Trudering:Repair-Café, Marmelade und mehr

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Voller Elan: Die Mitglieder von "Truderung im Wandel" bei der Pflege der eigenen Homepage. (Foto: Florian Peljak)

"Trudering im Wandel" heißt eine Initiative, die die Welt mit vielen kleinen Schritten fit und widerstandsfähig für die Zeit nach den fossilen Brennstoffen machen will

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Sie kommen gestresst von der Arbeit in den Stadtteilladen an der Truderinger Straße und atmen erst mal durch, ehe sie sich setzen. Eigentlich haben sie genug zu tun, aber die Zukunftsgespräche, die Geschäftsführerin Christina Hesse und Moderator Winfried Frey 2014 im Kulturzentrum angeboten haben, haben sie dazu angeregt, aktiv zu werden. Hesses Ziel: Mut machen und mit nachahmenswerten Beispielen zeigen, wie man alternativ mobil sein, im Alter leben, Plastik vermeiden oder sich gesund ernähren kann. Auch Andreas und Birgit wollten bald mehr als nur die vorbildlichen Gäste auf der Bühne bestaunen und gründeten eine Gruppe. Inspiriert hat sie auch die weltweite Transition-Town-Bewegung: Kommunen machen sich rechtzeitig fit und widerstandsfähig für die Zeit nach den fossilen Brennstoffen. Lange haben die Mitglieder überlegt, wie sie Transition Town übersetzen wollen. "Trudering im Wandel", kam heraus.

"Man muss etwas tun, egal wie, egal wo", sagt Thomas. "Schritt für Schritt wachsen, erst einmal kleine Projekte", ergänzt Petra. "Es muss realistisch sein", weiß auch Sabine, "wir können nicht die Welt umkrempeln, aber wir können zeigen, da geht noch was."

Es geht eine ganze Menge, obwohl sie sich nur alle drei bis vier Wochen treffen. Da gibt es inzwischen eine Homepage www.trudering-im-wandel.de, auf die alle sehr stolz sind. Es folgt eine Filmreihe, der sie den sinnreichen Titel "Fünf vor Zwölf" gegeben haben. Dokumentarfilme zu Umweltthemen werden gezeigt, immer sonntags um 11.55 Uhr. Der erste Film namens "Speed" geht am 27. September im Stadtteilladen der Frage nach, warum alle immer weniger Zeit haben, obwohl sie pausenlos mit allerlei Gerätschaft Zeit sparen. Jeder Film hat einen Paten aus der Gruppe, der ihn vorstellt und die Diskussion in Gang bringen soll. "So finden vielleicht weitere Mitstreiter zur Gruppe", hoffen Edel und Thomas.

Zuwachs kann nicht schaden, denn sie haben mehr vor: Am 17. Oktober, 14 bis 17 Uhr, eröffnet in der Lehrer-Götz-Schule das erste lokale Repair-Café. Obwohl Vorbilder und Checklisten existieren, haben die Truderinger Aktiven Lampenfieber: Kommen acht oder achtzig, wird der Kuchen reichen?Was ist mit Versicherung, Haftung, Formularen, eigenem Werkzeug? Alles will organisiert sein. Aber nicht nur alte Geräte wollen sie vor dem Weggeworfen-Werden bewahren, auch der Obstsegen aus fruchtbaren Truderinger Gärten, dem die Eigentümer manchmal gar nicht Herr werden, soll nicht auf dem Kompost oder in der Tonne landen. Die Gruppe startet demnächst eine Mus- und Marmeladenaktion, aus Kapazitätsgründen in diesem Jahr erst einmal nur mit Äpfeln und Birnen. Sie denken an Obstvermittlung, an Pflückhilfen, an Einkochnachmittage, an süße Gläser für gute Zwecke.

Einige interessieren sich auch für "urban gardening". Selma Last, die Managerin im Stadtteilladen, der auch die Zukunftsgespräche unterstützt hat und dies im Falle einer Fortsetzung wieder tun will, kümmert sich derzeit darum, welche Vorgaben die Stadt dazu macht.

Vieles mehr ist vorstellbar, doch sie wollen sich nicht überfordern. Es soll weiterhin Spaß machen. Das tut es, alle sehen am Ende fröhlicher und entspannter aus als zu Beginn. Freude macht den einzelnen offenbar auch, im Privatleben aufmerksamer zu werden. Sabine etwa erzählt, wie sie dem Kaffeeautomaten an ihrem Arbeitsplatz ihren privaten Becher untergeschoben hat. "Gefäß erkannt", hat der geantwortet. Thomas, Edel, Petra & Co. reduzieren ihren Plastikmüll, indem sie mit eigenen Schüsseln zum Metzger und zur Imbissbude gehen. Sie informieren sich über Carsharing und Lastenräder. Selma Last, die auch privat begeistert mitmacht in der Gruppe, erzählt, dass ihr Partner daheim immer wieder mal den Satz "Das fände die Nachhaltigkeitsgruppe jetzt aber gar nicht gut" sagt. Dann lachen sie - und ändern ihre Pläne. Last hat sich etwa einen Soda-Club mit Glasflasche gekauft. Birgit bezieht nun Gemüse vom Kartoffelkombinat. Beim nächsten Treff soll es keine Getränke mehr in Plastikflaschen geben.

"Dein Alter ist ein Öko", hat Thomas neulich den Freund seines Sohnes sagen gehört. Er war stolz darauf. Auch Sabine, die nur noch zehn Prozent ihres früheren Plastikmüll-Aufkommens hat, wirbt fürs lokale Handeln gegen die globalen Probleme: "Es bereichert." Sie spornen sich gegenseitig an und wollen ihre Erfahrungen auf der Homepage weitergeben.

Christina Hesse ist begeistert und hat sich ebenfalls selbst der Gruppe angeschlossen: "Mehr als eine solche Resonanz kann man sich als Veranstalter der Zukunftsgespräche nicht wünschen."

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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