Amtsgericht Wolfratshausen: Personalmangel:Scharfes Urteil

Richter Eckermann kritisiert in einem offenen Brief die dünne Personaldecke am Amtsgericht - und geht auf Konfrontationskurs zum Bayerischen Justizministerium.

Benjamin Engel

In einem offenen Brief an die bayerische Justizministerin Beate Merk widerspricht Dieter Eckermann, Richter am Amtsgericht Wolfratshausen, der Pressesprecherin des Justizministeriums Anja Kesting: Ihre Aussage, die Arbeitsbelastung der Richter in Wolfratshausen sei nicht höher als anderswo, sei aus der Luft gegriffen, schreibt er.

In der Zivilabteilung herrsche "Chaos", die Strafabteilung sei 2010 "abgesoffen": Dieter Eckermann, Richter am Amtsgericht Wolfratshausen, wendet sich mit drastischen Worten an Justizministerin Beate Merk. (Foto: dpa)

Im Amtsgericht Wolfratshausen liege die Belastung deutlich über dem Landesdurchschnitt. Ähnliches gelte auch für die Servicekräfte. Die in den letzten eineinhalb Jahren entstandene Situation lasse eine ordnungsgemäße Rechtspflege nicht mehr gewährleistet erscheinen, kritisiert Eckermann. 2010 sei bereits "die Strafabteilung abgesoffen".

Jetzt herrsche wegen Personalnot "Chaos" in der Zivilabteilung. Neue Klagen würden dem zuständigen Richter erst über einen Monat nach Eingang vorgelegt. Fristgerecht eingegangene Schriftsätze gelangten dem Richter erst nachträglich zur Kenntnis.

Ebenso ziehe sich die Fertigung von Sitzungsprotokollen über mehrere Wochen hin. Es müssten sogar wochenlang zuvor anberaumte Termine kurzfristig verlegt werden, weil Schriftsätze und Ladungen verzögert übermittelt würden.

"Die Personaldecke ist eng und der Leistungsdruck hoch", bestätigt die Direktorin des Wolfratshauser Amtsgerichts Elisabeth Kurzweil. Schlechter als an anderen Gerichten sei die Personalsituation aber nicht. Nach Klagen von Rechtsanwälten über lange Verfahrensdauern hatte die Pressesprecherin des Justizministeriums Anja Kesting Anfang März gesagt, die Arbeitsbelastung der Richter am Amtsgericht Wolfratshausen sei nicht höher als andernorts.

Auf das Schreiben von Eckermann reagiert das Justizministerium zurückhaltend. Man habe den Brief an das Oberlandesgericht als obersten Dienstherrn weitergeleitet, so Kesting.

© SZ vom 19.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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