Wiesn-Hits der Redaktion:Hitparade der Glückseligkeit

Nirgendwo funktioniert das kollektive Musikgedächtnis besser als im Bierzelt. Und so gibt es auf dem Oktoberfest fast nichts Schöneres, als Teil des Höllenorchesters zu sein.

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WIES"N STANDKONZERT

Quelle: DPA

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Was wäre die Wiesn ohne Wiesn-Hits, ohne den musikalisch enthemmten, aber erstaunlich textsicheren Choral im Bierzelt? Wohl nur der halbe Spaß. Es gibt beinahe nichts Schöneres auf dem Oktoberfest als ein Live-Konzert des Höllenorchesters - wenn man selbst ein Teil davon ist. SZ-Autoren beschreiben ihre Lieblingswiesnlieder. Eine Hitparade der überschäumenden Lebenslust.

Spider Murphy Gang

Quelle: privat

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Es geht um eine Rosi und um das, was in "dieser schönen Stadt" alles verboten ist: Auf der Wiesn gibt es nach wie vor kaum ein Lied, das münchnerischer ist als "Skandal im Sperrbezirk". Und mit seinem Text ist es wundersamerweise heute noch so aktuell wie damals. 1981 wurde es im Rahmen der Neuen Deutschen Welle von der Spider Murphy Gang geschrieben - heute ist der "Sperrbezirk" ein Wiesn-Hit erster Güte. Im Bierzelt gibt es kaum jemanden, der diesen Song nicht lauthals mitgrölen würde. Außerdem besagt die Legende, dass die Telefonnummer 32 16 8, Rosis Nummer, gleich nach Veröffentlichung des Songs derart oft gewählt wurde, dass der damalige Münchner Nutzer der Nummer eine neue beantragen musste. Es herrschte eben "Konjunktur die ganze Nacht". Beate Wild

Smokie sind zurück!

Quelle: obs

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Im Feuilleton hatten wir mal einen Kollegen, der stammte aus dem ostfriesischen Aurich und war an und für sich sehr nett. Nur wirkte er oft nicht so richtig entspannt. Er war nicht so der Typ, der sich gern gehen ließ. Um das zu ändern, nahmen wir ihn mit auf die Wiesn. Er wirkte anfangs durchaus wissbegierig, war auch anstandslos dazu bereit, eine Maß Bier zu erwerben. Dann aber setzte die Musik ein, und es war ihm sichtlich anzumerken, wie unangenehm ihm der Aufenthalt inmitten grölender, schwitzender, trinkender Menschen war, die "Oans, zwoa, gsuffa!" brüllten. Daran änderte auch die zweite Maß nichts: Während alle anderen längst auf den Bänken standen und die Krüge schwenkten, saß er immer noch als Einziger unten. Dann aber kam "Living next door to Alice", der alte, sentimentale Schmachtfetzen von Smokie, mit der neuen, alles relativierenden Zeile "Alice? Who the fuck is Alice?" Sein Gesicht erstrahlte vor Wiedererkennungsfreude, und schon stand auch er auf der Bank und schunkelte mit. Als er wieder nüchtern war, beschloss er dann aber doch, lieber zur Konkurrenz nach Frankfurt zu gehen. Franz Kotteder

CARS 2 - Germany Premiere

Quelle: Hannes Magerstaedt/Getty Images

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Die Tonleiter in den Musikhimmel hat vier Stufen: Ein Dreiklang in E-Dur, auf den noch eine Quinte gesetzt wird, und der sich bis zum hohen Fis steigert. Nichts verstanden? Kein Problem. Singen Sie einfach den Refrain von Robbie Williams "Angels" nach, den kennen Sie sicher. War noch nichts? Dann schließen Sie die Augen, denken Sie sich in ein Wiesn-Festzelt, zusammen mit Tausenden Menschen. Alle stehen auf Bierbänken, umarmen sich, halten die Krüge in die von Schweiß und Hendlfett kontaminierte Luft. Singen Sie den Refrain erneut. Stellen Sie sich vor, wie Sie Ihrem Chef oder Ihrer Exfreundin den Arm um die Schulter legen, ohne dass es peinlich ist. Wie Sie zum ersten Mal an diesem Wiesnabend ihr Gleichgewicht problemlos halten und notfalls auch aus dem Krug des Nachbarn trinken. Vor Ihrem Tisch stellt die Bedienung kurz ihre Krüge ab, hakt sich ein und stimmt in den Gesang mit ein: "And through it all she offers me protection." Öffnen Sie die Augen. Ist das Oktoberfest nicht großartig? Tobias Dorfer

