Vor Gericht:30-Jähriger soll Exfreund mit Eisenstange fast zu Tode geprügelt haben

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  • Der Rentner Werner B. wirft Joandson S. vor, ihm mehrmals mit einer Eisenstange auf den Kopf geschlagen zu haben. S. steht nun wegen versuchten Mordes vor Gericht.
  • S. hat die Tat über seine Anwältin gestanden und sich entschuldigt.
  • Bei der Verhandlung vor dem Landgericht wird mehr über die Hintergründe bekannt: Die beiden hätten eine Partnerschaft eingehen wollen, dann sei es zum Streit gekommen.

Von Susi Wimmer

"Ja natürlich suche ich weiter auf dem Dating-Portal nach einem Partner - wegen der zwei schlechten Erfahrungen...". Die Aussage von Werner B. sorgt für Staunen im Gerichtssaal. Erst im Juni dieses Jahres hatte der 73-Jährige vor dem Landgericht geschildert, wie er im April 2016 von zwei Callboys in seiner Wohnung geschlagen, gewürgt und ausgeraubt worden war, die er im Internet kennengelernt hatte. An diesem Montag nun sagt er vor dem Landgericht München I als Zeuge aus, weil ein 30-Jähriger, den er über dieselbe Plattform kennengelernt hatte, ihn im März mit einer Eisenstange fast tot prügelte. Die Suche nach der Liebe, so der Rentner, will er trotzdem nicht aufgeben.

Die Callboys sind bereits zu dreieinhalb und vier Jahren Haft verurteilt worden. Nun steht Joandson S. vor Gericht, ein gebürtiger Brasilianer, 30 Jahre alt, und von Kindesbeinen an vom Wunsch beseelt, nach Deutschland zu reisen. Ein Psychologie-Studium scheiterte jedoch an den Studiengebühren, und als er über eine Homosexuellen-Partnervermittlung im Internet Werner B. kennenlernte und dieser ihn einlud, nach Deutschland zu kommen, um hier mit ihm zu leben, stieg der Brasilianer im Dezember 2016 in den Flieger. Jetzt sitzt er wegen versuchten Mordes auf der Anklagebank.

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Die Beziehung der Männer verlief zunächst sehr harmonisch. Sie lebten in der Wohnung des Rentners in Gern, der Ältere zahlte die Dinge des täglichen Bedarfs, beide wollten eine Verpartnerung eingehen. "Mir ging es um die Partnerschaft", sagt B. Er habe S., als dieser noch in Brasilien war, nie zugesagt, dass er ihn finanziell unterstützen werde. "Ich hab ihm eine Brille gekauft und Winterschuhe, weil in seinen Flipflops konnte er ja hier nicht rumlaufen."

Doch nach einigen Wochen tauchten dunkle Wolken am Beziehungshimmel auf. Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass der Rentner nicht damit einverstanden war, dass Joandson S. immer öfter die Wohnung verließ, um Freunde zu treffen. Er soll dem Jüngeren mehrfach gesagt haben, er müsse die Wohnung verlassen, wenn die Beziehung nicht funktioniere.

Mitte März war es dann so weit. Wegen fünf Euro, die sich S. von dem Rentner geliehen und nicht zurückgegeben hatte, kam es zum Streit. B. wollte den 30-Jährigen aus der Wohnung werfen. "Er hat erwartet, dass Joandson S. ihn bekniet, das zurückzunehmen, aber das hat mein Mandant nicht getan", sagt Rechtsanwältin Birgit Schwerdt. Der Rentner zog die Sache mit dem Rauswurf durch. S. soll mit der Trennung grundsätzlich einverstanden gewesen sein, wollte aber von B. das Geld für ein Flugticket zurück nach Brasilien. Der 73-Jährige lehnte das kategorisch ab, worauf der Brasilianer den Polizeinotruf wählte. Doch auch die Beamten sagten nur, er müsse die Wohnung verlassen.

W. trug mehrere Knochenbrüche davon

Einen Tag später kehrte der Rausgeworfene zurück und behauptete, im Keller lägen noch Schuhe von ihm. "Er hat mich bewusst da runter gelockt, im Keller waren gar keine Schuhe", sagt das Opfer. Im Keller griff der Jüngere zu einer Eisenstange und schlug sie dem 73-Jährigen mindestens zweimal auf den Kopf, der Rentner ging zu Boden. "Ich sah ihn noch über mir, mit zwei Händen die Eisenstange umklammert, diese Wucht, diese Brutalität, das hätte ich nie von ihm erwartet", erzählt er. Dann schlug der Mann noch mindestens acht Mal zu und flüchtete.

Mehr als 20 Minuten dauerte es, bis es der Rentner schaffte, sich hochzurappeln und in seiner Wohnung den Rettungsdienst zu rufen. Er erlitt eine offene Schädelfraktur, drei Kopfplatzwunden und eine Unterarmtrümmerfraktur. Neben den körperlichen Beschwerden, sagt er, habe er auch psychische Blessuren davongetragen. Er meide den Keller so gut es gehe, habe Angst vor dunklen Räumen, "ich bin danach in ein richtiges Loch gefallen". Joandson S. hat über seine Anwältin die Tat gestanden, er versicherte sein Bedauern, und er entschuldigte sich.

"Kam er ihnen nicht zu jung vor, hätte er sie pflegen sollen?", wurde der Rentner in der Verhandlung gefragt. Es sei ihm um die Partnerschaft gegangen, versichert Werner B. Die Verhandlung wird am Donnerstag fortgesetzt.

© SZ vom 21.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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