Trudering:Jeder Tropfen zählt

Lesezeit: 3 min

In der Grundschule an der Markgrafenstraße entdecken die Schüler der Klasse 4b in einer ungewöhnlichen Arbeitsgruppe, wie lebenswichtig der Rohstoff Wasser ist - und auf welche Weise Ressourcen geschont werden können

Von Ellen Draxel, Trudering

"Erst mal Augen schließen und gut zuhören." 21 Köpfe liegen auf der Schulbank, die Wimpern fest zusammengepresst. Eva Jenatschke, Klassenlehrerin der 4b, startet den CD-Player - es gurgelt, gefolgt von einem Rauschen. Daniels Finger schnellt in die Höhe: "Klospülung, das ist eine Klospülung." Das stimmt, Jenatschke nickt. Das zweite Geräusch: Jemand schenkt eine Flüssigkeit in ein Glas ein. Dann folgen typische Laute einer Spülmaschine, einer sich auflösenden Brausetablette, eines Wasserfalls.

Das Klänge-Erraten ist der Einstieg in einen Workshop zum Thema Wasser, den zehn Schüler der Wasserforscher-AG der Truderinger Grundschule an der Markgrafenstraße mit ihren Schulkameraden aus der Klasse 4b durchführen. Sie wollen ihre Mitschüler spielerisch und mit Fakten zum Wassersparen animieren. Wochenlang haben die Dritt- und Viertklässler an dem Projekt gearbeitet, fünf Stationen sind in dieser Zeit entstanden.

Gruppe eins von Philipp und Tobi bastelt Seerosen aus Papier und ordnet unterschiedlich gefüllte Wassergläser nach der Tonhöhe. In Nailas Team geht es darum, Länder wie Afghanistan, Nigeria, Frankreich oder Südafrika einer Karte zuzuordnen, um zu benennen, welcher Staat über ein großes Trinkwasserreservoir verfügt und welcher über weniger Wasser. "Wasser", erklärt Forscher Benedikt seinen Zuhörern mit ernster Miene, "ist unser allerwichtigstes Lebensmittel. Vier Tage ohne Wasser, und du kannst endgültig einpacken". Gekonnt ahmt der Neunjährige Aktionen wie Zähneputzen oder Blumen gießen pantomimisch nach - ein Rätselspiel.

Wie es tropft und klingt: Mit unterschiedlich gefüllten Wassergläsern lässt sich Musik machen. (Foto: Catherina Hess)

"Es ist echt toll, mitzuerleben, wie bei den Kindern ein Bewusstsein im Umgang mit Wasser entsteht", findet Lehrerin Jenatschke. Die Markgrafenschule ist die erste Schule in München, die an dem seit einem Jahr existierenden, internationalen Projekt "Wasserforscher" teilnimmt. In elf Ländern wird das von der britischen Organisation Global Action Plan initiierte und vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen unterstützte Programm praktiziert, mehr als 75 000 Wasserforscher weltweit haben mit Aktionen wie der Analyse von Papierverbrauch oder dem Stopp von Verschwendung bereits 1,2 Millionen Kubikmeter Wasser und 1,5 Millionen Kilogramm CO₂ gespart. Das pädagogische Konzept richtet sich an Kinder und Jugendliche zwischen acht und 14 Jahren, ist kostenlos und kann, da es online-basiert funktioniert, von Lehrern jederzeit aktiviert werden. Auch der Austausch mit Forschern aus anderen Ländern ist möglich.

Sandrina Felder führt das Projekt in Deutschland durch. Die Workshops, bei denen sie oder ihre Kollegin helfen, seien ein "Plus", sagt sie, das Tüpfelchen auf dem i. Denn im Prinzip könnten Klassen das Programm durchaus selbst durchziehen. 20 Aktionsvorschläge finden sich auf der Webseite www.wasserforscher.org - auch solche, die von den Truderinger Schülern konzipiert sind. Für jede Aktion, die Wasser einspart, gibt es Punkte, wöchentlich gibt es einen internationalen Sieger, monatlich einen nationalen Gewinner. Das beste Team repräsentiert Deutschland dann beim internationalen Wasserforscher-Event in London.

Wassersparen ist wichtiger. (Foto: Catherina Hess)

Dass es ohne Wasser kein Getränk, keine Kartoffeln, keinen Schnee, kein Schwimmbad, kein Vanilleeis und - der "absolute Horror" - erst recht kein Vanilleeis im Schwimmbad gäbe, ist die kindernahe Erklärung des notwendigen Schutzes globaler Wasserressourcen. Was jeder Einzelne dazu beitragen kann, demonstriert Forscherin Lena der Klasse 4b mit einem Fragebogen und einem Memory-Spiel: Nur wer weiß, wie viele Liter Wasser eine Waschmaschine verbraucht oder welche Menge bei der Toilette den Abfluss hinunter rinnt, gewinnt Karten-Pärchen. Am meisten aber beeindruckt die Schüler der Markgrafenschule die Station "Unsichtbares Wasser": 400 000 Liter sauberes Wasser, erfahren sie von Moritz, werden für die Herstellung eines Autos benötigt, 2700 Liter für die Produktion eines T-Shirts aus Baumwolle, 130 Liter verbergen sich in einer Tasse Kaffee. Der Grund: Kaffee- und Baumwollpflanzen müssen zuerst wachsen und später mit Wasser gereinigt werden, dann wird Wasser zur Kühlung von Maschinen und zum Mischen von Farben gebraucht. "Ein bisschen gruselig" findet Lehrerin Eva Jenatschke, dass in einem kleinen Rindfleisch-Burger 2400 Liter unsichtbares Wasser versteckt sind. Nicht nur das Getreide, das an die Kuh verfüttert wird, benötigt das kostbare Nass, auch das Tier selbst trinkt. Anschließend wird es geschlachtet und mit viel Wasser zu einem Fleischpflanzerl verarbeitet. Mit einem vegetarischen Gericht könnte der klimarelevante Fußabdruck um ein Drittel gesenkt werden.

Die Kinder jedenfalls wollen künftig nur noch fünf Minuten duschen statt in die Badewanne zu steigen, den Wasserhahn beim Zähneputzen abdrehen und an der Toilettenspülung die kleine Taste drücken. Und im Kollegium haben sich die Lehrer vorgenommen, weniger Kaffee und mehr Tee zu trinken. In einem Pott Tee verbergen sich nur 30 Liter Wasser.

www.wasserforscher.org lautet die Adresse, unter der sich Lehrkräfte aller Schularten, die Interesse an dem Programm haben, anmelden können. Die E-Mailadresse info@wasserforscher.org und die Telefonnummer 416 163 200 stehen für Fragen zur Verfügung.

© SZ vom 14.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: