. Ob darunter nicht auch die Geburtshilfe falle, wollte Streicher wissen. Mangold antwortete mit einem klaren Nein. Erforderlich seien dazu nur die Chirurgie und die Innere Medizin, sagte sie. Auch die Stadt könne über den Erbpachtvertrag die Klinik nicht zwingen, dauerhaft eine defizitäre Abteilung zu betreiben. Für Franz Mayer-Schwendner (Grüne) ist es "ausgeschlossen, dass die Geburtshilfe in Tölz zumacht". Man brauche ja kein Zentrum für Risikofälle wie Mehrlingsgeburten, Frühchen oder Schwangere, die an Diabetes leiden, sondern für normale Niederkünfte. Für Mangold wäre eine wohnortnahe Versorgung zwar wünschenswert, aber das hänge auch vom Beitragsaufkommen der Krankenkassen ab. "Die Gelder im System sind begrenzt und alle in irgendeiner Form budgetiert hinsichtlich der Fallzahlen."

© SZ vom 02.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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