TSV 1860 MÜNCHEN - SV WERDER BREMEN

Quelle: DPA

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Taaa, tarataaa, tara ta ta ta ta ta ta ta ta, siemundünfzig, achtundfünfzig ... Verglichen mit den Fanfaren dieses gloriosen Vorspiels klingt der Triumphmarsch aus Giuseppe Verdis "Aida" wie der Ententanz. Ein Jammer, dass die Wiesn-Kapellen den Sechzger-Marsch viel zu selten spielen. Es mag daran liegen, dass nur eine Hälfte des Zeltes ausflippt, während die andere gellend pfeift oder die Toilette aufsucht. Solche Banausen haben weder eine Ahnung von Musik noch einen Sinn für die philosophische Dimension, die der Text in der ersten Strophe erreicht: "Ein Verein, der hat es gar nicht leicht, wenn er will, dass er sein Ziel erreicht." Du musst den Kapellmeister allerdings bestechen, damit er den Sechzger-Marsch spielt. Unter vier, fünf Maß geht gar nichts. Aber dann. "Neunundfünfzig, sechzig, ja so klingt's im Chor." Pah, Verdi. Da capo! Und ihr, Banausen, pfeift weiter. Rudolf Neumaier

VILLAGE PEOPLE HUGHES

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Der Erfolg eines schwulen Kostümvereins aus New York namens Village People, der ein Loblied auf den Christlichen Verein Junger Männer - YMCA - singt, ist zuerst einmal ein Zeugnis der unverbrüchlichen Liberalitas Bavariae. Wer sein Auge auf junge Männer in Gottes Obhut wirft, wird schon kein schlechter Mensch ein, weiß er ja offensichtlich, wer für die Schönheit auf dieser Welt verantwortlich ist. Davon einmal abgesehen, hat hier jemand ein Lied geschrieben, der um die Grenzen der Dichtkunst wusste. Denn hat man erst einmal die Promillegrenze überschritten, sind die Silben Waiii! Emm! Si! Ey! allemal schlüssiger als das in diesen Tagen so gern als Säule der deutschen Kultur zitierte "Wandrers Nachtlied". Wobei man nicht zuletzt darauf hinweisen sollte, dass der "Four-on-the-floor"-Rhythmus der Discomusik in seiner Urform auf dem Bayerischen Defiliermarsch beruht, was auch die Vorliebe der Originalinterpreten für kurze Hosen erklärt. Andrian Kreye

Oktoberfest 2011 - Day 2

Quelle: Getty Images

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Das perfekte Rezept für einen Wiesnhit: Ein eingängiger Text  (so was wie "Hölle, Hölle, Hölle"), den man spätestens nach dem zweiten Bierzeltbesuch komplett auswendig kennt und der einen bald bis in die Träume begleitet. Noch hitverdächtiger macht so ein Lied der passende Tanz, der auch nach der dritten Maß die Bewegungskoordination auf der Bank nicht überfordert - Schwimm- und Fliegbewegungen imitieren kann schließlich jedes Kind. Insofern muss man den Damen der spanischen Popformation Las Ketchup Respekt zollen. Schon nüchtern ist der Text des Ketchup-Songs "Asereje" nur schwer zu verstehen. Geschweige denn mitzusingen. Wer kann sich schon, ob nüchtern oder nicht, Zeilen wie "Asereje ja de je de jebe tu de jebere seibiunouva, Majavi an de bugui an de buididipi" merken? Und so richtig hat diesen Tanz, bei dem man recht schnell die Hände vor dem Körper kreuzen muss und dann grazil mit den Knien wackeln, ja hierzulande auch kaum einer je verstanden. Zumindest im Bierzelt nicht. Spaß macht er trotzdem. Auch nach zehn Jahren noch. Anna Fischhaber

Verleihung Viva Comet 2010

Quelle: ddp

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Italiener in Partystimmung: laut, aufgedreht - und gesungen wird irgendwann auch. Gemeinhin singt der Italiener ausschließlich in seiner Landessprache. Inzwischen gibt es ein Lied, bei dem sich die Besucher aus Bella Italia leichter tun als beim Alten Holzmichl. Es stammt von den Atzen und schallt seit einem Jahr aus den Vorstadt-Discos: "Hey, das geht ab. Wir feiern die ganze Nacht". Ihnen scheint die Melodie des Refrains zu gefallen. Italiener singen schon bei der zweiten Wiederholung mit (und die Zeile wird oft wiederholt - sehr oft). Das hört sich ordentlich an, wer aber genauer hinhört, merkt: Bei der Aussprache hapert's dann doch. Vor allem der zweite Refrain-Teil ist für sie der reinste Zungenbrecher, ein teutonischer Heuler. Noch schwieriger ist nur die Übersetzung. Oder weiß jemand, was "Das geht ab" auf Italienisch heißt? mek

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Quelle: privat

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Über die infantilisierende Wirkung des Biers ist mehr als genug geschrieben worden. So ist es nicht verwunderlich, dass einer der neuesten Hits - der es 2008 ins Repertoire geschafft hat - eigentlich ein Kinderlied ist: Die Band Donikkl aus Regensburg komponierte "So a schöner Tag", um die Bewegungskoordination bei Kindern zu fördern. Dass eine solche Förderung auch mancher Wiesnbesucher nach der dritten Maß nötig haben könnte, beweisen viele, wenn sie mitzumachen versuchen beim Flieger-Tiger-Giraffe-Machen, beim Springen-Schwimmen-Handnehmen, und dabei fast von der Bierbank fallen. Hoffentlich haben's ihre Kinder nicht gesehen. Stephan Handel

Verleihung der Goldenen Stimmgabel

Quelle: ddp

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Traurige Geschichten rühren die Herzen der Menschen. So ist das schon immer gewesen. Man stelle sich die Szene vor: Ein Mann steht in einer leeren Wohnung, während seine Liebste irgendwo in den Armen eines anderen liegt. Er geht kaputt. Sein Herz? Bleischwer. Sein Stolz? Längst auf dem Müll. Es ist die Hölle. Wer glaubt, dass es auf der Wiesn einfach nur derb zugeht, hat noch nie erlebt, wie Tausende auf den Bänken stehen und inbrünstig "Hölle, Hölle, Hölle!" intonieren. So müssen sich die Schmerzensschreie im Fegefeuer anhören. Das ist wahres Mitgefühl. Dass so ein Lied auf der Wiesn ein Hit wird, folgt einer einfachen Logik: Viele wissen dort nicht einmal, wo sie selbst sind, geschweige denn ihr Spatzerl. "Wo bist du? Sag mir, wo bist du?" Keine Frage liegt doch näher. Jetzt zu behaupten, dass den Leuten im Bierzelt der arme Kerl aus Wolfgang Petrys Lied wurscht ist, solange sie nur "Müll, Sondermüll!" brüllen, Bier saufen und feiern dürfen: Das ist Wahnsinn. Andreas Lochner

ACDC

Quelle: AP

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Noch in den siebziger Jahren war ein Wiesnzelt für einen Rock'n'Roller ein Ort des Grauens, weil die Blaskapellen eine Musik exekutierten, bei der einem die Lederjacke zu verschimmeln drohte. Heute, da man längst zu alt ist für Rock'n'Roll, intonieren sie den AC/DC-Klassiker "Highway to Hell" häufiger als den Ententanz, und vor allem die Jungs in Lederhosen spielen dazu Luftgitarre. Experten behaupten zwar, "Highway to Hell" sei ein wenig einfacher gestrickt als Mozarts Musik bei Don Giovannis Höllensturz, aber das ist Ansichtssache. Tatsache ist, dass die Höllenfahrt mit AC/DC alte Rock'n'Roller in junge Rock'n'Roller verwandelt - jedenfalls bis zu dem Moment, da sie beim Sprung über den Biertisch hängenbleiben und wie Don Giovanni in den Abgrund stürzen. Zur Vermeidung blauer Flecken wäre es gut, hätten sie eine Lederjacke dabei. Aber die ist längst verschimmelt. Wolfgang Görl

