Wiesn-Musik:Steigt bei jedem "Prosit der Gemütlichkeit" der Bierumsatz?

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Kapelle im Winzerer Fähndl. (Foto: Catherina Hess)

Vier Experten geben Antworten, worauf es bei der richtigen Wiesn-Musik ankommt - und ob es Vorgaben durch die Wirte gibt.

Von Franz Kotteder und Andreas Schubert

Musik auf der Wiesn - ein schwieriges Thema: Den einen ist sie zu laut, den anderen zu leise, die einen wollen traditionelle Blasmusik, die anderen aktuelle Popsongs und "Atemlos" oder "Hulapalu" bis zum Abwinken, und die Wiesnwirte freuen sich über jedes "Prosit der Gemütlichkeit", weil dann angeblich der Bierumsatz steigt. Wir fragen vier Experten, was Wiesnmusik ausmacht: Den Volksmusiker Josef Zapf (spielt im Ammerzelt), Roland Schleifer (macht Stimmungsmusik mit seiner Band Blechblosn im Weinzelt), die Musikerin und Programmgestalterin Franziska Eimer sowie den Sprecher der Wiesnwirte, Toni Roiderer vom Hackerzelt.

Toni Roiderer: "Den Blödsinn mit dem Prosit habe ich auch schon gehört. Das ist aber ein Schmarrn. Wir schreiben der Musik da gar nichts vor. Als Wiesnwirt ist man dazu da, dass man den Gast glücklich macht, da muss ich drauf schauen. Ich muss die Stimmung spüren: Wie empfindet der Gast? Die Musik entscheidet doch über das Wohlempfinden in einem Zelt - die Musik und das Gegenüber, das man hat. Als Wirt muss man wissen: Was passt zu deinem Publikum?

Dass man bei uns im Hackerzelt etwas rockigere Musik spielt, hängt mit meiner Anfangszeit als Wiesnwirt zusammen. Damals war ich noch jung und unverbraucht und ich wollte es halt ein bissl flotter. Man sollte es auch verstehen, innerhalb der verschiedenen Musikgruppen eine Konkurrenz herzustellen: Dann spielen sie fleißiger, dann sind sie pfiffiger. Wenn du bloß eine Kapelle hast und einen besoffenen Kapellmeister, spielen die weniger. Und auch weniger ,Prosit'."

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Roland Schleifer: "Vorgaben für die Musik gibt es für uns überhaupt nicht auf der Wiesn. Anders übrigens als beim Cannstatter Wasn im Stuttgart, wo wir in einer Woche spielen: Da ist es schon genau festgelegt, vom "Prosit" bis zum Programm. AC/DC ist dort zum Beispiel unerwünscht. Dass die Wiesn einen kommerziellen Zweck hat, ist aber auch klar: Wenn einer so eine Riesenhütte hinstellt, dann möchte er natürlich rausholen, was geht. Ein bisschen Anmache, ein bisschen Animation, finde ich okay, das gehört doch auch dazu. Aber was die Motivation anbelangt, ist es das Gleiche wie bei allen anderen Musikern. Wenn wir Spaß haben, überträgt sich das. Es ist ein Geben und Nehmen. Wenn die da unten gut drauf sind, dann hören wir das auch."

Josef Zapf: "Wir spielen einen Wiesnhit von 1957, ,auf und ab', eine Polka aus Niederbayern, das war damals ein Wiesnhit. Wir haben keine Vorgaben, die Wirte legen darauf Wert, dass wir als Musiker eine Freude an der Musik haben, dann haben auch die Gäste eine Freude. Es gibt ja die Vorgabe: bis 17 Uhr nur Blasmusik. Die von den großen Zelten lügen alle, weil die Brauereien das nicht wollen. Die spielen dann zwei Märsche und einen Walzer, und das war's. Es ist schade, dass die Musik nicht mehr Musik machen darf, sondern eine Animation stattfindet, damit gesoffen wird.

Das wird ja gezielt für den Bierverkauf eingesetzt. Da würde ich mich als Musikant am Nachmittag missbraucht fühlen. Ich trau mich wetten, dass Hulapalu in zwei Jahren keiner mehr hören will, in drei Jahren ist es vergessen. Das ist musikalisch so hohl. Zwar können alle mitmachen, holi holi jei, das ist aber keine Musik. Das ist Fangesang im Fußballstadion, mit einem Lied hat das für mich nichts zu tun."

Franziska Eimer: "Ich achte bei Musik auf Vielfalt und darauf, dass es auch wirklich Kultur ist. Ich bringe gerne Kulturen zusammen. Das würde auch auf dem Oktoberfest funktionieren - wenn man sich nur trauen würde. Im Hofbräuhaus und auf der Oidn Wiesn funktioniert es ja auch, dass sich Kulturen treffen, und ich denke auch dass dort der Bierkonsum stimmt. Es wäre schon toll, ein Kulturzelt mal auf der großen Wiesn zu installieren, in einem großen Zelt, das wär der Wahnsinn. Im Hofbräuhaus sind ja auch Gäste aus der ganzen Welt. Wenn diese Vielfalt dann durch die Musik widergespiegelt wird, fühlen sich die Leute auch wohl."

© SZ vom 29.09.2016 / fjk, schub - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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