Wirtschaftsreferent Reiter beim CL-Finale:Wenn einer eine Reise tut

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Dieter Reiter ist bekennender Fan des FC Bayern. Aus seiner Reise zum Champions-League-Finale machte er kein Geheimnis. (Foto: dpa)

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Dieter Reiters All-inclusive-Trip zum Finale der Champions League nach London. Die Reise des Münchner Wirtschaftsreferenten und OB-Kandidaten wirft eine Menge Fragen auf - darunter jene, wie es überhaupt dazu kommen konnte.

Von Dominik Hutter und Silke Lode

Der Kandidat wollte sich nicht verstecken. "Auf geht's", hat Dieter Reiter via Facebook aus dem Wembley-Stadium gepostet, dazu ein Foto von der Tribüne herab direkt aufs Spielfeld. Am 25. Mai war das - dem Tag des Champions-League-Finales. Der Neid der Daheimgebliebenen war dem Wirtschaftsreferenten gewiss. "Du - in London?! Respekt!", kommentierte Kommunalreferent Axel Markwardt. Der SPD-Stadtrat und Gewerkschafter Horst Lischka schrieb überschwänglich: "Hallo Dieter, bring das Ding mit nach Hause." Es waren Wochen im Rausch für Bayern-Fans, und dieser Abend bildete den dramaturgischen Höhepunkt.

Der Partymarathon nahm auch in der Münchner Verwaltung viele in Beschlag. Einen ganz besonders: Dieter Reiter, der nicht nur bekennender Fan der Rot-Weißen ist, sondern auch viel Arbeit mit dem Drumherum hatte. Es galt, geeignete Orte fürs Public Viewing zu finden, das zwischenzeitlich auf der Kippe zu stehen schien. Reiter und sein Dienstherr Christian Ude einigten sich mit Vertretern von Verwaltung und FC Bayern schließlich darauf, trotz der baustellenbedingten Engpässe bei der U-Bahn sowohl in der Allianz-Arena als auch auf der Theresienwiese das Match zu übertragen. Geschafft. Die Mega-Fete kann beginnen.

Man kann sich vorstellen, wie sehr sich der Bayern-Fan freute, als - so stellt er es dar - im Urlaub ein Anruf aus dem Rathaus kam. Man habe eine Einladung der Bayern zum Finale, und Ude weile auf Mykonos. Streng protokollarisch wären dann zwar zunächst die beiden Bürgermeister und nach ihnen die Stadtrats-Fraktionschefs an der Reihe gewesen. Laut Wirtschaftsreferat ist Reiter aber ohnehin "nicht als offizielle Vertretung der Stadt, sondern auf persönliche Einladung" gereist. Als Wirtschaftsreferent, der für die Zusammenarbeit mit dem FC Bayern bei mehreren Projekten zuständig ist.

Ein enges Verhältnis

Diese verbale Spitzfindigkeit scheint allerdings nicht einmal die Münchner SPD zu überzeugen. Als Reaktion auf die Vorwürfe an Reiter begrüßte die Partei ausdrücklich "die Teilnahme von Repräsentanten der Stadt München an wichtigen Veranstaltungen". Tatsächlich pflegt Reiter seit jeher ein enges Verhältnis zum FC Bayern. Er war es auch, der zu Beginn seiner Amtszeit auf Bitten des Vereins durchgesetzt hat, dass auf den Hinweisschildern zur Fröttmaninger Arena der Name des Sponsors Allianz auftaucht.

Man kann aber getrost davon ausgehen, dass es auch ganz gut ins Konzept der SPD passte, wenn sich der nur mäßig bekannte OB-Kandidat auf internationalem Parkett sonnen darf. Dass Reiter keineswegs ein schlechtes Gewissen hatte oder seine Reise geheim halten wollte, belegen seine Facebook-Einträge.

Dennoch muss man im Rathaus gewittert haben, dass die Einladung des FC Bayern ein "Gschmäckle" haben könnte. Sonst wären wohl kaum die Rechtsabteilungen des Wirtschaftsreferats wie auch des Direktoriums mit dem Fall befasst worden. Die überprüften vor der Genehmigung die möglichen juristischen Folgen An die politischen scheint im Rathaus niemand gedacht zu haben.

Seit die London-Reise von der Staatsanwaltschaft untersucht wird, ist auch die Rolle Udes stärker in den Fokus gerückt. Der Oberbürgermeister hatte als Chef der Stadtverwaltung die Annahme der Einladung genehmigt - doch die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob die All-inclusive-Reise überhaupt genehmigungsfähig war.

In der "Richtlinie zum Verbot der Annahme von Belohnung oder Geschenken" aus dem Jahr 2007 ist festgelegt, dass alle Mitarbeiter der Stadt vom Müllmann bis zum Referenten "ausnahmsweise" Geschenke im Wert von maximal 15 Euro annehmen dürfen. Ausnahmen, die diese Summe übersteigen, können genehmigt werden. Ein Register im Anhang führt detailliert auf, welche Geschenke unter welchen Umständen genehmigt werden können. In vielen Punkten ist die Anti-Korruptions-Richtlinie strikt: Bargeld, Bauleistungen, Benzingutscheine, Flugtickets, Einladungen in Feinschmeckerlokale oder Reisen sind grundsätzlich verboten.

Legt man diese Vorschrift zu Grunde, gibt es keinen Interpretationsspielraum: Die Einladungen des FC Bayern, die auch an den Chefdirigenten und den Intendanten der Münchner Philharmoniker gingen, hätten nicht genehmigt und angenommen werden dürfen.

Strenge Regeln und die Ausnahmen

Allerdings beruft Ude sich bei seiner Zustimmung auf eine andere Grundlage. Am 20. Februar 2012 hat er eine besondere Verfügung für kommunale Wahlbeamte, also für Referenten wie Dieter Reiter, erlassen. In dem Papier, das noch vor wenigen Tagen als "internes" Schriftstück galt, stellt Ude zunächst klar, dass auch für die Referenten die Regeln aus dem Jahr 2007 gelten. Allerdings gibt es für sie angesichts ihrer "herausgehobenen Aufgaben" einige Ausnahmen. "Übliche, angemessene Bewirtungen" und die Übernahme von "Reise-, Hotel- und Veranstaltungskosten durch den Veranstalter" bei repräsentativen Anlässen gehören dazu.

In diesem Schreiben ermahnt Ude seine Spitzenbeamten aber auch zu "Zurückhaltung" und dem "notwendigen Fingerspitzengefühl dafür, was sozialadäquat und vertretbar ist". Und Ude weist darauf hin, dass für die ausdrückliche Zustimmung er persönlich zuständig sei. An dieser Stelle ist nun wieder ein Blick in die eigentliche Richtlinie interessant, die in § 5 regelt, unter welchen Voraussetzungen Ausnahmen genehmigt werden können.

So dürfe bei Dritten kein Eindruck der Befangenheit entstehen; die "objektive Amtsführung" darf nicht beeinträchtigt sein, und es muss klar sein, dass der Geber "eindeutig keine Beeinflussung" des dienstlichen Handelns beabsichtigt. Im selben Paragrafen steht auch, dass die Verantwortungen für Fehlentscheidungen der Zustimmende trägt - also Christian Ude. Und es heißt: "Bei der geringsten Unsicherheit darüber, ob die Voraussetzungen für eine Zustimmung vorliegen, muss sie versagt werden."

© SZ vom 24.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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