OKTOBERFEST 2000 "ANTON AUS TIROL"

Quelle: DPA

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Was ist ein Wiesnzelt und die darin feiernde Masse schon anderes als eine großße Liebeserklärung an das Leben, das Universum und den ganzen Rest? Und wenn die Liebe zur Menschheit, die Überschwänglichkeit dann überschwappt, dann kommt eine Hymne gerade richtig, eine Hymne zum Mitsingen und dafür, den Nächsten/die Nächste an der Hand zu nehmen und das Blaue vom Himmel herunter zu versprechen. Nur das Blaue? Nein - einen ganzen Stern, den einen nämlich, der deinen Namen trägt, die Liebeserklärung von DJ Ötzi im Bummsdi-Rhythmus: "Ein Stern, der deinen Namen trägt, hoch am Himmelszelt, den schenk ich dir heut' Nacht". Und auch wenn da Nominativ und Akkusativ ein wenig durcheinandergeraten sind - egal. Wenn doch die Liebe so groß ist... Stephan Handel

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Quelle: Alessandra Schellnegger

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Es gibt ein untrügliches Zeichen dafür, dass ein Song zum Wiesnhit taugt: Wenn er es potentiell in die Anti-Hitparaden der Läster-Feuilletonisten schaffen könnte. Achy Breaky Heart - zu Deutsch: Schmerzi-Brechi-Herz - hat eindeutig das Zeug dazu. Billy Ray Cirus, der Vater von Miley Cirus, war es, der der Welt dieses Lied mit dem schlimmen Text und der sich grausam ins Ohr bohrenden Melodie beschert hat. Auf der Wiesn punktet das Lied noch mit einem weiteren Merkmal: Es trägt zur Völkerverständigung bei. Denn plötzlich verspürt der junge Australier das Bedürfnis, sich bei seinem Nachbarn, einem Ur-Bayern mit Zwirbelschnauzer und Trachtenjanker, unterzuhaken und mitzuschunkeln. Apropos Schmerzi-Brechi-Herz: Wo sonst wäre ein solches Lied besser aufgehoben als auf der Wiesn, wo sich die Feiernden diese komischen herzförmigen Lebkuchenteile um den Hals hängen? So jedenfalls lautete die erstaunte Feststellung unseres australischen Gastes, was er aber schnell wieder vergessen hat ob des Anblicks der riesigen "Steins" im Festzelt. Das heißt Maß, haben wir ihn belehrt - vergeblich. Nach dem Konsum des zweiten Liters interessiert sich der Bursche für nichts mehr, hängt schlaff über seinem Maßkrug und summt ununterbrochen vor sich hin. Er ist in der Achy-Breaky-Heart-Endlosschleife hängengeblieben. Kathrin Haimerl

ZILLERTALER "SCHÜRZENJÄGER"

Quelle: DPA

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Jetzt endlich eine Ballade nach all den schweißtreibenden Gassenhauern. Die Kapelle spielt "Sierra Madre" von den Schürzenjägern, und das Madl bringt ihr Dekolleté in Position, um sich dem seit Stunden anvisierten Anbandelpartner unsittlich zu nähern. Doch dann, kurz vor dem ersten Refrain, setzt der stramme Lederhosenträger einen hasserfüllten Blick auf und schmettert mit letzter sängerischer Manneskraft in vollem Bewusstsein einen falschen Text: Eine homofeindliche Parole gegen einen westdeutschen Fußballverein. Warum nun ausgerechnet der Ballsportverein Borussia, kurz BVB, schwul sein soll, interessiert die enttäuschte Kuschelwillige nicht weiter. Sie wünscht sich - oder noch besser ihn - in diesem Moment am liebsten in die Sierra Madre. Stefan Galler

200 Jahre Oktoberfest

Quelle: dpa

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Sinnkrisen ereilen einen dann, wenn man sie am wenigsten erwartet - sogar auf der Wiesn kann es passieren, dass sich mitten im Zelt plötzlich große Menschheitsfragen auftun: Wer bin ich? Was bin ich? Wo bin ich? Gut, dass da das Steirer Trio S.T.S. vor 26 Jahren "I will ham nach Fürstenfeld" geschrieben hat - die Hymne aller verlorenen Seelen schlechthin. Die Kleinstadt in der südöstlichen Steiermark, die außer den paar Südoststeirern niemand kennt, macht sich gut als weltweites Synonym für Geborgenheit. Wem im Kollektivrausch aus Festbier, Mini-Dirndln und Gegröle die Orientierung verlorengeht, der vertraut sich nur zu gern dem heimeligen Polkarhythmus an. Dass der Text nicht bairisch, sondern steirisch ist, stört weder Sachsen noch Italiener oder Australier. "Langsam kriag i wirklich gnua', i frag mi, was i da tua" - wenn diese Selbsterkenntnis Tausende auf einen Schlag zugleich trifft, ist der kategorische Imperativ "Weitersaufen!" überflüssig. Karnik Gregorian

Liedermacher Reinhard Mey wird 65

Quelle: dpa

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"Über den Wolken" von Reinhard Mey ist im Original ein nachdenkliches Lied, man sieht Mey in seiner Altherren-Lederjacke an der Startbahn stehen und dem Flieger nachschauen. Als solches ist der Song natürlich gänzlich ungeeignet fürs Bierzelt, denn dessen Zweck ist es ja, gerade nicht nachzudenken. Gut, dass da 1997 Dieter Thomas Kuhn daherkam, den sie auch die "singende Föhnwelle" nennen; er verpasste der Melodie einen Samba-Rhythmus, trieb ihr dadurch sämtliche Nachdenklichkeit aus und gelangte somit ins Repertoire der Wiesnhits - inklusive des Zwischenchores "Ja, ja, ja", der der mitsingenden Masse Gelegenheit zur gestischen Ausgestaltung der Angelegenheit gibt. Ob Reinhard Mey darüber nachdenklich geworden ist, weiß der Himmel. Stephan Handel

DIE HÖHNER ROCKIN' RONCALLI SHOW

Quelle: OBS

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Zwei Jahre in Folge - 2004 und 2005 - kam der Wiesnhit von einer Band mit dem in Münchner Ohren fremd klingenden Namen Höhner. Das ist kölsch und bedeutet Hühner. Also Hendl. Wieso singt ein Haufen Bayern im Bierzelt einen Song einer fremdsprachigen Band aus vollem Halse mit? Ein noch größeres Paradox an diesem Wiesnhit, ja geradezu ein Affront, ist, dass das Lied Viva Colonia heißt. Es rühmt nicht die bayerische Hauptstadt, sondern die Domstadt in Nordrhein-Westfalen, Heimat des Karnevals. Sind die Bayern im Bierzelt durch den exzessiven Bierkonsum verrückt geworden? Nein! Denn Höhner singen in dem Lied: "Wir lieben das Leben, die Liebe und die Lust. Wir glauben an den lieben Gott und haben auch immer Durst." Und das beschreibt das Wesen der Bayern vortrefflich. Besonders das von jenen im Bierzelt. Lisa Sonnabend

RANCH RODEO

Quelle: SZ

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Manchmal ist die Wiesn wie Ballermann, allerdings ist bei aller Maßlosigkeit immer ein gewisses Rest-Taktgefühl vorhanden. Selbst im größten Rausch versteht es das Bierzelt-Kollektiv, etwa die Lieder von Jürgen Drews stilsicher darzubieten. Ein Bett im Kornfeld? Was ist schon dabei! Seit einigen Jahren gibt es einen besonders knalligen Hochreißer von mallorquinischer Qualität: Cowboy & Indianer, ein Lied, das Eingeweihte noch nach der fünften Maß ohne Probleme hinbekommen. "Hast du mich umzingelt, werd' ich mich ergeeeben, stell mich an den Marterpfaaaahl, komm hol das Lasso raus, so wie beim ersten Maaal." Das ist große deutsche Liedkunst, die auf der Wiesn mit einer speziellen Gestik untermalt wird: Pferdegetrappel, Marterpfahl, Lassowerfen, und am Ende liegen sich alle Ballermänner und Ballerfrauen glücklich in den Armen, das Bett im Kornfeld vor Augen. Mehr kann man von einem Wiesnhit auch gar nicht verlangen. Christian Mayer

© Süddeutsche.de/tob/rus
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