TÜV auf dem Oktoberfest:Wer auf der Wiesn die Achterbahn testet

Lesezeit: 2 min

"Es gibt nie eine absolute Sicherheit": Christian Falk klettert gerne - das muss er auch, um etwa den Fünfer-Looping zu testen. (Foto: Natalie Neomi Isser)

Schwindelfreiheit ist Voraussetzung: Christian Falk prüft die Sicherheit der Fahrgeschäfte auf der Wiesn. Bei den meisten Unfällen, sagt der Ingenieur, sei nicht die Technik schuld.

Von Elisa Harlan

Das Geräusch von Metall auf Metall, dann ein Klick. Routiniert hängt Christian Falk bei jedem kleinen Schritt seinen silbernen, ellenbogenlangen Sicherheitshaken in den nächsten Querbalken der orangefarbenen Schiene ein. Halb kriecht er auf allen vieren, halb klettert er die erste Kurve der Olympiabahn hoch. Unter ihm liegt die Wiesn, halbfertig. Auf dem Boden Schlammpfützen neben Kies und rostigen Nägeln. Männer mit grellen Hosen schleppen lange Balken, Holzstaub liegt in der Luft.

Falk schiebt seine Halskette mit dem geschnitzten Angelhaken in sein T-Shirt. Darüber trägt er einen Sicherheitsgurt, in der Hosentasche steckt ein kleiner Hammer. So ausgerüstet erarbeitet sich Falk jeden Zentimeter der knapp 40 Meter hohen und mehr als einen Kilometer langen Achterbahn mit ihren fünf Loopings.

Noch bevor auf der Wiesn das Gedränge anfängt, muss Falk seinen Job gemacht haben. Er trägt Verantwortung dafür, dass die Technik der Fahrgeschäfte - und somit auch die Passagiere - sicher sind. In der letzten Woche vor Beginn der Wiesn müssen er und seine 25 Kollegen vom TÜV Süd alles überprüfen. Auf der Olympiabahn etwa dauert es drei Tage, bis die Anlage gecheckt ist. Bevor sich Wiesnbesucher in der Achterbahn ein flaues Gefühl im Magen holen, hat Falk die Verantwortung: Er muss schauen, ob alle Schrauben sitzen, ob alle Bügel einrasten, ob die Rahmen stabil und die Züge fest in den Schienen eingehängt sind.

Bei den meisten Unfällen ist der Mensch das Problem

Falk streicht mit seinen dünnen Handschuhen über die Kanten, an denen die massiven Metallschienen zusammengesteckt werden. Der Übergang muss flach sein, damit die Wagenräder möglichst sanft darüber gleiten. Reingerutscht sei er in diese Arbeit, sagt Falk. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet er für den TÜV Süd. Sein Job: halb am Schreibtisch, halb beim Klettern. Das mit dem Klettern macht er auch in der Freizeit gerne. "Ohne eine gewisse Fitness schafft man das Achterbahnklettern nicht", sagt er. Regelmäßig wird er medizinisch durchgecheckt. Mehr als 100 Anlagen prüft er pro Jahr: Nur ein Drittel der Aufträge kommt aus Deutschland, der Rest aus der ganzen Welt.

Er stützt sein rechtes Knie auf der Schiene ab: "Es gibt nie eine absolute Sicherheit." Trotzdem muss er selten etwas bemängeln, fast immer sind es Verschleißteile, die nach einer Prüfung ausgetauscht werden müssen - nichts Besonderes. Bei den meisten Unfällen in Fahrgeschäften trägt nicht die Technik Schuld, sondern der Mensch. Die zahlreichen Verbote sollen Passagiere vor Verletzungen schützen. Winken ist verboten, Handys, Brillen, Schirme und Handtaschen sollen auf dem Boden bleiben. Auch Selfie-Stangen sind nicht erlaubt.

Falk springt an einer niedrigen Stelle von der Schiene und lehnt sich an. Privat fährt er gerne Achterbahn, selbst nach unzähligen Testfahrten. "Aber den TÜV-Prüfer kann ich dabei nicht ganz ausschalten", sagt er. Auch als normaler Besucher hört Falk also ganz genau hin, ob es in der Kurve verdächtig knarzt. Seine Söhne jedenfalls, die sechs und acht Jahre alt sind, dürfen bisher nur Wilde Maus fahren.

© SZ vom 17.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: